CSU: Türkische Regierung erschwert Integration

Moderation: Hanns Ostermann · 13.02.2008
Die CSU hat der Regierung in Ankara vorgeworfen, die Integration von Türken in Deutschland zu behindern. Ministerpräsident Recep Erdogan fördere die Haltung seiner Landsleute in Deutschland, die die türkische Nationalität weiterpflegten, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann.
Hanns Ostermann: Normalerweise verbessern Besuche das Klima. Der türkische Ministerpräsident Erdogan schaffte genau das Gegenteil. Seine Rede von Köln sorgt auch heute noch für Unverständnis und in manchen Fällen für scharfe Reaktionen. Erdogan hatte am Sonntag, umjubelt von 16.000 Menschen, türkischsprachige Schulen und Universitäten gefordert. Wovor habt ihr Angst, fragte er. Auch gestern noch einmal eine Frage, die ich weiterreiche an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann von der CSU. Er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Herrmann!

Joachim Herrmann: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Wovor haben Sie Angst?

Herrmann: Ich habe keine Angst, da wäre Herr Erdogan der Falsche. Aber es ist unabhängig davon schon erlaubt zu sagen, was er gefordert hat, ist einfach nicht okay und ist das Falsche, wenn wir wirklich bei der Integration in Deutschland vorankommen wollen.

Ostermann: Aber in einem Punkt hat doch der türkische Ministerpräsident sicher recht, Migrantenkinder, insbesondere aus der Türkei, sind die Verlierer im deutschen Schulsystem, auch in Bayern?

Herrmann: In Bayern haben wir jedenfalls die Erfahrung gemacht, das zeigt die PISA-Studie, dass Ausländerkinder bei der PISA-Studie besser abgeschnitten haben als die deutschsprachigen Kinder in manchem anderen Bundesland. Aber das würde ich jetzt gar nicht vertiefen. Entscheidend ist, Integration kann nur gelingen, wenn Kinder Deutsch lernen von Anfang an, wenn sie mit einer hohen Sprachkompetenz in Deutsch unsere Schulen besuchen, nur dann werden sie deutsche Schulen erfolgreich absolvieren können und am deutschen Arbeitsmarkt dann anschließend eine Chance haben. Insofern ist es doch völlig verkehrt, was nützt es denn einem jungen türkischstämmigen Kind, wenn es eine türkischsprachige Schule besucht, was will es dann auf einem deutschen Arbeitsmarkt für Chancen wahrnehmen. Das führt doch zu gar nichts. Nein, wir müssen von Anfang an hier Kindern gut Deutsch beibringen, deswegen setzten wir in Bayern ja damit an, dass schon im Kindergarten die Sprachkompetenz festgestellt werden soll. Und wenn ein Kind heute ein Jahr vor Schuljahresbeginn schon nicht ausreichend deutsch sprechen und verstehen kann, dann haben wir einen extra Förderunterricht. Dann wird es extra geschult in Deutsch, damit es zu Beginn der ersten Grundschulklasse wirklich gut deutsch sprechen und verstehen kann.

Ostermann: Trotz dieser Anstrengungen, bei Ihnen schaffen gerade 15 Prozent den Wechsel auf das Gymnasium, das ist doch nicht viel.

Herrmann: Das ist jetzt nicht ganz fair, das so zu vergleichen, weil wir ja insgesamt, darüber kann man streiten, und da haben wir sicherlich auch noch Veränderungsbedarf, aber wir haben ja insgesamt eine nicht so hohe Übertrittsquote aufs Gymnasium. Insofern, wenn in Bayern 15 Prozent der türkischstämmigen Schüler den Übertritt nicht schafft, dann ist das schon ganz beachtlich. Ich will aber auch noch mal sagen, wir haben darunter, unter all diesen Zahlen, ja auch Familien, die erst im Laufe der letzten zehn Jahre zum Teil noch unter der Behauptung, es seien Asylbewerber und dergleichen, in unser Land gekommen. Wir dürfen uns ja letztendlich auch jetzt nichts vormachen. Wenn jemand insgesamt mit einem sehr, sehr niedrigen Bildungsgrad zum Teil oder niedrigre Schulausbildung der Eltern als Flüchtlinge in unser Land kommt, dann kann ich doch nicht die Maßstäbe anlegen, dass die schon nach zwei, drei Jahren jetzt plötzlich auf dem sozusagen gleichen Schullevel angekommen sein sollen wie diejenigen, die seit Jahren in diese Gesellschaft integriert sind. Das sind einfach die falschen Maßstäbe. Klar ist, wir wollen alles dafür tun, dass auch Ausländerkinder, egal, ob sie aus der Türkei oder aus anderen Ländern stammen, hier vernünftig integriert werden. Aber das kann nur funktionieren, wenn sie auch ganz klar Deutsch sprechen und verstehen können, dafür wollen wir alles tun. Fremdsprachige Schulen für Kinder, die auf Dauer in unserem Land bleiben wollen, sind einfach der völlig falsche Ansatz.

