Conze: Ein "Festtag" für den Kongo

Moderation: Frank Cappelan · 31.07.2006
Der politische Direktor der UN-Mission im Kongo, Albrecht Conze, hat die weitgehend friedlichen Wahlen als Festtag für das afrikanische Land bezeichnet, gleichzeitig aber Wachsamkeit für die Phase der Stimmauszählung angemahnt. In den zwei bis drei Wochen der Wahlauswertung könnten einige die Gelegenheit nutzen, sich vorschnell als Wahlsieger auszurufen, warnte der Diplomat. Da die Ungeduld der Wähler nun groß sei, trete der Kongo jetzt in eine schwierige Phase ein.
Frank Cappelan: Über die gestrigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Kongo haben wir im Verlaufe dieser Sendung bereits mehrfach berichtet. Wir wollen das nun vertiefen, zum Gespräch bei Deutschlandradio Kultur begrüße ich in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa den deutschen Diplomaten Albrecht Conze. Er ist politischer Direktor der UN-Mission im Kongo. Guten Morgen, Herr Conze!

Albrecht Conze: Guten Morgen, Herr Cappelan!

Cappelan: Herr Conze, es heißt, überraschend friedlich sei dieser Wahltag verlaufen. Sehen Sie das auch so? Die befürchtete Gewalt ist ausgeblieben, ein erster Erfolg?

Conze: Ich denke, das kann man so sagen. Nach allen Berichten, die wir haben, aus unseren Provinzbüros hat es sehr, sehr wenig gewalttätige Ausschreitungen gegeben. Es war ein großer Festtag für die Bevölkerung. Die Menschen sind sehr früh aufgestanden, teilweise schon am Abend vorher in der Nähe der Wahllokale angekommen, wenn sie von weither gekommen sind, und haben sehr diszipliniert, sehr geduldig darauf gewartet, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben wählen konnten. Insofern hat die Freude und der Stolz auf diesen Tag alles andere überwogen. Die wenigen gewalttätigen Vorkommnisse, die wir konstatieren mussten, fallen dem gegenüber nicht ins Gewicht. Wir haben keine Toten zu beklagen, das ist schon sehr viel.

Cappelan: Dass es so friedlich geblieben ist, führen Sie das auch auf die Präsenz der internationale Truppen im Lande zurück?

Conze: Unbedingt, aber vielleicht doch in erster Linie darauf, dass es inzwischen schon eine kongolesische Polizei gibt, die gut ausgebildet ist, übrigens von den Europäern, und die wusste, was hier auf sie zukam. Die diese Aufgabe mit Geduld und durchaus auch Solidarität mit der Bevölkerung gelöst hat, und eben nicht überzogen hat in ihren Reaktionen. Das war sehr wichtig, aber dass sowohl die Blauhelme, als auch hier in Kinshasa die Europäer, sozusagen im Hintergrund standen, wird viele beruhigt haben.

Cappelan: Hat es Sie eigentlich überrascht, wie viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, oder hatten Sie mit dieser regen Wahlbeteiligung gerechnet?

Conze: Wir hatten mit einer hohen Wahlbeteiligung gerechnet, vor allem im Osten und Norden des Landes. In der Hauptstadt Kinshasa ist es weniger stark gewesen, hier sind doch einige Wähler dem Boykottaufruf der Radikalopposition gefolgt, auch in der Provinz im Süden, in der es zu Gewalt gekommen ist, in der ein paar Wahlbüros gebrannt haben. Aber insgesamt ja, wir haben damit gerechnet, dass die Kongolesen diese Chance wahrnehmen und tatsächlich in großer Zahl an dieser Wahl teilnehmen wollen.

Cappelan: Würden Sie denn nun generell schon Entwarnung geben oder muss man befürchten, dass die Stimmung auch noch umschlagen könnte, wenn denn möglicherweise erst in zwei Wochen das Wahlergebnis bekannt wird, dass es dann doch noch zu Ausschreitungen kommen könnte?

