CIA-Folter

Den Toten bringt's nichts

Häftlinge im Gefängnis Guantanamo
Häftlinge im Gefängnis Guantanamo © dpa / picture-alliance/ Shane T. Mccoy / US Department of Defense
Von Arno Orzessek · 14.12.2014
Foltern ist schlimm, aber manchmal geradezu moralisch notwendig. So lässt sich interpretieren, was Dick Cheney, der ehemalige US-Vizepräsident der USA, sagte, um die Folterpraxis der CIA während seiner Amtszeit zu verteidigen. Hat er recht?
Mittlerweile weiß es die ganze Welt: Dick Cheney ist stolz auf die Folterpraxis der CIA.
"Wir taten damals exakt das, was notwendig war, um die Schuldigen für 9/11 zu schnappen und einen weiteren Anschlag zu verhindern", brüstete sich der ehemalige Vizepräsident der USA..."
Und bescheinigte sich starkes Verantwortungsbewusstsein, indem er die Handlung, also die Folter, am Maßstab des unterstellten Nutzens bewertete.
Vordergründig könnten sich Cheney und die CIA auf den klassischen Utilitarismus berufen, zumal auf Jeremy Benthams Nützlichkeitsprinzip - das, so Bentham 1789,
"[...] jede beliebige Handlung gutheißt oder missbilligt entsprechend ihrer Tendenz, das Glück derjenigen Gruppe zu vermehren oder zu vermindern, um deren Interessen es geht."
Absolutheit des Folterverbots ist nicht unerschütterlich
War also die Folter, wenn sie denn im Interesse der US-Bürger lag, moralisch gut?
Im 18. Jahrhundert hätte man's vielleicht noch so hinbiegen können. Doch der Utilitarismus hat sich zum Konsequentialismus entwickelt, der Handlungen zwar weiter nach ihren Folgen bewertet, jedoch beachtet, dass nicht jeder Nutzen jede Handlung rechtfertigt.
Deshalb ist Folter als Methode der Verbrecherjagd nach vollbrachter Tat auch aus konsequentialistischer Sicht Unfug. Den Opfern von 9/11 nützte die Folter gar nichts mehr. Eine Güterabwägung zwischen ihrem Lebensrecht und den Rechten der Gefolterten war längst unmöglich.
Und auch die erhoffte Vereitelung neuer Anschläge rechtfertigte keine Missachtung der UN-Antifolterkonvention. Denn was die CIA tat, war Foltern auf Verdacht, Foltern ins Blaue.
Heißt das, dass die Absolutheit des Folterverbots unerschütterlich ist? Nicht unbedingt!
Nach der Entführung des Bankiersohns Jakob von Metzler 2002 bedrohte die Polizei den Täter Magnus Gäfgen mit Folter, um das Versteck zu erfahren, in dem Jakob gefangen saß, und sein Leben zu retten. Gäfgen redete.
Deontologen haben das Sagen
Der Rechtphilosoph Reinhard Merkel diagnostizierte ein Dilemma zwischen Folterverbot und Notabwehr und hielt zumindest die Androhung der Folter für angemessen. Laut Merkel darf man ein Leben nicht umstandslos opfern, damit ein rechtsstaatliches Prinzip unbefleckt bleibt. Antje Vollmer und andere protestierten laut.
Ein Streit zwischen Deontologen und Konsequentialisten. Für Deontologen sind bestimmte Handlungen per se moralisch gut oder schlecht und darum in jedem Fall geboten oder untersagt - komme, was da wolle.
Im Hintergrund steht Kants Diktum, uneingeschränkt gut sei allein ein "guter Wille"... Auch wenn der gute Wille zu jener unverantwortlichen Naivität führen kann, die Konsequentialisten zu vermeiden suchen.
In Deutschland haben in puncto Folter Deontologen das Sagen. Die Diskussion über legitime Rettungsfolter nach dem Fall Gäfgen ist verklungen; er wurde entschädigt. Gerichte haben das absolute Folterverbot bestätigt, mögliche Grundrechte-Kollisionen blieben ungeklärt.
In den USA aber hat sich die Bush-Administration, unter der am meisten gefoltert wurde, weder um Gesinnungs- noch um Verantwortungs-Ethik geschert, sondern - nolens volens - Niccoló Machiavelli bestätigt.
Der Ahnherr der modernen Politologie schrieb im Principe in allerbestem Dick Cheney-Sound: "Die Herrschaft behauptet man nicht mit dem Rosenkranz in der Hand."
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