Dämmert es?

Von Anke Petermann, Philipp Gessler, Michael Watzke und Claudia van Laak · 07.11.2013
Die katholische Kirche hat ein Problem mit der Transparenz ihrer Finanzen. Das wurde nicht zuletzt an dem Skandal um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst deutlich. Die Debatte dreht sich aber längst nicht mehr nur um den überteuerten Bischofssitz.
Wir schauen zunächst nach Limburg, wo nun bis Januar 2014 eine Kommission der Deutschen Bischofskonferenz die Kosten für das mindestens 31 Millionen Euro teure Bauvorhaben überprüft. Für die 650.000 Katholiken vor Ort bedeutet dies vor allem eine Hängepartie. Anke Petermann hat sich umgehört im Bistum, das vom rauen Westerwald in Rheinland-Pfalz bis in den lieblichen Rheingau reicht:

Tebartz-Tourismus - ein neues Phänomen auf dem Domberg des mittelalterlichen Fachwerkstädtchens Limburg. "Wofür das Geld zum Fenster rausgeworfen wurde", will sich Familie Pütz aus Baden-Württemberg anschauen. Doch über das zwei Meter hohe Stahltor hinweg ist kaum etwas von der umstrittenen Bischofsresidenz zu erhaschen. Der Komplex ist hermetisch abgeriegelt, das schwarze Schiefer-Spitzdach der Privatkapelle ragt heraus. Anreisende aus ganz Deutschland schaudern:

"Das ist wie ne Festung, da kommt keiner rein, da denke ich, das ist hier eben noch die alte Machtentfaltung der Kirche. Wie ein Gefängnis ist das abgeschottet. Ich hab' den Vorgänger, den Kamphaus, noch kennengelernt, das war alles so offen und freundlich hier - na ja, schade. Das sich Einschotten hier, das ist nicht Kirche."

"Repräsentativ, landesherrlich, irgendwie."

"Aber ist doch ziemlich sparsam im Vergleich zum Petersdom. Da hat er doch maßgehalten. Wenn die Katholiken jetzt endlich mal wach werden, was die Kirche mit ihnen macht, dann hat es seinen Zweck erfüllt."

Kritik und Bedauern, Häme und beißende Ironie müssen Katholiken im Bistum Limburg derzeit aushalten. Die gelten dem Bischof mit Hang zur puristisch-exklusiven Eleganz, aber auch den Priestern und Gemeinde-Mitgliedern, die sich das Kirchenfürst-Gehabe des Tebartz-van Elst bieten ließen. Wie konnte es so weit kommen, dass sich ein Bischof als Monarch gerierte, seine Beratungsgremien abfertigte wie lästige Untertanen, Kontrolle umging und eine Atmosphäre lähmender Angst verbreitete? Genau das fragt sich Pfarrer Robert Nandkisore im idyllischen Rheingaustädtchen Eltville. Und erblickt in der Krise eine Chance:

"Auch gegen den Bischof lässt sich der liebe Gott seine Kirche nicht aus der Hand nehmen. Vielleicht kommt die Kirche sogar durch einen schlimmen Bischof sehr viel schneller an den Punkt, an den sie eigentlich gehört. Nämlich durch eine Krise, wie wir sie jetzt im Bistum Limburg erleben, dass wir uns erstmalig fragen, was geht überhaupt nicht, Verschwendung von Kirchengeld, wofür geben wir's aus, wie sind Dialogstrukturen, hat Angst in der Kirche einen Platz. Und das wäre unter einem lieben und braven Bischof gar nicht passiert."

"Unsere Kinder treten aus der Kirche aus", hörte Nandkisore soeben beim Seniorentreffen von verunsicherten Älteren. Auch Ursula Immesberger vom Pfarrgemeinderat bekommt die Austrittswelle hautnah mit. Immerhin bleiben die Engagierten in den Gremien noch bei der Stange,

"und ich denke, wir werden diese Zeit gemeinsam durchstehen. Es wurde mir aber schon jetzt mitgeteilt von Mitgliedern sowohl aus dem Verwaltungsrat als auch aus dem Pfarrgemeinderat, dass, wenn unser Bischof zurückkommen sollte, sie ihr Ehrenamt niederlegen würden, weil sie sich eine weitere Zusammenarbeit nicht vorstellen können."

