Communicator-Preis für den Sozialpsychologen Andreas Zick

Die einfachen Antworten sind meist die falschen

Der Konfliktforscher Andreas Zick ist Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld.
Der Konfliktforscher Andreas Zick ist Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld © dpa / picture alliance / Horst Galuschka
Andreas Zick im Gespräch mit Dieter Kassel · 04.07.2016
Der Leiter des Bielefelder Instituts für Gewalt- und Konfliktforschung, Andreas Zick, wird heute mit dem Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft geehrt. Besonders gut und sorgfältig erklärt er der Öffentlichkeit, wie Konflikte entstehen.
Dieter Kassel: Seit 16 Jahren vergibt die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Communicator-Preis. Er geht jedes Jahr an einen Wissenschaftler, dem es gelingt, die Ergebnisse seiner Forschung oder der von Kollegen außerordentlich vielfältig engagiert öffentlich zu vermitteln. Und vor allem verständlich auch Menschen zu vermitteln, die oft gar nicht ohne Weiteres verstehen, woran die vielen Experten dieser Welt so arbeiten.
In diesem Jahr geht dieser Preis an Andreas Zick. Er ist der Leiter des Bielefelder Instituts für Gewalt- und Konfliktforschung, und er bekommt diesen Preis dafür, dass er, so sehen das zumindest die, die ihn ihm verliehen haben, besonders gut und besonders sorgfältig einer breiten Öffentlichkeit erklären kann, wie Konflikte entstehen und wie sie sich entwickeln. Herr Zick, schönen guten Morgen!
Andreas Zick: Guten Morgen!
Kassel: Erst mal natürlich, bringen wir es hinter uns, muss sein: Herzlichen Glückwunsch zum Preis!
Zick: Ich danke Ihnen sehr!
Kassel: Und als zweites eine Frage, die mich gerade im Zusammenhang mit dem Preis durchaus beschäftigt: Was empfinden Sie denn in Ihrem Alltag eigentlich als schwieriger – in Ihrer Forschung den Ursachen und der Entwicklung von Konflikten auf den Grund zu gehen, oder die Forschungsergebnisse einer möglichst breiten Öffentlichkeit wirklich zu erklären?
Zick: Ich glaube, was besonders schwierig ist: die Balance hinzukriegen. Die Forschung ist ja unser Kerngebiet. Das ist wahnsinnig schwer, weil wir beschäftigen uns ja mit Themen, die unglaublich komplex sind.
Wenn Sie erklären wollen, warum sich Menschen radikalisieren und Gewalt ausüben, dann gibt es so viele Wege, die in diese Radikalisierung führen. Das dann zu transportieren und den Menschen beizubringen, dass die einfachen Erklärungen oft nicht stimmen, das ist wahnsinnig schwierig.
Im Grunde genommen die Balance, und es auch so hinzukriegen, dass man eben genug Kapazitäten hat auch für die Vermittlung, denn eigentlich leben wir von Drittmittelforschung, und das Kommunizieren von Forschung ist nicht unbedingt unser Kerngegenstand.
Kassel: Nun wollen ja aber Journalisten von Menschen wie Ihnen nach einem Anschlag ständig etwas wissen, und zwar ständig was ganz Konkretes. Da gibt es eigentlich die ersten Eilmeldungen, und schon wird im Fernsehen, oder, ich gebe es zu, auch im Radio gefragt: Wer war das? Was sind das für Menschen, die so etwas tun? Und natürlich, wie kann man das verhindern? So konkret können doch auch Sie oder vielleicht gerade Sie solche Fragen nicht beantworten, oder?
Zick: Nein, das können wir nicht. Aber man kann ja den Satz sagen, die Informationen liegen uns nicht vor. Nun ist es aber so, dass wir auch in Geschwindigkeit – die Gesellschaft wird immer schneller, die Informationsvielfalt wird immer sehr viel höher – dass wir natürlich in Kürze aber mit Irrtümern auch aufräumen können.
Wenn wir etwa bei Radikalisierung zur Gewalt im Bereich Dschihadismus diskutieren, und dann kommt vorschnell die Frage, was hat das alles mit Religion zu tun, dann wissen wir nach unseren Analysen, dass die religiöse Bindung zum Beispiel von Gewalttätern nicht eine große Rolle spielt. Und das kann man relativ schnell auch kommunizieren. Das tun wir auch, damit man eben nicht schnellen Irrtümern aufliegt. Ansonsten haben Sie vollkommen recht, natürlich: In 1:30 die Welt erklären im Bereich Konflikt und Gewalt, ist relativ schwierig.
Ein Haus im Karrada-Viertel im Zentrum der Stadt Bagdad, Irak, das bei einem Sprengstoffanschlag zerstört wurde. Bewohner schauen sich die Schäden an.
