Das Attentat auf Rudi Dutschke und die Folgen

Von Winfried Sträter · 07.04.2008
Spätestens mit dem Vietnam-Kongress im Februar 1968 ist Rudi Dutschke der Star der Außerparlamentarischen Opposition - APO. Und er ist das Feinbild Nummer Eins für alle, die diese Jugendbewegung als Störung und Drohung sehen. Der Chor der lautstarken Gegenbewegung wird angeführt von der "Bild"-Zeitung und anderen Zeitungen des Axel Springer Verlags.
In München liest der 23-jährige Arbeiter Josef Bachmann die Hetz-Artikel gegen Rudi Dutschke in der Boulevard- und der rechtsextremen Presse. Am 10. April setzt er sich in den Nachtzug nach Berlin. Er erkundigt sich, wo Dutschke wohnt und erfährt, Dutschke sei vielleicht im SDS-Zentrum am Kurfürstendamm 140. Als er da eintrifft, wartet Rudi Dutschke auf der Straße, dass die Apotheke nebenan öffnet, um Medizin für seinen kleinen Sohn zu kaufen. Bachmann geht auf ihn zu, fragt, ob er Rudi Dutschke sei, zieht die Pistole und feuert drei Schüsse ab. Er rennt weg, wird aber von der Polizei gefasst.

Landsberg, 4. 11. 68: "Zunächst zu den neuesten Nachrichten."

Am Abend dieses Tages versammeln sich 2000 Studenten im Audimax der Technischen Universität. Der AStA-Vorsitzende der Freien Universität, Wolfgang Landsberg, sagt:

"Wir wissen wahrscheinlich alle, dass den Rudi drei Schüsse im Gesicht getroffen haben, wir wissen alle, was das bedeutet, eine Hirnoperation nach Schussverletzung …"

Den Chirurgen gelingt es, die Kugeln aus dem Kopf Dutschkes zu entfernen und sein Leben, vorläufig, zu retten. Im Audimax der TU Berlin schlägt die anfängliche Ratlosigkeit der Studenten in Wut um.

"Kommilitonen. Die außerparlamentarische Opposition, insbesondere die Studenten haben seit Jahren zurecht darauf verwiesen, dass in dieser spätkapitalistischen Gesellschaftsordnung ein latenter Faschismus schlummert, dieser latente Faschismus ist jetzt manifest geworden, und wir müssen wir einmal als gejagte Oppositionelle reagieren, aber wir müssen jetzt derart hart reagieren, damit so etwas in Zukunft nicht mehr geschehen kann."

Ein Sprecher des CDU-nahen Studentenverbandes RCDS hat keine Chance, als er zur Zurückhaltung aufrufen will.

"Wir können die Situation nur beherrschen, wenn wir durch Vernunft uns diktieren lassen ..."

Die Studenten beschließen, zum Verlagshaus des Axel-Springer-Verlages zu marschieren und dort zu demonstrieren.

Reporter: "Es ist jetzt 23.35 Uhr. Die Situation hier in Kreuzberg vor dem Axel-Springer-Verlagshaus hat sich derart zugespitzt, dass ein Wagen-Unterstellpark, in dem die kleinen Lieferwagen des Ullstein-Verlages stehen, in Brand gesteckt wurde. Die Demonstranten haben sich auf die dem Verlagshaus gegenüber liegenden Grundstücke zurückgezogen, es hat Verletzte gegeben während der letzten Stunden, durch Steinwürfe. Denn immer wieder prasselten die Steine gegen die Fassade und auch gegen die Fenster."

Im Laufe des Abends eskaliert die Demonstration vor dem Verlagshaus, Firmenwagen des Springerkonzerns werden umgestürzt und angezündet. Erst später stellt sich heraus, dass ein Spitzel des Verfassungsschutzes die Demonstranten dazu angestiftet hat. Die Demonstration ist der Auftakt für das unruhigste Osterfest, das die Bundesrepublik bis dahin erlebt hat. In zahlreichen Großstädten kommt es zu Demonstrationen und Krawallen.

Beitrag zum Nachhören (MP3-Audio)
Demonstranten vor dem Axel-Springer-Hochhaus, 12.4.1968
Demonstranten vor dem Axel-Springer-Hochhaus, 12.4.1968© AP Archiv