Eine Rückkehr des Limburger Bischofs würde Protestwelle verursachen
Auch Robert Nandkisore würde als Pfarrer zurücktreten, wenn Tebartz-van Elst zurückkäme. Er wäre nicht der einzige. Im Bistum Limburg würde die Protestwelle wohl eine massive Personalnot verursachen. Und wenn der Bischof nicht zurückkommt? Guckt Rom dann einen neuen aus und lässt ihn vom Limburger Domkapitel wieder nur abnicken? Unter Papst Franziskus hält es Pfarrer Nandkisore für möglich, dass das Domkapitel zeigt, was es aus der Krise gelernt hat:

"Wenn sie einen neuen Bischof wählen sollten im nächsten Jahr, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es die eine oder andere Person darin gibt, die sagt, "jetzt fragen wir mal unsere Pfarrer, unsere Gremien und unsere Gemeinden, ob die uns ein paar Namen nennen, und dann gucken wir, was wir draus machen". Wäre ein schönes Zeichen, und Rom sollte mit seinem Nuntius in Berlin gut zuhören und zum Wohle der Diözese und nicht zum Wohle irgendwelcher Machtpolitik entscheiden."

Eine geschlossene Bewegung zugunsten innerkirchlicher Demokratisierung gibt es im Bistum Limburg aber nicht. Viele Katholiken hoffen, dass dem abgehobenen Monarchen ein guter Hirte und zugewandter Seelsorger folgt und sich damit alles wieder einrenkt. Touristen auf dem Limburger Domberg dagegen sehen in der millionenschweren Residenz ein in Beton gegossenes Zeugnis für die Gefahr, die bischöfliche Machtfülle generell birgt. Christel Schneider ist Protestantin aus Witten an der Ruhr:

"Mit Talar und Bischofsgewand und was sie tragen, heben die Bischöfe ab, da ist ein ganz anderes Amtsbewusstsein. Und dieses Amtsbewusstsein ist so ätzend, nicht nur hier in der katholischen Kirche. Auch in unserer, in der evangelischen Kirche. Es ist extrem, die Bischöfe haben eine zu geschützte Stellung, das ist schlimm. Das ist so wie früher - Fürstbischof."

Einen Fürstbischof aber wollen die Limburger Katholiken nicht mehr. Und echte Kontrollinstanzen, so meint Ursula Immesberger vom Pfarrgemeinderat in Eltville, sollten verhindern, dass sich im Bistum je wieder einer festsetzen kann.

"Genau das wäre das Gute an der Sache, wenn dieses Beispiel, was unser Bischof uns gegeben hat, dazu führt, dass da Kontrollmechanismen eingeführt werden, dass er nicht allein die Entscheidungen treffen und sich zum Beispiel über das Domkapitel hinwegsetzen kann."

Vorerst aber bleibt in Limburg alles in der Schwebe. Zum neuen Verwaltungschef des Bistums hat Papst Franziskus Ende Oktober den Wiesbadener Pfarrer Wolfgang Rösch bestimmt. Vertrauen will der neue Generalvikar zurückgewinnen, indem er den teils wütenden, teils enttäuschten Gläubigen im Bistum zuhört, ihre Verletzungen und Kritik ernst nimmt. "Erlösen" könne er das Bistum nicht.

"Aber einfach das Gespräch mit den Leuten suchen und dass die Leute umgekehrt das Gespräch auch annehmen. Was mich trägt, ist ein Vertrauensvorschuss. Den erfahre ich sehr deutlich. Ich erfahre auch sehr deutlich den Willen, dass man da rauskommt, wo alles so paralysiert war."

Anders als üblich ist dieser Generalvikar nicht dem Bischof rechenschaftspflichtig, denn der muss in der Auszeit die Amtsgeschäfte ruhen lassen. Rösch führt sie kommissarisch weiter und ist direkt dem Heilligen Stuhl in Rom unterstellt. Tebartz-van Elst kann also nicht von fern die Strippen ziehen. Zumindest darüber sind die Gläubigen im Bistum erleichtert, wenn auch die Hängepartie an den Nerven zerrt.

