Country-Musik

Wie das Jodeln nach Nashville kam

Cowboys in den USA
Vorsicht: Wenn diese Cowboys anfangen zu singen, könnte neben echtem Country auch Gejodel erklingen © dpa / picture alliance
Von Philipp Eins · 29.04.2015
Jodelnde Blues- und Countrysänger waren früher keine Seltenheit. Und selbst heute noch begeistern Countrysänger in den USA ihr Publikum mit Jodeleinlagen. Warum nur, um Gottes willen? Eine Spurensuche in Nashville, Tennessee.
Gerangel am Eingang, Menschenmassen vor der Abendkasse: An einem Samstagabend ist das Opryland, ein weitläufiges Theatergelände bei Nashville, brechend voll. Senioren, Familien, junge Paare – sie alle wollen die Grand Ole Opry sehen, die älteste Country-Radioshow der USA. Johnny Cash, Willie Nelson, sogar Elvis Presley traten hier schon auf.
Einer der Hauptacts an diesem Abend sind die Riders in the Sky. In ihren Songs mischen sie alte Western-Sounds mit Elementen des Jodelns – ein Stil, der auch als Blue Yodeling bekannt ist. Wie passt das zusammen?
"Yodeling? It's very hard to yodel ..."
"Doesn't it come from ... Austria?"
"I realy don't know much about that ..."
"Maybe it originated in Texas ..."
"I would probably think Switzerland or something like that ..."
Österreich, Schweiz oder Texas – wo das Blue Yodeling herkommt und was sie damit anfangen sollen, wissen viele Gäste der Grand Ole Opry nicht so recht. Als die vier Bandmitglieder von Riders in the Sky mit ihren weißen Cowboyhüten die samtrot illuminierte Bühne betreten, hebt sich aber die Stimmung unter den mehr als 4000 Zuschauern im Saal: Die Blue Yodler haben eine begeisterte Fangemeinde.
Auch nach dem Konzert sind die Meinungen gemischt, aber überwiegend positiv:
"I love it! I love older country music and the roots!"
"I like it but it is strange ..."
"If you could put yourself like 30, 40 years in the past, I like it, yeah ..."
"Yeah, it's a little bit older, but we still like it!"
"Yeah!"
Die Konzertgäste lieben das Archaische am Jodeln - oder finden es schräg
Einer der Gäste liebt das Archaische am Blue Yodeling, andere finden den Gesang etwas schräg, aber lustig – als ob man gedanklich ins letzte Jahrhundert reist. Wer zu den Wurzeln des Blue Yodeling vordringen möchte, muss tatsächlich tief in die Geschichte zurück, wie mir Ranger Doug nach dem Konzert erklärt. Der 69-Jährige mit der Baritonstimme ist der Sänger von den Riders in the Sky.
"Über den Ursprung des Blue Yodeling wird bis heute gestritten, niemand weiß genau, wie es entstanden ist. Manche glauben, dass der "Vater des Country", Jimmie Rodgers, in den 20er-Jahren das Jodeln in die US-Musik gebracht hat. Er war nicht nur Entertainer, sondern auch Schienenarbeiter bei der Eisenbahn und kam viel herum. In einem Chautauqua, einer Art Volkshochschule, traf er auf eine reisende Jodelgruppe aus der Schweiz. Er hörte den Sound – und verband ihn mit seinem bluesigen Mississippi-Stil."
Mit dem 1927 erstmals in Camden, New Jersey, aufgenommenen Song "Blue Yodel" landete Jimmie Rodgers seinen ersten großen Hit. Seine warme, geschmeidige Stimme und die wilde Mischung aus afroamerikanischem Blues und europäischer Folklore mit eingeworfenen Jodlern kamen gut an: Der Erfolg inspirierte Rodgers zu einer Serie von 13 "Blue Yodels". Viele Musiker zogen nach – allein aus kommerziellen Gründen. Die 30er-Jahre wurden die Hochzeit des Blue Yodeling, jodelnde Cowboys wie Gene Autry oder Roy Rogers wurden zu Symbolfiguren.
Wo das "Blue Yodeling" herkommt, ist unklar
Ob das Blue Yodeling aber tatsächlich auf Jimmie Rodgers und die Gruppe Schweizer Musiker zurückgeht, ist umstritten. Denn in Comedy-Shows wurde in den USA bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gejodelt. Vor allem Minstrels, schwarzgeschminkte Varietésänger, experimentierten damit. Angeregt wurden sie womöglich von Volksmusikern aus Tirol, die in dieser Zeit verstärkt durch die USA tourten.
"Einige meinen daher, dass Blue Yodeling auf den Vaudeville-Entertainer Emmett Miller zurückgeht, einen Varietésänger. Anfang des 20. Jahrhunderts machte er als Erster Schallplattenaufnahmen mit Jodlern. Welche Theorie stimmt? Ich weiß es nicht – beide ergeben einen gewissen Sinn."
Als der Sänger Ranger Doug Ende der 40er-Jahre zum ersten Mal mit dem Blue Yodeling in Berührung kam, hieß er noch mit bürgerlichem Namen Douglas Green und war gerade mal vier oder fünf Jahre alt. Seine Familie kam aus Finnland und siedelte sich im äußersten Norden der USA an, in Michigan. Im Radio hörten Greens Verwandte regelmäßig die beliebte Country-Show "National Barn Dance" – in der auch gejodelt wurde. Doug Country:
"Als der große Folkmusik-Boom der 60er-Jahre hochkam, war ich ein umtriebiger Teenager. Ich war sehr neugierig und interessiert an historischer Countrymusik. Eines Tages machte mich jemand mit der Musik von Jimmie Rodgers bekannt – und ich hatte den Eindruck, das mit dem Jodeln würde ich auch recht einfach hinbekommen!"
Jimmie Rodgers eher simple Jodler hatte Green schnell drauf. Erst als er immer tiefer ins Blue Yodeling einstieg, entdeckte er schließlich sein größtes Vorbild.
"Ein Freund zeigte mir schließlich die Musik von Elton Britt. Er ist ein absoluter Meister-Jodler! Als ich das gehört habe, sagte ich mir: Du musst das richtig lernen und viel üben, um besser jodeln zu können als Jimmie Rodgers!"
Elton Britt war gerade mal zwölf Jahre alt, als er 1929 Mitglied der kalifornischen Countryband Beverly Hill Billies wurde. Seine erfolgreichste Zeit hatte er in den 40er-Jahren. Bis heute gilt er als einer der größten jodelnden Cowboys – und als einer, der die höchste Stimmlage erreichte. Von ihm ermutigt verfeinerte Green seinen Stil und gründete schließlich Ende der 70er die Riders in the Sky, mit denen er bis heute durch die Südstaaten tourt.
Auch wenn die goldenen Zeiten des Blue Yodeling vorbei sind: dass sie die letzten Jodler in der Country-Szene sein werden, kann sich Ranger Doug kaum vorstellen:
"Jodeln wird mit populärem Country der 30er-Jahre verbunden. Anfang der 50er-Jahre aber veränderte sich die Musik – und Jodeln war plötzlich Geschichte. Doch heute gibt es wieder junge Performer wie Kacey Musgraves, die Jodler in ihre Stücke einbinden – weil sie ihr Publikum damit zum Schmunzeln bringen. Jodeln macht die Menschen einfach glücklich!"
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