"Das Betreuen der Doktoranden muss deutlich transparenter werden"

Stefan Hornbostel im Gespräch mit André Hatting · 08.02.2013
In Deutschland hängt eine erfolgreiche Promotion auch vom Universitätsstandort ab. Stefan Hornbostel, Leiter des Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung, plädiert auch deshalb für eine Verbesserung des Promotionsprozesses.
André Hatting: Heute Abend kommt Annette Schavan wieder in Deutschland an, noch mit Doktor. Die Bundesbildungsministerin hat ja Rechtsmittel dagegen eingelegt, dass die Universität Düsseldorf ihr den Titel aberkennen will. Für die Opposition ist das eine unerträgliche Situation, sie fordert den Rücktritt von Annette Schavan. Die Union verteidigt sie und findet die Aberkennung des Doktortitels unverhältnismäßig. Das ist nicht nur ein Politikum – auch innerhalb der deutschen Wissenschaftsszene ist der Fall sehr umstritten. Er offenbart ein grundsätzliches Problem. Es gibt in Deutschland nämlich keine einheitlichen Qualitätsnormen für Promotionen. Darauf hat das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung in einer Studie hingewiesen. Professor Stefan Hornbostel leitet das Institut und ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Hornbostel!

Stefan Hornbostel: Schönen guten Morgen!

Hatting: Also, wenn ich Ihre Studie lese, dann könnte man meinen, die Note für eine Dissertation ist weniger eine Frage der Leistung als eine der Geografie.

Hornbostel: Das ist leider nicht ganz falsch, der Eindruck, den Sie haben. Wir haben bei den Promotionsnoten ein sehr eigentümliches Bild. Wir haben nicht nur eine deutlich inflationäre Tendenz, die Abschlüsse werden immer besser, es gibt immer mehr Summa-cum-laude-Promotionen, also sehr exzellente Arbeiten. Wir haben auch eine enorme Varianz innerhalb der Fächer zwischen den Standorten. Und das muss man sich wirklich so extrem vorstellen, dass wir in den Wirtschaftswissenschaften Universitäten haben, in denen zwei Drittel aller Promotionen mit summa cum laude beurteilt werden, und andere große Standorte, an denen dieser Anteil deutlich unter fünf Prozent liegt. Und das deutet darauf hin, dass wir tatsächlich lokale Urteilskulturen haben und nicht so sehr einen disziplinären Standard, der dort angewandt wird.

Hatting: Und woher kommen diese gravierenden Unterschiede?

Hornbostel: Das Promotionsrecht liegt traditionell bei den Fakultäten. Das heißt, wir haben keine einheitlichen Promotionsordnungen und wir haben sie immer weniger seit der Föderalismusreform, seit also auch das Hochschulrahmengesetz als sozusagen eine Rahmen setzende Gesetzgebung weggefallen ist, wir haben sogar innerhalb der Hochschulen, dass das Recht bei den Fakultäten liegt, ein extrem buntes Bild. Die Promotionsbedingungen innerhalb einer Hochschule sind zwischen den Fakultäten keineswegs gleich. Da gibt es zwar eine Tendenz hin zu Rahmenpromotionsordnungen, und viele Hochschulen bemühen sich, dort einen etwas klareren Standard zu setzen. Aber das Gesamtbild ist sehr, sehr heterogen.

Hatting: Wie kann man das ändern?

Hornbostel: Ja, der Wissenschaftsrat hat 2011 ja Stellung genommen in einem Papier und dort auch sehr kritische Wort hinsichtlich der Qualitätsstandards in den Promotionen gefunden. Es gibt meines Erachtens zwei Ansatzpunkte. Das eine: Die Promotion fokussiert bei uns auf den Abschluss, also das Vorliegen der Arbeit und die zu erledigenden Prüfungen. Der Prozess dahin ist weitgehend ungeregelt. Deshalb wissen wir zum Beispiel auch gar nicht, wie viele Doktoranden wir in Deutschland eigentlich haben. Es ist völlig unklar, wie viele Personen im System sind. Das ist, glaube ich, ein Ansatzpunkt, das heißt, der Prozess der Promotion, das dazu gehörende Monitoring, das Betreuen der Doktoranden, muss deutlich besser und transparenter werden, denn an dieser Stelle wird eigentlich klar, ob ein Kandidat oder eine Kandidatin tatsächlich an ihrem Thema arbeitet oder ob sie am Ende dann Schnipsel aus dem Internet zu einer Promotion zusammenbastelt.

Das ist der eine Punkt, also der Betreuungsprozess, der gesamte Prozess des Promovierens sollte transparenter werden. Das passiert in vielen Graduiertenschulen inzwischen, aber eben keineswegs überall. Und der zweite Problempunkt ist das Prüfungswesen selbst. Wir haben eine ganz starke Fokussierung auf den Betreuer. Der ist zwar nicht am Ende allein zuständig für die Notengebung, aber es gibt doch einen starken Fokus auf den Betreuer. Und wenn man einmal im Ausland guckt, wie andere Länder mit diesem Problem umgehen, dann muss man da sagen, sind ganz andere Modelle im Topf. Also etwa die stärkere Trennung zwischen der Betreuung der Promotion und der Benotung am Ende.

Oder, wie in den Niederlanden etwa, wo man zwar keine Noten vergibt, da gibt es nur ein bestanden oder nicht bestanden, aber für ganz herausragende Arbeiten reserviert man ein Prädikatsexamen, das dann aber mit ganz, ganz harten Beurteilungsbedingungen verbunden ist. Dort muss dann zum Beispiel ein weitere Gutachter aus dem Ausland bestellt werden, der diese exzellente Note sozusagen ebenfalls bestätigt. Das führt dazu, dass wir in den Niederlanden nur einen ganz, ganz kleinen Anteil an wirklich Prädikatsarbeiten haben, die mit so einem Siegel dann versehen sind. Das ist ganz anders als in Deutschland, wo wir eben Standorte haben, wo zwei Drittel aller Arbeiten auf einmal exzellent sind.

Hatting: Professor Stefan Hornbostel, Leiter des Berliner Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Hornbostel!

Hornbostel: Nichts zu danken, gern geschehen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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