Kirchenfinanzen sind ein Dickicht aus Konten
Hängepartie in Limburg also. Aber nicht nur dort treten aufgrund des Tebartz-van-Elst-Skandals immer mehr Menschen aus der Kirche aus. Auch in Köln, Paderborn oder München, hat sich die Zahl der Kirchenaustritte im Vergleich zum Vormonat mehr als verdoppelt. Das erhöht den Druck auf die Bistümer Klarschiff zu machen in Finanzfragen. Nur: So einfach ist das gar nicht: Denn Kirchenfinanzen sind ein Dickicht an offengelegten und versteckten Konten, wie Philipp Gessler dokumentiert:

Weihrauch, prächtige Gewänder, erlesene Musik - wenn im Barock-Dom zu Fulda wie Ende September die derzeit 67 Bischöfe Deutschlands zu ihrer Herbstversammlung zusammentreffen, ist sie sichtbar: die Pracht, die so nur die katholische Kirche entfalten kann.

Aber: Finanzieren eigentlich die Kirchen selbst solchen Augen- und Ohrenschmaus ... oder am Ende der Staat? Das ist schwer zu sagen. Nur eines ist klar: Der Staat, jeder einzelne Steuerzahler, jede einzelne Steuerzahlerin finanziert Teile des kirchlichen Wirkens und Auftritts in Deutschland mit - egal, ob man nun Kirchenmitglied ist oder nicht. Warum ist das so? Sind die Kirchen nicht reich?

350 Milliarden Euro

Auf diese Summe schätzt der Autor Carsten Frerk den Gesamtreichtum der beiden Volkskirchen in Deutschland - genaue Zahlen haben selbst die Kirchen nicht, unter anderem weil sie föderal aufgebaut sind und ihr Reichtum, Beispiel: Domschätze, in ihrem Wert oft nur zu schätzen sind. Die geschätzten 350 Milliarden der Kirchen umfassen das Geldanlage- und Grundvermögen der beiden großen Glaubensorganisationen mit ihren rund 48 Millionen Mitgliedern.

Beide Volkskirchen verdienen ungefähr zehn Milliarden Euro pro Jahr
Der Politologe Frerk, der dem säkular-kirchenkritischen Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) nahe steht, ist der Einzige, der sich die Mühe gemacht, einmal zusammenzurechnen, wie viel Vermögen die beiden großen Kirchen hierzulande wirklich haben. Zwei Jahre lang hat sein Datensammeln gedauert.

Zehn Milliarden Euro

Ungefähr so hoch sind die jährlichen Einnahmen der beiden Volkskirchen durch die Kirchensteuer insgesamt. Dazu kommt, grob gesagt, Jahr für Jahr noch einmal so viel Geld aus anderen Quellen, etwa aus Kollekten, Schulgeld, Mieten, Zuschüssen und Zinserträgen. Die katholische Kirche ist nach den Recherchen Frerks im Besitz von über 240.000 Hektar Land - rund 150.000 Gebäude nennt sie ihr Eigen.

Dieser Reichtum ist zum großen Teil sehr alt, so alt eben wie das Christentum hierzulande. Problematisch ist: Der Staat hilft den beiden Volkskirchen, ihren Reichtum zu mehren. Er zieht - weltweit fast einmalig - die Kirchensteuer für die Kirchen ein. Dafür darf er zwischen zwei und vier Prozent des Kirchensteueraufkommens für sich behalten. Das addiert sich auf zweistellige Millionenbeträge.

Rund 450 Millionen Euro

So viel zahlt der Staat pro Jahr an die beiden Volkskirchen an Personalzuschüssen und für das "Kirchenregiment". Es sind Ausgleichszahlungen für die Säkularisierung vor 200 Jahren in den deutschen Territorien zu Zeiten Napoleons. Allerdings, so betont der gegenwärtige evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, erhielten auch atheistische und humanistische Verbände Staatsleistungen.

Etwa 45 Milliarden Euro

So viel zahlt der Staat den großen kirchlichen Sozialhilfeverbänden Diakonie und Caritas, damit die ihre Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime sowie Kitas unterhalten können. Der Staat entlastet sich so. Aber das alles funktioniert dann nur unter christlichem Namen und nach dem christlichen Arbeitsrecht, das auch in das Privatleben der Angestellten hinein zu funken versucht. Und das, obwohl bei manchen kirchlichen Einrichtungen 100 Prozent der laufenden Kosten vom Staat getragen werden. Carsten Frerk erklärt:

"Wenn man den gesamten Bereich von Caritas und Diakonie nimmt, dann werden von diesen Kosten, die dort entstehen, nur 1,8 Prozent von der Kirche finanziert."

