Cyndi Lauper: "Detour”

"Herzschmerz mit Humor"

Die US-Sängerin Cindy Lauper bei einem Bühnenauftritt nachdem sie den "Chairman's Awards For Sustained Creative Achievement and Special Performance during The National Association of Recording Merchandisers" (NARM) in Chicago, Illinois, erhalten hat.
Cyndi Lauper bei einem Auftritt vor sechs Jahren - nun meldet die US-Sängerin sich zurück, mit neuem Album und pinken Haaren. © dpa / EPA/ KAMIL KRZACZYNSKI
Von Marcel Anders · 09.05.2016
Mit Hits wie "Girls Just Want To Have Fun" hat Cyndi Lauper Popgeschichte geschrieben. Auf ihrem neuen Album "Detour” interpretiert die mittlerweile 62-Jährige Country-Songs der 40er und 50er – den Soundtrack ihrer Kindheit.
"Ich stehe darauf! Und ich bin in einem Alter, in dem ich Pink, Blau oder Lila tragen kann. Eben wie die alten Ladys. Blond ist mir zu langweilig, weil es schon zu viele Blondinen gibt. Ich finde es spannender, dass die Leute jetzt Pink tragen. Auf Sizilien gibt es zum Beispiel eine Stadt, in der alle so rumlaufen. Da sollte ich mal Urlaub machen!"
Cyndi Lauper ist das, was der Amerikaner ehrfurchtsvoll "a riot" nennt - eine herrlich verrückte Frau, die redet, wie ein Wasserfall, die überdreht, witzig und schlagfertig ist, sich über ihre eigenen Formulierungen amüsiert und sich mit "Detour" einen Lebenstraum erfüllt. Denn zu den Stücken von Loretta Lynn, Patsy Cline, Willie Nelson und Wanda Jackson, die sie hier interpretiert, hat sie eine ganz besondere Beziehung:
"In meiner Jugend waren das Pop-Stücke. Einfach, weil Country mit allem vermischt war. Es gab keine Schubladen, sondern es war alles Musik. Und als ich das Album zusammengestellt habe, wurde mir klar: Das ist der Soundtrack meiner Kindheit. Eben tolle Stücke, die eine Geschichte erzählen. Und Country war auch immer lustig. Es war Herzschmerz mit Humor."

"Night Life" im Duett mit Willie Nelson

Herzschmerz mit Humor – ein Ansatz, der sich durch sämtliche Stücke zieht, die sie unter einer ganz bestimmten Prämisse ausgewählt hat: Es sollten unkonventionelle Vertreter eines eher konservativen Genres sein, die zu ihrem Naturell passen und die sie auf ihre Weise interpretieren kann. Wobei sie von Koryphäen wie Elvis-Pianist Tony Brown, den Studio-Cracks der Time Jumpers und illustren Gästen unterstützt wird. Wie Emmylou Harris, Alison Krauss, Jewel oder Willie Nelson – von dem sie in höchsten Tönen schwärmt.
"Als er ins Studio kam, war das, als ob Yoda den Raum betritt. Ich habe fast angefangen zu weinen. Doch dann habe ich mich zusammengerissen und ihm den Song vorgespielt, der ihm zum Glück gefiel. Wahrscheinlich, weil ich mich um eine respektvolle Version bemüht habe – angelehnt an seine, die immer noch die beste ist. Mir war klar, dass man da nichts hinzufügen muss, wie es andere Kollegen getan haben. Nur, wenn man die Melodie ganz simpel bringt – was ziemlich schwer ist – klingt sie richtig gut. Das fand er klasse. Also hat er dazu gesungen und Gitarre gespielt."
"Night Life" im Duett mit Willie Nelson - ein Song, den die Country-Legende schon 1960 aufgenommen hat, und zu den Höhepunkten von "Detour" zählt. Genau wie das Jodel-Duell mit Kollegin Jewel in "I Want To Be A Cowboy's Sweetheart" und das Remake von Dolly Partons "Hard Candy Christmas" an der Seite von Alison Krauss. Ein Stück, das Cyndi Lauper ursprünglich mit Dolly aufnehmen wollte.

Sprachrohr der Schwulen- und Lesbenbewegung

"Als ich mich bei ihrem Management gemeldet habe, war sie im Urlaub – und nicht zu erreichen. Aber sie ist trotzdem auf dem Album, weil Alison und ich 'Hard Candy Christmas' aufgenommen haben. Das ist meine Hommage an sie. Denn als ich in Nashville war, hing in meinem Hotel ein Gemälde, auf dem stand: 'Was würde Dolly tun?' Und egal, worum es ging – die Frage habe ich mir immer gestellt."
Wobei Cyndis überdrehte Interpretationen durchaus polarisieren dürften - vor allem eingefleischte Country-Fans, die sie als Parodien verstehen könnten. Doch die Powerfrau aus Queens nennt ihre Versionen augenzwinkernde Liebeserklärungen - und nutzt die mediale Aufmerksamkeit, um ihrem Engagement als Sprachrohr der amerikanischen Schwulen- und Lesbenbewegung nachzukommen. Denn der amerikanische Süden ist eine Hochburg der Homophobie. Da will sie aufklären, Horizonte öffnen und Vorurteile abbauen.
"Ich sage keinem, wie er sein Leben führen soll. Ich sehe nur, dass die schwulen und lesbischen Kids in Nashville und Tennessee Hilfe brauchen. Was sich allein darin äußert, dass sie 40 Prozent der Obdachlosen in der Stadt ausmachen – während nur sieben Prozent der übrigen Jugendlichen offen dazu steht. Was bedeutet, dass viele von ihnen zu Hause rausgeschmissen werden oder aus Angst vor Zurückweisung oder Gewalt weglaufen. Insofern denke ich: Je besser Eltern mit der sexuellen Orientierung ihrer Kinder umzugehen wissen, desto besser."
Obwohl sie selbst heterosexuell ist: Es war die LGBT-Gemeinde, die sie in den 90ern und 2000ern über Wasser hielt. Die sie unterstützte, als ihre Karriere nicht mehr lief. Und die dazu beigetragen hat, dass "Kinky Boots" zu den erfolgreichsten Musicals aller Zeiten wurde. Eine Bühnen-Adaption des gleichnamigen Films, zu dem Cyndi die Musik komponierte und 2013 einen Emmy und Grammy gewann. Seitdem schwimmt sie auf einer Erfolgswelle, die bis heute anhält:

"Ich habe gerade den Olivier Award für das beste neue Musical im Londoner West End gewonnen. Ein wichtiger Preis, der die Show richtig ankurbeln wird. Zumal sie dieses Jahr noch in Australien, Deutschland, Japan und Korea startet. Der Wahnsinn – wer hätte das gedacht? Also das ist ziemlich gut!"

Cyndi Lauper ist live zu erleben: am 2. Juli in Köln und am 9. Juli in Potsdam.

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