Ostermann: Jetzt wies der Vorsitzende des Ausländerbeirates darauf hin, es sei schon ein Alarmzeichen, wenn Tausende einem ausländischen Ministerpräsidenten wie ihrem eigenen Regierungschef zujubeln. Wie groß ist jetzt die Gefahr, dass der Graben zwischen Deutschen und Migranten größer wird?

Herrmann: Man darf das nicht verallgemeinern. Das gilt auch ja keineswegs für alle Ausländer in unserem Land und auch nicht für andere, die auf Dauer sich hier integrieren wollen. Aber es wirft schon ein bezeichnendes Licht darauf, dass ein Teil, ich betone ein Teil, der Menschen, die aus der Türkei stammen oder in der zweiten oder dritten Generation dazugehören, tatsächlich eben sich nicht hier voll integrieren wollen, sondern letztendlich eine andere Nationalität weiterpflegen, letztendlich vom Bewusstsein her, woanders zu Hause sind und offensichtlich woanders zu Hause bleiben wollen. Ich werfe der türkischen Regierung vor, dass sie dies auch ganz bewusst so fördert und dass die türkische Regierung zum Teil einer vollen Integration ihrer früheren Staatsbürger in unserem Land eher entgegenwirkt. Ich erinnere an die leidige Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft, wo wir seit einer ganzen Weile schon erleben, dass auch Mitbürger, die die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, nachdem sie auf die türkische Staatsangehörigkeit verzichtet haben, dann später anschließend doch vom türkischen Staat wieder die türkische Staatsangehörigkeit erhalten, dadurch unsere klare Regelung, dass wir doppelte Staatsangehörigkeit vermeiden wollen, unterlaufen wird. Warum? Weil der türkische Staat ganz bewusst alles dafür tut, dass sich jemand nicht bewusstseinsmäßig aus der Türkei verabschiedet. Die türkische Regierung will die Menschen weiter an die Türkei binden, um gerade einer vollen Integration der Menschen in Deutschland als deutsche Staatsbürger eine volle Zuwendung sozusagen zu ihrer neuen Heimat eher erschweren und ihr entgegenwirken.

Ostermann: Herr Hermann, das ist Ihre These. Es gibt in der CDU mittlerweile andere Stimmen, die das gar nicht so sehen. Aber ich frage mich, warum wird mit gleicher Münze heimgezahlt? Warum holt die CSU bei derartigen Diskussionen die Keule raus und plädiert für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union?

Herrmann: Das ist wieder ein ganz anderes Kapitel.

Ostermann: Na, aber es gehört doch dazu.

Herrmann: Wir haben seit jeher keinen Hehl draus gemacht, dass wir eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union für einen völlig falschen Ansatz halten. Das ist aber, bitte schön, zu unterscheiden von der Frage, ob wir Menschen, die aus der Türkei stammen, voll in unserem Land integrieren, wofür wir uns einsetzen, wenn die Menschen den Willen dazu haben und auf Dauer eben in der Tat Mitglieder unserer Gesellschaft in Deutschland werden wollen. Aber die andere Frage, welches Land geeignet ist, Mitglied der Europäischen Union zu werden, steht auf einem anderen Blatt, da hat die CSU nie einen Hehl draus gemacht. Wir sind für Freundschaft, wir sind für Partnerschaft mit der Türkei, aber eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union halten wir einfach für falsch. Die Türkei ist die Brücke zwischen Europa und Asien, aber die Türkei ist kein Teil Europas. Und wir würden auch der europäischen Einigung der weiteren Entwicklung der Europäischen Union keinen Gefallen tun, wenn die Türkei Vollmitglied der Europäischen Union würde.
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