Der Staat gibt also viel für die Wohlfahrt seines Volks - und der Kirchen - aus. Aber er spart dabei auch Geld durch das Einspannen der Kirchen, wenn auch nur vergleichsweise wenig. Auch deshalb sind die Kirchen mit rund 1,5 Millionen Angestellten in ihren sozialen Einrichtungen zum zweitgrößten Arbeitgeber hierzulande geworden - nach dem Staat selbst.

Etliche Bistümer versprechen nun mehr Offenheit
Ein enges Geflecht ist da in den vergangenen Jahrzehnten zwischen Staat und Kirche entstanden ist. Ein Geflecht, das es nun auseinanderzuzurren gilt, wenn die katholischen Bistümer ihr Vermögen nun öffentlich machen. Etliche Bistümer, darunter auch Münster, Köln und München haben das ja versprochen? Aus München berichtet Michael Watzke:

Eine Großbaustelle in der Münchner Innenstadt, gleich neben dem berühmten Liebfrauen-Dom. Hier baut das Ordinariat des Erzbistums München ein Verwaltungszentrum, bestätigt auf Nachfrage der Pressesprecher der Erzdiözese, Bernhard Kellner:

"Die Baukosten betragen 42 Millionen Euro. Das meiste, was da getan werden muss, sind technische Einbauten. Neue Aufzüge. Barrierefreie Erschließung. Neue Elektrik. Energetische Gebäudesanierung. Um dieses Gebäude für eine moderne Verwaltung nutzbar zu machen."

Insgesamt kostet der Bau 130 Millionen Euro, weil die Erzdiözese München-Freising das teure Grundstück in bester Innenstadtlage kaufen musste - für 86 Millionen Euro. In zwei Jahren sollen hier 400 Kirchenangestellte arbeiten:

"Und das kann man nicht in einer Bretterbude tun. Da braucht man eine moderne Verwaltung. Mit moderner Datenverarbeitung. Und darum bemühen wir uns."

Das neue Verwaltungszentrum am Dom ist nur eine von insgesamt 7000 Immobilien, die das Erzbistum München-Freising besitzt. Nicht mitgerechnet das prächtige Barock-Palais Holnstein, in dem Erzbischof Reinhard Marx residiert. Denn das Palais gehört seit der Säkularisation 1803 dem Freistaat Bayern, der die Kirche damals enteignete. Zum Ausgleich wohnt der Kardinal im Palais heutzutage mietfrei:

"Eine 90qm-Wohnung. Drei Zimmer, Küche, Bad. Es lebt auch sein Kaplan da, der erzbischöfliche Sekretär, in einer kleinen Wohnung. Und es leben dort auch zwei Schwestern, die den Haushalt des Kardinals führen."

Bayern setzt sich kritisch mit Obrigkeiten auseinander
Der Pressesprecher weist ausdrücklich darauf hin, dass Marx seine mietfreie Wohnung versteuern müsse. Der Kardinal ist vorsichtig geworden, seit sein Limburger Bischofskollege Tebarz-van Elst beim Kirchenvolk in Ungnade gefallen ist. Auch in Bayern setzt sich das Kirchenvolk kritisch mit dem Selbstverständnis der Kirche auseinander. Etwa Pater Anselm Bilgri, der frühere Prior des Benediktiner-Klosters Andechs:

"Diese Haltung, dass Kirche schon eher etwas Fürstliches ist. Der Bischof ist ein Fürstbischof. Er wohnt in einem Palais, er hält Hof, er gibt Audienzen - ich glaube, da muss man zeitgemäßer werden und umdenken."

Wobei Pater Bilgri dem Münchner Kardinal Marx zugutehält, dass er ein volksnaher Bischof sei:

"Ich glaube, Kardinal Marx ist ein ganz bodenständiger Mensch, der natürlich -schon auch gern lebt. Er trinkt mal ein Bier, raucht mal eine Zigarre."

