CSU-Europapolitiker warnt vor Scheitern der Geberkonferenz

Moderation: Hanns Ostermann · 17.12.2007
Vor der internationalen Geberkonferenz hat der CSU-Europapolitiker Markus Ferber die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, die notwendigen Mittel für die palästinensische Autonomiebehörde bereitzustellen. Es wäre nach dem Treffen von Annapolis "das schlimmste Signal", wenn die geforderten Milliardenbeträge nicht aufgebracht werden könnten, sagte das Mitglied des EVP-Vorstands im Europaparlament.
Hanns Ostermann: Geben ist seliger, denn nehmen, heißt es irgendwo in der Bibel. Leicht gesagt, wird mancher bei uns denken, wenn er selbst kaum genug zum Leben hat. Trotzdem: Den Menschen in den Palästinensergebieten geht es noch schlechter. Sie sind bettelarm, es fehlt an vielem. Gelder, die früher in diese Region geflossen sind, versickerten oder wurden zweckentfremdet. Die Not ist nach wie vor groß, der künftige Palästinenserstaat braucht Geld. Um das aufzubringen, treffen sich heute in Paris Vertreter aus rund 80 Staaten. Über die Erwartungen an die Geberkonferenz rede ich nun mit Markus Ferber. Er ist Vorstandsmitglied der Europäischen Volkspartei und gehört zur Delegation des EU-Parlaments für die Beziehungen zu Israel. Guten Morgen, Herr Ferber!

Markus Ferber: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hofft aus Zusagen in Höhe von knapp vier Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre. Was wäre, wenn die Summe nicht aufgebracht würde?

Ferber: Ich glaube, das wäre das schlimmste Signal nach dem Treffen von Annapolis. Hier ist ja doch der Durchbruch dahingehend gelungen, dass Palästinenser und Israelis wieder miteinander reden. Dieser Prozess muss jetzt begleitet werden, und die Gebergemeinschaft muss einen Beitrag dazu leisten, dass Palästina handlungsfähig wird. Auf der anderen Seite muss auch die palästinensische Autonomiebehörde Maßnahmen ergreifen, dass Sicherheit im eigenen Land, Wertschöpfung im eigenen Land stattfindet, aber ein Scheitern wäre das schlechteste Signal für den Friedensprozess im Nahen Osten.

Ostermann: In der Vergangenheit wurden Mittel zweckentfremdet, für Waffen genutzt, sie versickerten. An welche Auflagen müssten jetzt die Gelder gebunden sein?

Ferber: Wir haben mittlerweile eine sehr gute Erfahrung, wenn es darum geht, Mittel für die Palästinenser zur Verfügung zu stellen. Auch die Europäische Union hat ja in der Vergangenheit große Probleme gehabt, dass die Mittel zielgerichtet eingesetzt werden. Mittlerweile sind die Vereinten Nationen über die zuständige Behörde in den palästinensischen Behörden, die Weltbank, in der Lage, auch die internationale Währungsfondsstrukturen zu schaffen, die Haushaltsabwicklung der Palästinenser wird mittlerweile von diesen internationalen Organisationen gemacht. Das heißt, es ist mittlerweile sichergestellt, dass ein Versickern in dem Maße, wie es in der Vergangenheit war, nicht mehr stattfindet.

Ostermann: Aber wie lässt sich der Geldfluss kontrollieren? Wie muss das konkret geschehen, um die Infrastruktur aufzubauen, das Gesundheitswesen zum Beispiel voranzubringen?

Ferber: Ganz konkret bedeutet dies, dass zum Beispiel die Europäische Union zielgerichtet Mittel einsetzt, die nur in den Krankenhäusern selber landen. Die Verwaltung der Krankenhäuser wird von europäischen Beamten gemacht oder auch die Abwicklung des Haushaltes wird mittlerweile von Mitarbeitern der Weltbank durchgeführt, das heißt, der Finanzminister wickelt nicht seinen eigenen Haushalt ab, sondern das machen internationale Behörden. Ich glaube, das ist auch die einzige Chance, um auf der Geberkonferenz den Geldbeutel und das Herz zu öffnen.

Ostermann: Aber ist da eine Kontrolle im Gazastreifen möglich? Dort zeigt sich der Hass Tag für Tag, die Lage ist dramatisch. Wie kommen dort Menschen an Geld, ohne dass die radikal islamische Hamas die Hand drauflegt?

Ferber: Sie sprechen hier das schlimmste Thema an, mit dem wir es momentan zu tun haben. Die palästinensische Autonomiebehörde hat keinen Zugriff auf die Strukturen im Gazastreifen. Auf der anderen Seite ist der Gazastreifen für sich nicht lebensfähig, nur durch ein Öffnen der Grenzübergänge nach Israel kann hier auch den Menschen eine Perspektive gegeben werden. Dieses Problem zu lösen, geht nur, wenn Hamas und Fatah aufeinander zugehen und zusammenarbeiten. Es geht hier nicht darum, welche Gruppe die Führung hat, sondern wie den Menschen in den Autonomiegebieten geholfen werden kann. Und ich hoffe, dass sich das bei allen Beteiligten jetzt endlich durchsetzt, ansonsten wird von innen heraus diese Staatenbildung auf den palästinensischen Gebieten nicht erfolgreich sein.

Ostermann: Sie haben eben Auflagen genannt für die palästinensischen Gebiete. Israel blockiert mit Absperrungen das Westjordanland, baut neue Siedlungen, also welche Forderungen erheben sich hier?

Ferber: Die Roadmap hat ja schon vor ein paar Jahren klar gesagt, wohin die Reise gehen muss. Und auf dem Gazastreifen hat Israel die Bedingungen der Roadmap ja auch erfüllt, das heißt, Siedler wurden abgezogen. Es muss hier klar definiert werden, was sind Gebiete der palästinensischen Autonomiebehörde, was ist Staatsgebiet Israels. Und nur innerhalb des Staatsgebietes dürfen weiter Siedlungen gebaut werden. Aus den PA-Gebieten müssen die Siedler abziehen, das ist unabdingbare Voraussetzung, die sich aus der Roadmap schon seit Jahren ergibt. Auf der anderen Seite bedeutet es aber auch, dass die palästinensischen Autonomiegebiete in ihren Regionen sicherstellen müssen, dass dort Recht und Sicherheit gewährleistet wird, dass nicht mehr Selbstmordanschläge aus den PA-Gebieten heraus geleistet werden. Auch hier versagen momentan die Strukturen. Das ist die Auflage aus der Roadmap für die palästinensischen Gebiete. Beides bedingt sich gegenseitig, und erst dadurch kann schrittweise ein Öffnen der Grenzen auch erfolgen.

Ostermann: Aber wir wollen festhalten: Auf beiden Seiten hält man sich im Augenblick noch nicht hundertprozentig an Absprachen, die nötig sind, damit das Geld zielgerichtet ausgegeben werden kann?

Ferber: Beide Seiten haben Verpflichtungen eingegangen und in Annapolis noch mal bestätigt, die sie noch nicht zu 100 Prozent erfüllen. Die Gespräche, die jetzt aber wieder begonnen haben, geben Hoffnung, dass beide Seiten auch erkennen, was sie hier zu tun haben. Und es ist Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft, den Druck aufrechtzuerhalten, dass diese Verpflichtungen auch erfüllt werden. Wir wollen eine Zweistaatenlösung als internationale Gemeinschaft. Wir wollen den Erfolg für den Frieden in dieser Region, um den Menschen dort eine Perspektive zu geben, aber auch, um die ganze Welt sicherer zu machen. Und auch das steht in Paris mit auf der Tagesordnung.