"Das Beben beim Klang der Stufen"

Von Tobias Wenzel · 24.06.2012
Wir treten sie mit Füßen, ohne sie zu beachten. Dabei wäre eine Welt ohne die Treppe auch im übertragenen Sinn flacher. Das jedenfalls behauptet der Schweizer Autor Thomas Hürlimann. Damit ist er bei weitem nicht der einzige Treppenliebhaber unter den Schriftstellern.
Der US-Amerikaner Nicholson Baker hat die Handlung eines seiner Romane auf einer Rolltreppe angesiedelt, in Heimito von Doderers Roman "Die Strudlhofstiege" wird die Treppe zum stummen Hauptakteur und Zeitzeugen. Andere Schriftsteller benutzen die technische Konstruktion, um Spannung zu erzeugen oder einen Ort der Magie zu schaffen. "Ich bebte allemal, wenn sie (die Stufen) von einem Paar Füßen in einem mir unbekannten Ton heraufgespielt wurden", notierte Georg Christoph Lichtenberg in eines seiner Sudelbücher.

Die Treppe ist so reizvoll, weil sie etwas über den Menschen verrät, der sie betritt, so Friedrich Mielke. Der 87-Jährige hat die Treppe zur wissenschaftlichen Disziplin erhoben und auch literarische Texte analysiert. "Don Quijote", sagt Mielke, kann ohne Sancho Panza nicht leben, aber Sancho Panza sehr gut ohne Don Quijote. Der Diener ist immer der stärkere. Und die Treppe ist der Diener."


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