Und so sehen die meisten Münchner Katholiken ihren Kardinal Reinhard Marx auch nicht als abgehobenen Kirchenfürsten wie etwa Bischof Tebarz-van Elst. Was nicht heißt, dass es in München keine Kritik am Finanzgebaren des Bistums gebe. Vor rund einem Jahr kaufte die Diözese für 10 Millionen Euro ein marodes Haus in Rom. Das war sogar kirchen-intern umstritten, deutet Pressesprecher Kellner an:

"Man wird das Gebäude jetzt sanieren. Zu diesem Zwecke sind auch fünf Millionen Euro bereitgestellt worden. Das will erklärt sein. Das kann aber auch viel zur Zukunft der Kirche beitragen. Es gibt eine Partnerschaft der katholischen Laien hier in Freising mit einer Gemeinde in Rom, Sankt Corbiniano. Auch für diesen Zweck ist das Haus gut vorstellbar."

Das Erzbistum München-Freising gilt zusammen mit Köln als die reichste Diözese in Deutschland. Zwar ist die Bilanzsumme des bischöflichen Stuhls mit 27,6 Millionen Euro im vergangenen Jahr vergleichsweise gering gewesen. Aber, so Pressesprecher Kellner:

"Diese Summe ist natürlich nicht das Vermögen des Erzbistums München-Freising. Das Vermögen des Erzbistums wird verwaltet von der Erzbischöflichen Finanzkammer. Das genaue Vermögen können wir aber nicht beziffern."

Experten rechnen mit Milliarden im Erzbistum München-Freising
Und das, obwohl das Erzbistum München-Freising seit dem Limburger Skandal geradezu Transparenz predigt. Früher gab es fast gar keine Angaben über die Kirchenfinanzen. Jetzt verspricht man zumindest, in drei bis vier Jahren eine Vermögenssumme zu nennen. Experten rechnen mit einer milliardenschweren Zahl. Das Erzbistum besitzt allein 5000 Hektar Wald - eine Fläche sechsmal so groß wie der Tegernsee in Oberbayern. Dazu kommt jährlich knapp eine halbe Milliarde Euro Kirchensteuer-Einnahmen. Tendenz steigend, wegen der guten Wirtschaftslage. Damit finanziere die Kirche vor allem eine riesige Bürokratie, kritisiert Pater Anselm Bilgri.

"Das verführt manchmal schon zu Investitionen, gerade im Verwaltungsbereich, die eigentlich nach dem Rückgang der Kirchenmitglieder nicht mehr gerechtfertigt sind."

Der ehemalige Mönch Anselm Bilgri, der vor zehn Jahren im Unfrieden aus dem Kloster Andechs ausgeschieden ist, zitiert aus dem Kirchenrecht. Dort sei für katholische Geistliche eine "sustentatio congrua" vorgeschrieben. Lateinisch für einen angemessenen Lebensunterhalt. Ob dazu - wie in München - eine 7er-BMW-Limousine zählen müsse, lässt Bilgri offen:

"Was mich persönlich bedrückt, ist, dass vor allem bei dem ganz jungen Klerus, der jetzt nachwächst, dass es da jetzt wieder fröhliche Urständ' feiert, diese Rückkehr zu alten Formen. Die natürlich auch wieder mit Prunkhaftigkeit und Protz einhergehen."

Gerade in Bayern, mit seinen reich verzierten Rokoko-Kirchen und der fürst-bischöflichen Attitüde des Klerus, gehöre Pracht noch immer zum Selbstverständnis der Kirche. Bis hinunter zum kleinsten Gemeindepfarrer.

Die "armen Verwandten" im Bistum Berlin
Vielleicht könnte man sich in München ein Beispiel nehmen an Berlin? Ein armes Bistum, in dem der Erzbischof Rainer Maria Woelki mit U- und S-Bahn unterwegs ist. Claudia van Laak stellt ihn vor.

Berlin-Wedding, Osloer Straße 11, sanierter Altbau. Auf einem der 28 Klingelschilder steht: "Woelki". Für den gesamten Titel wäre kein Platz: "Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Berlin". Der 57-Jährige wohnt in einer 5-Zimmer-Mietwohnung unterm Dach:

"Es ist eine Wohnung, die eine katholische Wohnungsbaugesellschaft gekauft hat, beziehungsweise ein Haus, was dort von denen renoviert worden ist, was Eigentum dieser katholischen Wohnungsbaugesellschaft ist. Es sind viele Migranten dort und die Brötchen, Entschuldigung Schrippen, von einem türkischen Bäcker."