Schwere Schäden nach dem Anschlag im Zentrum von Bagdad: Gewalttätige Konflikte in anderthalb Minuten erklären ist schwierig© dpa/picture-alliance/Ali Abbas
Kassel: Das, was Sie gerade gesagt haben über die religiösen oder oft vermeintlich religiösen Hintergründe, das führt ja auch dazu, dass Sie immer wieder davor warnen, einen Generalverdacht zu hegen gegen Muslime oder gegen den Islam überhaupt.
Aber andererseits, wenn wir uns mal die wieder sehr, sehr zahlreichen Anschläge der sagen wir mal gerade mal zwei bis drei letzten Wochen angucken, die Anschläge in Orlando, in Florida, in Istanbul, in Dhaka in Bangladesch und gerade am Wochenende ein sehr verheerender Terroranschlag in Bagdad im Irak – all diese Anschläge hatten, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise, islamistische Hintergründe. Wie wollen Sie da noch verhindern, dass die Leute langsam glauben, das liegt alles nur am Islam?
Zick: Nicht verhindern. Es geht ja um die Zuschreibung. Eine vorurteilsbelastete Diskussion und Analyse hilft uns nicht. Wenn wir zum Beispiel – wir analysieren Radikalisierung in unserer Gesellschaft, dann sehen wir, dass viele radikalisierte Täter sich nicht in den Moscheen radikalisieren. Um diesen Punkt geht es.
Das heißt, eigentlich müssen wir die Religion in den Stand setzen, über das Erbe ihrer Gewalt zu diskutieren. Ich habe ja auch Theologie studiert, und ich weiß, auch in den christlichen Religionen gibt es diese große Diskussion um das Erbe der Gewalt. In den 80er-Jahren war das ein großes Thema.
Wir müssten eigentlich den Islam und die Muslime auf einer theologischen Ebene dazu bringen können, über dieses Erbe zu reden, ohne Vorurteile allzu schnell in den Raum zu setzen. Und das ist unser Problem.
Wir sehen ja an den vielen Taten, Gewalttaten gegen Minderheiten in Deutschland, dass wir extrem vorurteilsbasiert diskutieren. In der Wissenschaft kommt es darauf an, dass wir möglichst wenig vorurteilsvoll diskutieren, und darum geht es eigentlich. Und dann kann man auch über die Fragen reden, wie viel Gewalt ist in den Religionen.
Kassel: Aber kann man damit in Deutschland immer noch wirklich alle Menschen – alle kann man nie, aber die richtigen Menschen und viele erreichen? Ich frage es mal ganz konkret: Sie treten viel in den Medien auf. Das tun Sie auch sehr bewusst. Aber aus Sicht gewisser Kreise in Deutschland treten Sie ausschließlich in der Lügenpresse auf.
Zick: Ja, klar. Wie jetzt gerade. Nein – damit muss man leben, und damit habe ich auch gelernt zu leben. Wenn die Menschen mich nicht bedrohen, was auch passiert, dann ist es ja vollkommen okay.
Wesentlich ist aber, glaube ich, in Zukunft – ich kriege diesen Communicator-Preis nicht dafür, dass ich so viel in den Medien bin und gewissermaßen ein Presseheini bin, sondern wir haben seit vielen Jahren sind wir im Feld. Das heißt, worauf es jetzt zum Beispiel ankommt, nach dem Brexit große Diskussion, wir müssen uns um die Demokratie sorgen. Wir haben vor vielen Jahren schon uns mit unserer Forschung rausbewegt an Orte, wo die Menschen Probleme haben mit der Demokratie, wo die Menschen damit kämpfen müssen, dass Extremisten vor Ort sind.
Und wir haben versucht, unser Wissen in Projekte umzuformen, das heißt, in den Schulen, in sogenannten NGOs. Das heißt, wir stellen unser Wissen bereit, um Projekte gegen Extremismus besser aufzustellen. Und das ist auch ein Teil des Preises, und das ist, glaube ich, auch in Zukunft sehr viel notwendiger.
Kassel: Der Konfliktforscher Andreas Zick bekommt heute den Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, und das muss ich schon noch sagen, Herr Zick, ich beneide Sie nicht darum, nach der Verleihung eines Preises für Kommunikationsfähigkeiten eine gelungene Rede halten zu müssen, aber ich bin überzeugt davon, Sie werden es schaffen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß heute.
Zick: Oder ich bleibe sprachlos. Das wäre das Schlechteste – der Communicator ist sprachlos.
Kassel: Ja – ich werde das nachlesen, wie Sie sich benommen haben. Danke Ihnen fürs Gespräch heute Morgen!
Zick: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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