Conchita Wurst

Das Leben der bärtigen Pop-Ikone

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Conchita Wurst gewinnt den Eurovision Song Contest (Bild: dpa/Vladimir Astapkovich) © dpa/Vladimir Astapkovich
Von Gerd Brendel · 04.03.2015
Seitdem die österreichische Dragqueen beim Eurovision Song Contest siegte, ist Conchita Wurst ein Star. In ihrem Buch "Meine Geschichte: Ich, Conchita" erzählt sie von ihrer Kunstfigur und dem Mensch dahinter.
"Bitte begrüßen Sie die jüngste Kaiserin Österreichs, Conchita Wurst."
Conchita Wurst - schon der Name sagt alles und spannt den Bogen von der heiligen Unschuld zum dämonischen Sex, ganz unabhängig von der Anspielung auf primäre weibliche wie männliche Geschlechtsmerkmale: Denn der spanische Vorname leitet sich von "concepcion" Empfängnis, nicht irgendeiner x-beliebigen, sondern der einen wundersamen unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria.
Und dann der Nachname: Hier betritt ein strahlender Erbe Hanswursts die Bühne, ein später Sproß aus der weitverzweigten Familie der Schießbudenfiguren, der Frauen ohne Unterleib, der Männer in Ketten und genau der Varieté-Attraktion genannt: "Frau mit Bart".
"Du liebe Conchita, hast den Körper eines Mannes und den Geist einer wonder woman."
Stellt ausgerechnet Kollegin Kim Fischer die Glamour-Kunstfigur vor. Die Pop-Mutti des Nachmittagsfernsehens passt zur PR-Strategie von Verlag und Plattenfirma: Der Freak kann strahlen und wird trotzdem vom Mainstream bewundernd umarmt.
Fischer: "Du bist nicht nur eine Dragqueen mit Bart, sondern Du bist eine Diva mit Botschaft . Auf der einen Seite hast Du einen Auftritt vor der UNO, und nächste Woche schmeißt Du Deine Show im 'crazy horse'."
Davon berichtet Conchita beziehungsweise ihr Ghostwriter ausführlich in ihrer Biografie: "Ich, Conchita - Meine Geschichte".
Fischer: "Man lernt ne ganze Menge von Dir."
Vor allem über die Kunstfigur Conchita Wurst. Über den Menschen dahinter leider so gut wie gar nichts. Für die 25 ersten Jahre vor dem Eurovision-Song-Contest 2014, reichen 60 Seiten. Und 60 Seiten Platz nimmt dann auch das knappe Jahr seither ein.
Song: "You don't know me ... I don't know you."
Singt Wurst auf der neuen CD "We are unstoppable"
"Conchita lächelte mir entgegen"
Selbst das Coming Out des schwulen Jungen Tom Neuwirth aus dem kurz danach Conchita wurde, fand schon im Rampenlicht statt.
"Unfreiwillig in einem Zeitungsinterview."
Als Kandidat bei einer Casting-Show.
"Du bist jemand, der weiß, wie Lagerfeld riecht oder Vivianne Westwood. Die beiden, hast Du gesagt, riechen gleich nämlich, beschreib mal. Beide riechen gleich und auch meine Großmutter riecht so und zwar nach Menthol."
Wen sonst Conchita auf Riechnähe an sich heran lässt, erfährt der Leser nicht. Geschichten von engen Freunden, ersten oder letzten Lieben? Fehlanzeige.
Im Buch folgen unmittelbar auf die Kinderbilder von Toms Erstkommunion Aufnahmen von der Dragqueen mit Bart. Nur einmal kommt der schwule junge Mann, dahinter zu Wort: In der Nacht vor dem European Song Contest Finale im Zwiegespräch mit seinem Spiegelbild:
"Conchita lächelte mir entgegen. Oder war es Tom Neuwirth, der aus der tiefsten Provinz stammt, weit weg vom Rampenlicht? Aus einer Gegend, wo Menschen in Urlaub fahren, weil dort die Welt, wie sie sagen, noch in Ordnung ist. Wenn das zutrifft, warum gab es dann Conchita?"
Weil Conchita als moderne Schießbudenfigur im Medienzirkus ein Star ist, "unstoppable" mit Plattenvertrag und einem Verlag. Die PR-Maschine für das Doppelpack: Buch und neue CD läuft mit Terminen in Mailand, Paris, London Barcelona.
Noch Fragen? Wie sieht es aus mit einem Auftritt im homophoben Russland? Ja, da würde Conchita gerne auftreten und dann schießt die Schießbudenfigur mit der Pathos-Kanone auf die Spießerwelt da draußen:
"Ich glaube, dass niemand von uns in einer Schublade Platz hat."
Conchitas Autobiografie allerdings hat in einer Schublade Platz: Im Fach mit der Aufschrift: "Lesen lohnt sich nicht".
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