Die Imbissbude "Curry und Chili", der afrikanische Kulturverein, das Kindermuseum Labyrinth - das ist die Nachbarschaft des Erzbischofs. Der Wedding ist ein Berliner Arbeiter- und Migrantenbezirk. Einige Glaubensbrüder und -schwestern hatten Woelki abgeraten, dorthin zu ziehen, als er vor gut zwei Jahren von Köln nach Berlin wechselte. Doch: Es gab keine Alternative. Über eine bischöfliche Residenz verfügt das Berliner Erzbistum nicht, die Wohnung des verstorbenen Woelki-Vorgängers hinter der Hedwigskathedrale war dringend sanierungsbedürftig. Die Dachwohnung im Wedding passt zu dem 57-jährigen Fußballfan - Woelki ist Mitglied des 1.FC Köln - der auch sonst nicht das Bedürfnis hat, sich von der harten Berliner Realität abzugrenzen:

"Also ich fahre viel Zug und S-Bahn und U-Bahn, auch aus Umweltgründen. Und teilweise ist es im Zug auch bequemer, ich kann da leichter arbeiten."

Rainer Maria Woelki könnte den Anti-Tebartz-van-Elst geben. Schon schreiben Journalisten über den asketischen Bischof, der in einer Mietskaserne wohnt. Doch Woelki will sich nicht in diese Rolle drängen lassen, äußert sich nur ganz allgemein zu dem Limburger Bischof. Es sind andere, die den Berliner Erzbischof als bescheiden loben - Hans-Jürgen van Schewick zum Beispiel, Mitglied im Vermögensverwaltungsrat des Erzbistums Berlin:

"Beim Katholikentag im letzten Jahr fiel auf, da war ein Empfang vom Ministerpräsenten Kretschmann, die anderen hohen geistlichen Herrn kamen im vollen Ornat und Woelki stand ganz bescheiden in seinem normalen Anzug da, das ist sehr positiv aufgefallen."

Keine Schattenhaushalte mehr in Berlin
Hans Jürgen van Schewick ist pensionierter Bundesverwaltungsrichter, er kennt sich aus mit den Finanzen des Erzbistums, das neben Berlin auch weite Teile Brandenburgs und Vorpommerns umfasst. Die Kirchensteuereinnahmen des Erzbistums sind vergleichsweise gering - nur jeder zehnte Berliner ist Mitglied der katholischen Kirche. Außerdem wurde das Erzbistum erst 1930 gegründet, die deutsche Teilung verhinderte größere wirtschaftliche Aktivitäten:

"Wenn Sie die bayerischen Bistümer nehmen oder Köln oder auch Münster, da sind wir im Zweifel die armen Verwandten."

Die eigene Wohnungsbaugesellschaft, das Petrus-Werk, musste das Erzbistum Berlin vor zehn Jahren verkaufen. Die Hauptstadtkatholiken waren tief verschuldet, pumpten sich von den reichen Bistümern im Westen 30 Millionen Euro. Niemand wollte die Schuld für die damalige Finanzkrise übernehmen, Verantwortung wurde hin- und hergeschoben - so wie jetzt im Bistum Limburg. Unterstützt von einer Unternehmensberatung reformierten die Berliner Katholiken dann ihre Finanzen. Wir haben unsere Schattenhaushalte aufgelöst, erläutert der frühere Bundesrichter van Schewick:

"So was ist immer schlecht, wenn man verschiedene Töpfe hat, wo die Sachen hin- und hergeschoben werden können. Das führt letztlich zu Unklarheiten, zu unklaren Verantwortungsverhältnissen. Das, meine ich, haben wir in Berlin optimal gelöst."

Doch in puncto Transparenz sind die Berliner noch nicht so weit wie andere Bistümer. Sie veröffentlichen zwar ihren jährlichen Haushalt, doch welche Vermögenswerte in Form von Immobilien oder Wertpapieren dahinterstecken, das verschweigt das Erzbistum bislang.