Conze: Wir treten jetzt in eine sicherlich schwierige Phase ein, denn die Ungeduld der Menschen, die gestern gewählt haben, nun auch ein Ergebnis zu hören, ist natürlich sehr groß. Und man muss ihnen jetzt wieder sagen: Das wird zwei Wochen dauern, vielleicht sogar drei, bis die Ergebnisse überall vorliegen und bis sie dann offiziell verkündet werden können. Also eine Zeit, in der sicherlich manche dann auch wieder den Augenblick nutzen werden, sich vorzeitig zum Sieger zu erklären. Eine Zeit, in der man politisch, aber auch was die Sicherheit betrifft, ein waches Auge haben muss.

Cappelan: Sollte es doch zu Unruhen kommen, dann ist ja die Rangfolge klar geregelt. Dann greifen erst die kongolesische Polizei oder die Armee des Landes ein, dann die UN-Einheiten, und erst wenn die Hilfe brauchen, dann kommen die Europäer zum Zuge. Hat deren Präsenz also vor allen Dingen symbolischen Wert?

Conze: Symbolisch würde ich nicht sagen. Psychologisch, politisch-psychologisch es ist wichtig, dass hier noch eine letzte Instanz zur Verfügung steht und dass man insbesondere hier in Kinshasa, in der Stadt, wo ja auch der wesentliche Einsatzort der Europäer für den Fall des Falles sein soll, weiß: Man darf hier nicht überziehen, als schlechter Verlierer. Aber ich glaube, darauf kommt es eigentlich weniger an, als darauf, dass jetzt hier ein Anfang gesetzt worden ist. Übrigens mit ungeheurer europäischer Hilfe, auch Abseits dieser europäischen Truppe.

Man darf nicht vergessen, dass ohne die sehr konsistente und ständige europäische Unterstützung der letzten Jahre, wir zu diesen Wahlen gar nicht gekommen wären. Die Europäische Union zahlt den Löwenanteil dieser sehr komplizierten und teueren Wahlen, und für mich ist das ein Augenblick, vielleicht auch einmal von Seiten der Vereinten Nationen, den Europäern zu danken und damit auch den Deutschen. Das ist eine Investition gewesen in die Zukunft des Kongos. Das ist nicht nur eine Spende in der Not gewesen, wie man es sonst im Zusammenhang mit Afrika immer nur hat. Hier ist ein Anfang gesetzt worden, und jetzt kommt es darauf an, dass man diesen Anfang nicht verspielt, sondern dass man weiter dem Kongo zur Seite steht und ihm hilft.

Cappelan: Herr Conze, wir haben vor ein paar Wochen schon miteinander gesprochen, da sagten Sie, es könnte durchaus sein, dass auch die deutschen Soldaten länger im Land bleiben müssen als die geplanten vier Monate. Ist jetzt schon absehbar, ob das notwenig sein wird?

Conze: Ich habe heute etwas mehr Hoffnung als damals, dass man es doch in diesen vier Monaten wird schaffen können. Denn der Präsident der Wahlkommission hat am Samstagabend bekannt gegeben, dass der zweite Wahlgang am 29. Oktober stattfinden soll, also in genau drei Monaten. Ich hatte befürchtet, dass sich das in den November hineinziehen würde, und dann wäre es in der Tat eng geworden.

Denn der Abmarschtermin der Europäischen Truppe ist im Augenblick auf, von heute an gerechnet, vier Monate festgesetzt, also auf Ende November. Dann hätte man gerade noch einen Monat nach dem zweiten Wahlgang, um hier dabei zu sein, wie Präsident, Parlament und Premierminister vereidigt werden. Das könnte so gerade, aber ich glaube wir müssen weiter den Prozess beobachten und die endgültige Entscheidung kann erst fallen, wenn wir sehen, ob es alles jetzt gut im Plan weitergeht.

Cappelan: Albrecht Conze war das, politischer Direktor der UN-Mission im Kongo. Besten Dank und alles Gute nach Kinshasa!