Dänische Lyrik-Sensation

"Meine Eltern waren bigott"

Yahya Hassan
Der 18-jährige dänische Lyriker Yahya Hassan auf der Leipziger Buchmesse © dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt
Von Tim Krohn · 14.03.2014
Yahya Hassan rechnet in wütenden Gedichten mit der Migrantengeneration seiner Eltern ab. Sein Buch ist zum dänischen Bestseller geworden. Auf der Leipziger Buchmesse sind Personenschützer bei ihm, denn Hassan wird von Islamisten massiv bedroht.
"Fünf Kinder in Aufstellung / und ein Vater mit Knüppel / Vielflennerei und eine Pfütze mit Pisse / Wir strecken eins nach dem anderen die Hand aus / der Vorhersehbarkeit wegen ..."
"Kindheit" heißt dieses Gedicht über den prügelnden Vater. Hassan verschont ihn nicht, warum auch? Yahya Hassan ist zornig. Er jagt durch sein Leben, hetzt durch seine Gedichte, lässt sie mal rythmisch wie Hip Hop klingen, mal hypnotisch wie eine Koransure. Sein Dänisch ist messerscharf. Hassan tut weh.
"Ein Schlag ... ein Schrei ... eine Zahl."
Yahya Hassan: "Geh doch mal von Tingeberg nach Nörrebro, dann merkst du, wie die Dinge liegen. Da lebt die unterste Klasse. Und alle verkaufen Hasch, alle stehlen, alle hehlen. Alle meine Vettern tun es, alle anderen tun es. Ich kenne die Leute. So ist das Milieu nun mal."
Yahya Hassan kokettiert nicht. Er war selber einer "von denen da unten" in den Vororten von Kopenhagen, kiffte, raubte, kam ins Heim, boxte sich raus. Eine Lehrerin entdeckte dort seine unglaubliche Sprachgewalt. Yahya fing an zu dichten, es war sein Ventil. Die Luft muss raus!
"Also das mit dem Schlagen zu Hause passierte drei bis viermal die Woche. Das war immer abhängig von seiner Laune. Aber es gab ein Muster. Es war, wie wenn man den Zünder einer Bombe löst und dann nahm sich mein Vater die Kinder vor."
Mal laut, mal schüchtern
Kapuzenpulli, ein paar Narben auf der Stirn, ein bescheidener Bartflaum – Yahya Hassan ist gerade mal 18 Jahre alt und benimmt sich auch so: laut und wütend und dann wieder beinahe schüchtern, verloren, alles auf einmal. Das geht in dem Alter.
"Meine Eltern waren bigott. Denn einerseits haben sie gebetet und gefastet aber gleichzeitig haben sie im ganz großen Stil die Gesellschaft betrogen."
Hassan beschreibt die Männer aus der Vorstadt, überforderte Migranten. Er spricht von Muslimen, die zum Freitagsgebet gehen, an den anderen Tagen aber nur „stehlen, hehlen, saufen, huren.“
Der Literaturkritiker der Zeitung "Politiken", Jes Stein Pedersen, war einigermaßen fassungslos, als er die Gedichte zum ersten Mal las:
"Ich war verblüfft. Ich war begeistert. Und ich habe gemerkt: das hier ist etwas ganz Besonderes. Das ist das, worauf wir in Dänemark gewartet haben. Jetzt ist da endlich mal einer aus dem Milieu selber, der etwas zeigt, was wir noch nicht gesehen haben. Und das mit einer literarischen Qualität, die einen wirklich mit voller Wucht trifft."
Morddrohungen muss man ernst nehmen
Die volle Wucht bekommt Hassan inzwischen selbst zu spüren. Dutzende sehr konkrete Morddrohungen hat er schon erhalten. Dass man die ernst nehmen muss, das wissen die Dänen seit den Anschlägen wegen der Mohammed-Karikaturen nur allzu genau.
Stein Pedersen: "Ich wusste gleich, dass diese Gedichtsammlung einen großen Brand entfachen wird. Ich habe mich gefragt, ob er sich eigentlich bewusst ist, was er da in Gang setzt? Weiß Hassan, was es bedeutet, wenn er an einer Stelle schreibt, dass er auf den Koran pisst?"
Die Sorge des Redakteurs ist mehr als berechtigt. Hassan kann nur noch mit Personenschützern vor die Tür. Aber wie kann ein 18-jähriger so ein Leben ertragen? Yahya Hassan lamentiert nicht. Ist halt so, was soll er machen?
Stor Pedersen, sein großer Förderer, hofft, dass es irgendwie gut ausgeht:
"Er ist da eiskalt und er ist furchtlos. Er meint, die sollen nur kommen. Er ist ja aus dem Ghetto und ist es gewohnt, sich zu prügeln. Das ist eine Todesverachtung, die aber nicht naiv ist. Er hat Leute, die auf ihn aufpassen. Und hoffentlich ... hoffentlich geht alles gut."
Am 17. März erscheint Hassans Debüt auch auf Deutsch. Informationen des Ullstein Verlags
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