Consultants und ihre Tricks

Rezensiert von Andreas Baum · 18.07.2006
Thomas Leifs Buch "Beraten und Verkauft" bestätigt die schlimmsten Vermutungen und Vorurteile, die man in Bezug auf Unternehmensberatungsfirmen entwickeln kann. Und so ist das Ergebnis der Recherche erschreckend: Berater - gleich ob im Dienst von Unternehmen oder Behörden - wirken im Verborgenen und halten so bereits Schlüsselstellungen in der Gesellschaft besetzt.
In seiner Analyse zeigt Thomas Leif, dass Berater gezielt die Öffentlichkeit meiden, um besser verbergen zu können, dass sie ihren Kunden für viel Geld etwas verkaufen, was diese schon längst besitzen - Insiderwissen über ihren Betrieb. Ein Wissen, das in erster Linie dazu dient, intern Druck ausüben zu können, nach dem Motto "Wir können auch anders". Gutachten von McKinsey und anderen, die die Entlassung von einem Großteil der Angestellten empfehlen, sollen schon wahre Motivationswunder bewirkt haben. Wer Berater engagiert, kauft sich demnach Akzeptanz, Legitimation und Loyalität.

Es ist insbesondere die Sprache, mit der es den Beratern lange gelungen sei, ihre Kunden zu benebeln. Thomas Leif nimmt sie unter die Lupe und sorgt so für kurzweilige Passagen in seinem Buch. Denn wenn ein "konzeptioneller Ansatz" nicht mehr ist als ein Gedanke, mit "komplexer Erklärungsvariante" die Ursache gemeint ist und ein "key concept" nur ein Wort ist für einen guten Gedanken, kann man darüber leicht ins Kichern geraten. Weniger spaßig wird es, wenn klar wird, wie diese Begriffe beschönigen sollen - wenn von Entlastung statt von Entlassung gesprochen wird - und wie die Consultants offenbar bewusst versuchen, klare Gedanken zu verwässern, um nachher nicht mehr festgenagelt zu werden.

Dass solche Gutachten of Millionengräber sind, müsste kaum jemanden aufregen, wenn es nur private Unternehmen beträfe. Die größten Geldverschwender finden sich aber leider in den öffentlichen Institutionen. Insbesondere, aber nicht nur in der Regierungszeit der rot-grünen Koalition wurden Beraterfirmen wie Roland Berger oder McKinsey an die großen Reformvorhaben gesetzt, wie die Bundeswehrreform oder die der Bundesanstalt für Arbeit. Die Resultate sind äußerst dürftig. Zwar gibt es Jobcenter, Ein-Euro-Jobs und andere mit Anglizismen belegte "Innovationen", aber mehr Arbeitsplätze gibt es nicht.

Nicht nur Unternehmen und öffentliche Haushalte, auch die jungen Mitarbeiter selbst sind teilweise Opfer der Beraterkultur. Sie werden Thomas Leif zufolge schamlos ausgebeutet. Für ein vergleichsweise hohes Einstiegsgehalt wird von ihnen Verfügbarkeit rund um die Uhr gefordert. Gleichzeitig sind sie einem System firmeninterner Bespitzelung ausgesetzt und werden durch ihre Kollegen in geheimen Verfahren evaluiert. Mit dem Ergebnis: Wer nicht aufsteigt, wird entlassen. Anderseits landen viele ehemalige Berater in ihrer späteren Karriere bei Kundenunternehmen, was dazu führt, dass sie, dort aufgestiegen, wieder Beraterfirmen engagieren werden. Geheimbünden gleich durchziehen heute Seilschaften der Beraterfirmen - McKinsey wird als besonders krakenhaft dargestellt - die Hierarchien von Unternehmen und Behörden.

Einen guten Einblick in die Unternehmenskultur der Berater bietet der Bericht der jungen Journalistin Julia Friedrichs. Sie hat sich inkognito von McKinsey zu einem Casting auf einer luxuriösen Mittelmeerinsel einladen lassen. Von Anfang an werden dort junge begabte Bewerber von den Beraterfirmen mit Privilegien wie Fahrservices und Meetings an exklusiven Orten geködert, ebenso wie mit dem Versprechen, dass das Leben bei McKinsey arbeitsreich, aber auch aufregend sein kann: Work hard, party hard. Gleichzeitig werden die Bewerber mit Psycho-Tricks und Schlafentzug in eine euphorische Stimmung versetzt. Manche Passagen von Julia Friedrichs Reportage erinnern an die Rekrutierungspraxis von Sekten.

Wer zu paranoiden Vorstellungen neigt, kann nach der Lektüre dieses Buches zu der Ansicht kommen, die Beraterfirmen hätten bereits in den Schlüsselstellungen der Gesellschaft ihre Agenten positioniert und stünden kurz vor der Übernahme der Weltherrschaft.

Thomas Leif muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass seine Rechercheergebnisse leicht angreifbar sind. Die drastischsten Vorwürfe gegen die Berater stammen aus Interviews, die anonym gegeben wurden, und deren Seriosität sich deshalb nicht nachprüfen lässt.

Thomas Leif ist - neben seiner Tätigkeit als Chefreporter beim SWR - Vorsitzender von Netzwerk Recherche, einem Zusammenschluss von Journalisten, der sich auf die Fahne geschrieben hat, den investigativen Journalismus zu fördern. Sein Buch ist in mancher Hinsicht für dieses Ziel wegweisend. Er versucht mit dem klassischen Handwerkszeug ein Feld auszuleuchten, das wie kaum ein anderes geheim gehalten wird, indem es Schweigegebote und Loyalitätspflichten gibt.

Leider ist das Ergebnis nicht immer befriedigend. Denn "Beraten und Verkauft" ähnelt einer aufwendigen Materialsammlung über das Sujet; und auch wenn es teilweise interessant ist, Originaldokumente und transkribierte Interviews zu lesen, hätte ein bisschen mehr Bearbeitung und Verkürzung dem Buch gut getan. Das Buch wäre dünner geworden, dafür aber weniger ermüdend.

Ein weiteres Manko ist, dass Leif sich über viele Seiten mit der Verquickung von Politik, PR und Journalismus beschäftigt, ebenfalls ein weites Feld, in das der Autor zwar gut eingearbeitet ist, das aber eigentlich ein Thema für ein weiteres Buch ist.
Überraschend auch Leifs pragmatisches Fazit am Ende des Buches. Denn er versucht nicht, die Macht der Berater wieder zurückdrängen zu wollen. Vielmehr will dieses Buch klarmachen, dass ihr Einfluss bereits ein Fakt ist und nicht mehr zurückgenommen werden kann. Das große Ziel muss daher sein, diese Macht durch klare Regeln und Instanzen zu kontrollieren. Thomas Leif hat - trotz einiger Schwächen - ein engagiertes Buch geschrieben. Ein Buch, das Mut macht, dort mehr Neugier zu entwickeln, wo unsere Demokratie intransparent wird.


Thomas Leif: Beraten und verkauft. McKinsey & Co. Der große Bluff der Unternehmensberater
C. Bertelsmann, München 2006, 448 Seiten