Cimitero Accatolico

Von Thomas Migge · 19.11.2011
In der ewigen Stadt Rom gibt es einen besonderen Friedhof für Nicht-Katholiken, der auch so heißt: "Cimitero Accatolico". Er wird von ausländischen Botschaften verwaltet und zieht neben Touristen und Anwohnern auch jede Menge Katzen an, die nach etwas in der chaotischen Metropole suchen.
Wenn man an der U-Bahn-Station Ostiense aussteigt, landet man mitten im römischen Verkehrschaos: zahllose Reisebusse, eine Welle von Pkws und Massen von knatternden Mopeds ziehen an einem vorbei.

Hat man mit größter Vorsicht die Piazza di Porta San Paolo überquert, kommt zur Cestius-Pyramide. Ein für Rom kurioses Grabmal, das sich ein römischer General in Erinnerung an seine Dienstzeit in Ägypten errichten ließ und das alle Unbill der Geschichte fast unbeschadet überstand. Eigentlich wäre die Pyramide der perfekte Eingang zu Roms schönstem Friedhof, doch leider muss man ein ganzes Stück mit dem lärmenden Verkehr laufen, bevor man in die ruhige Via Caio Cestio einbiegt.

Bei der Hausnummer 6 befindet sich das Eingangsportal zu einem Ort der Ruhe. Nicht nur für die Toten, sondern auch für Bewohner Roms, die diese grüne Oase inmitten der Weltstadt aufsuchen, um spazieren zu gehen, um zu lesen oder einfach nur die Stille zu genießen. Der Cimitero accatolico, der zu deutsch: nichtkatholische Friedhof Roms ist einer der schönsten Orte in der ewigen Stadt. Und einer der begehrtesten. Amanda Thursfield versucht, die Flut der Anfragen für Grabstätten in den Griff zu bekommen. Die Anglikanerin ist die Direktorin des Cimitero accatolico. Also, Miss Thursfield, kann ich mit meinen 51 Jahren schon jetzt bei Ihnen einen Antrag auf eine Grabstätte stellen?

"Leider nicht, denn Sie sehen mir zu jung dafür aus. Man muss älter als 75 Jahre sein oder eine schwere Krankheit nachweisen können, erst dann kann man so einen Antrag auf eine Grabstätte noch zu Lebzeiten stellen. Es sei denn, wir haben es mit einem Todesfall zu tun. In diesem Fall muss der Tote, um hier bei uns bestattet zu werden, nicht katholisch und ein Ausländer sein und seinen Wohnsitz in Italien haben."

Erst unter diesen Voraussetzungen ist eine Bestattung an diesem zauberhaften Ort möglich, im Schatten uralter hoher und schlanker Zypressen, mächtiger Schirmpinien und einiger Palmen. Und im Schatten von Grabmonumenten, von denen die ältesten aus dem späten 18. Jahrhundert stammen. 1784 wiesen die päpstlichen Behörden den Nichtkatholiken ein eigenes Begräbnisfeld zu, das außerhalb des Stadtzentrums an der Aurelianischen Mauer lag.

Den Accatolici, den Nichtkatholiken, also den Protestanten, orthodoxen Christen, Juden und Atheisten, war es bis dato bei drakonischen Geldstrafen für die Hinterbliebenen verboten, innerhalb der römischen Stadtmauern ihre letzte Ruhe zu finden. Das Ossarium mitgerechnet, also das Haus für die Gebeine aus aufgelassenen Gräbern, liegen auf diesem stimmungsvollen Friedhof rund 5.000 Tote. Darüber hinaus beherbergt er auch eine der größten römischen Katzenkolonien.

Amanda Thursfield: "Wir vermuten, dass hier rund 40 Katzen fest leben. Jede dieser Katzen hat hier ihr Territorium. Die Gattare, wie man in Italien die Katzenmütter nennt, versorgen sie an fünf verschiedenen Orten des Friedhofs mit Nahrung. Jede Katze hat ihren Namen und einen eigenen Charakter. Zu jeder der hier lebenden Katzen gibt es eine Karteikarte."

Auf diese Weise will man die Katzenkolonie genau kontrollieren, mit dem Ziel, dass die Zahl der Vierbeiner nicht Überhand nimmt. Karteikarten gibt es auch zu jedem einzelnen Grab. Interessant sind vor allem die Informationen zu den historischen Gräbern. So ist beispielsweise auf der Karteikarte zur Familie von Humboldt vermerkt, dass hier einer der Söhne des Naturforschers Wilhelm von Humboldt 1803 beigesetzt wurde.

Der berühmte Vater war damals Minister des preußischen Staates beim Heiligen Stuhl in Rom, eine Art Gesandter. Auch von Humboldts Ehefrau fand auf dem Accatolico ihre Grabstätte. Das Archiv des Friedhofs hält zu jedem Toten eine kleine Geschichte bereit. So starb Laughton, von dem nur der Nachname bekannt ist, 1738 mit 25 Jahren nach einem Sturz vom Pferd. Der junge Student aus Oxford, auf Bildungsreise in Rom, war der erste Tote, der auf dem Accatolico beigesetzt wurde.

In seiner jetzigen juristischen Form eröffnete Papst Pius VII. 1821 den Friedhof. Die Schaffung einer ordentlichen und offiziellen Institution war notwendig geworden, weil in Folge der Romantik immer mehr bildende Künstler, Literaten und andere nichtkatholische Ausländer nach Rom kamen - und dort starben oder dort beigesetzt werden wollten: vor allem aus England, Deutschland, Griechenland, Schweden und Norwegen. Obwohl der Friedhof kein extraterritoriales Gelände ist, also nach wie vor zum italienischen Staat gehört, wird er von Ausländern verwaltet.

Direktorin Amanda Thursfield: "Als Direktorin kümmere ich mich zusammen mit zwei anderen Personen um die alltäglichen Angelegenheiten. Das so genannte Advisory Committee besteht aus Experten in Sachen Recht, Restaurierung, Geschichte usw. Dann gibt es die Versammlung jener 14 Botschafter, die die Toten hier repräsentieren, auch der deutsche Botschafter gehört dazu."

Der Präsident dieser Versammlung ist zugleich der Präsident des Friedhofs. Im Moment ist der norwegische Botschafter Inhaber dieses rotierenden Amtes. Die Finanzierung des Friedhofs teilen sich die Botschaften untereinander auf.

Zu den berühmtesten Gräbern gehört das des englischen Dichters Percy Shelley und das seines Dichterkollegen John Keats. Shelley meinte schon vor seinem Tod durch Ertrinken bei einem Segelunfall 1822, dass er sich in den Tod verlieben könne, wenn er wüsste, dass er an diesem, Zitat, "so süßen Ort" begraben werden könne.

Keats wurde schon ein Jahr zuvor auf dem Accatolico beigesetzt. Auf eigenen Wunsch legte man ihm die ungeöffneten Briefe seiner Geliebten Fanny in den Sarg: der Schwerkranke hatte sie nicht mehr lesen können. 1830 fand auch August von Goethe hier seine letzte Ruhe. Die Grabinschrift bezeichnet ihn lediglich als Goethes Sohn.