Das schwedische Rentensystem

Drei Säulen, k(l)eine Sorgen

Eine schwedische Flagge im Hafen von Göteborg, aufgenommen am 31.07.2010.
Die Renten in Schweden sind zwar sicher, aber nur, wenn man sich selber kümmert. © picture alliance / dpa / Hinrich Bäsemann
Von Carsten Schmiester · 07.11.2016
In Schweden besteht die Rente aus drei Teilen: einer staatlichen Grundrente, einer Betriebsrente und einer privaten Altersversorgung. Allerdings benachteiligt dieses System Frauen und Geringverdiener.
Johan aus Stockholm ist 25 Jahre alt, er hat eine eigene kleine Produktionsfirma und ist so einer dieser typischen jungen "professionals". Gerade erst im Beruf und schon gefühlt auf der Überholspur. Das heißt: Arbeiten und Leben im Hier und Jetzt; viel Arbeiten, viel Leben und das möglichst gut.
"Ich habe noch nicht genau über meine Rente nachgedacht. Das kommt später. Im Moment versuche ich, einfach mehr Geld zu verdienen, um mehr Taxi fahren zu können, teurer essen zu gehen und öfter mal ‘ne Wochenendreise zu machen."
So wie er ticken viele junge Schweden. Die Wirtschaft läuft, die Krise ist Geschichte – und das Rentensystem des Landes ja eher ein stabiles. Also, warum sich einen Kopf machen?
1999 wurde dieses System von Grund auf renoviert und bietet nach Ansicht vieler Fachleute eine im europäischen Vergleich eher hohe Sicherheit. Nur, ein bisschen kompliziert ist es schon. Vor allem für junge Leute wie Johan, die eben noch nicht wirklich darüber nachgedacht haben. Wie war das doch mit den drei Säulen?
Der Umschlag ist in Schweden orange und darin kommen jährlich die aktuellen Informationen über spätere Zahlungen. Die setzen sich aus eben drei Teilen zusammen. Aus der staatlich garantierten Grundrente, zurzeit umgerechnet etwa 850 Euro. Dann aus der "Tjänstepension", eben jener Betriebsrente, in die vor allem der Arbeitgeber einzahlt. Und schließlich aus der freiwilligen privaten Altersvorsorge.

Ab in die Rente mit 61 - wer will

Wann genau diese Rente in Anspruch genommen wird, entscheiden die Schweden selbst. Das neue Rentenrecht gibt ihnen die Wahl. Sie können mit erheblichen Abschlägen schon ab 61 gehen und ab 65 dann mit der vollen Auszahlung. Und wer will – oder meint, zu müssen - der kann aber auch noch bis 67 weiterarbeiten und bekommt dann entsprechend mehr Rente.
Emma ist verheiratet und lebt als Mutter von vier Kindern am Stadtrand von Stockholm. Sie zählt zu jenen, die es nicht ganz so leicht haben in diesem System, das auf den ersten Blick ja doch eher gut aussieht...
"Das jetzige Rentensystem, ich weiß nicht, ich traue dem nicht so richtig. Teilweise, weil ich ziemlich viele Jahre im Ausland gewohnt und nicht so viel in die Rentenkasse eingezahlt habe. Aber auch, weil das zusammengerechnet von der ganzen Bevölkerung ins System eingezahlte Geld vielleicht doch am Ende nicht ausreicht in der Zukunft?!"
Wie ihr geht es vielen Schweden, die eben nicht mehr 25 sind, die schon eine Weile gearbeitet und gelebt haben, siehe Ehe und Kinder, die ihre Existenz aufgebaut haben und ein wenig mehr wissen als Johan über die Herausforderungen, vor denen auch das schwedische System steht.
"In meinem Bekanntenkreis zahlen immer mehr lieber den Kredit für das Haus oder die Wohnung ab, anstatt klassisch in eine Rente einzuzahlen. Ich habe auch gemerkt, dass die Betriebsrente mehr und mehr ein Argument dafür ist, den Job zu wechseln. Man achtet schon sehr darauf, wie viel der Arbeitgeber da einzahlt."
Auf die staatliche Rente allein setzt also schon lange niemand mehr und nun wird vielen klar, dass die beiden anderen Säulen des Systems, die "Tjänstepension" und die freiwillige Versicherung, immer wichtiger werden. Was Frauen, die auch in Schweden oft schlechtere Arbeitsbedingungen haben als Männer, und Geringverdiener deutlich benachteiligt.

Schweden werden älter und sollen länger arbeiten

Und dann ist da ja noch ein anderes, durchaus auch in anderen Ländern bekanntes "Problem", selbst wenn es ja eigentlich eine gute Sache ist. Annika Creutzer, Journalistin und Volkswirtschaftlerin, hat sich mit der Zukunft der schwedischen Rente befasst:
"Wir sind ja gesünder als vorher. Man sagt, dass wir in den letzten 30 Jahren rein körperlich zehn Jahre jünger geworden sind. Natürlich gibt es viele, die physisch nicht mehr so lange arbeiten können, aber wir haben auch unglaublich viele gesunde Rentner. Die Hälfte unserer Gesundheitsversorge benutzen wir in unseren letzten Lebensjahren. Wir funktionieren jetzt viel länger als früher."
In der Folge überlegt Schweden also nun, das Rentenalter noch höher zu setzen - anscheinend sehr konkret:
"Man wird wohl 2017 einen entsprechenden Beschluss im Reichstag fassen und ihn dann ab 2020 umsetzen. Vorher muss man allerdings überlegen, welche Jahrgänge betroffen sein werden. Ich denke, man wird da vorsichtig ‘rangehen. Diejenigen, die nah am Rentenalter sind, werden ausgeklammert und die jüngeren Jahrgänge haben dann Zeit, um sich an die neue Regelung zu gewöhnen."
Emma ist noch nicht besonders nah am Rentenalter und könnte gut von der neuen Rentenregelung ab 2020 betroffen sein. Sie nimmt es aber schwedisch – gelassen:
"Ich werde wohl nicht frühzeitig in Rente gehen können. Sondern ich werde wohl mindestens bis 67 arbeiten müssen, so wie es jetzt aussieht. Ich freue mich trotzdem auf meine Rente, aber nur, weil ich mehr Freizeit haben werde. Ganz sicher nicht finanziell, weil ich keine Ahnung habe, wie viel Rente ich einmal bekomme."
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