Christkind oder Weihnachtsmann

Wer bringt die Geschenke?

Der Weihnachtsmann und das Christkind eröffnen am 27.11.2014 den 580. Striezelmarkt in Dresden (Sachsen).
Für Kinder ist die Frage nach Weihnachtsmann oder Christkind kein Glaubensstreit. © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Klaus Deuse im Gespräch mit Frank Meyer und Katja Schlesinger · 23.12.2015
Am Anfang war der Nikolaus. Aber wie kam dann der Weihnachtsmann ins Spiel, und warum wurde dessen Alleinvertretungsanspruch in Sachen Geschenke irgendwann vom Christkind streitig gemacht? Publizist Klaus Deuse weiß Rat.
Wer bringt denn nun die Geschenke zur fröhlichen Weihnachtsbescherung? Das Christkind oder doch der Weihnachtsmann? Eine letztlich müßige Frage, denn beide haben in der gleichen Mission alle Hände voll zu tun. Allerdings an unterschiedlichen Einsatzorten.
"Ganz klarer Fall: In einer katholischen Familie kam das Christkind. Das war mit gewissen Traditionen verbunden. Dazu gehörte das Wohnzimmer, das abgeschlossen wurde, um ein Geheimnis zu wahren. Das Glöckchenklingeln zur Bescherung",
erinnert sich Marlies Wolf, die inzwischen mit ihren Enkeln gemeinsam auf das Christkind wartet. Im evangelischen Elternhaus von Angelika Schreiner kam das Christkind dagegen nie vorbei.
"Zu uns kam immer der Weihnachtsmann. Aber nur deshalb, weil mein Nachbar seine schauspielerischen Leistungen unter Beweis stellen wollte. Der spielte nämlich gern den Weihnachtsmann."
Im Laufe der Jahrhunderte haben das Christkind und der Weihnachtsmann übrigens ihre Baustellen schon einmal getauscht. Und das kam so: Am Anfang stand als Gabenbringer für die Kinder konkurrenzlos ein wahrhaft heiliger Mann, und zwar der Nikolaus, der Bischof von Myra. Seit 1555 – wie Quellen belegen – geisterte dieser Nikolaus im Brauchtum als weihnachtlicher Geschenkelieferant für die Kinder herum und mutierte schließlich zum Weihnachtsmann. Insbesondere seit dem 19. Jahrhundert, als sich das Weihnachtsfest zu einem familiären Bescherfest mauserte, geriet der Weihnachtsmann ungefragt zum Außendienstmitarbeiter der Konsumgüterhersteller.
Und als um 1835 der von Heinrich Hoffmann von Fallersleben geschriebene Liedtext "Morgen kommt der Weihnachtsmann, kommt mit seinen Gaben" in deutschen Wohnstuben angestimmt wurde, hatte dieser rauschbärtige Kerl bei den Kindern einen Stein im Brett.
Martin Luther zauberte das Christkind aus dem Ärmel
Dass ihm das Christkind in die Quere kam und den Alleinvertretungsanspruch streitig machte, das geht auf das Konto von Martin Luther. Da Luther die Heiligenverehrung gegen den Strich ging, zauberte er das Christkind als Gabenbringer aus den Ärmeln seines Talars. Mit dem heiligen Kind in der Krippe hatte dieses in irdischen Niederungen notgelandete Christkind indes nichts zu tun. Luther, um es salopp zu formulieren, hatte sich ganz einfach ein paar Bauteile aus den engelhaften Wesen der mittelalterlichen Krippenspiele herausgesucht. Das blieb nicht ohne Folgen, denn statt des Weihnachtsmannes himmelten protestantische Kinder im Laufe der Zeit nun das Christkind an.
Aber was dauert schon ewig? Irgendwann kamen diesem frühen Christkind nämlich die Flügel abhanden und aufgrund veränderter Glaubensvorstellungen musste es – wie Kulturwissenschaftler heraus gefunden haben – zu den Katholiken wandern. Dass ihnen das Christkind die Geschenke bringt, daran besteht für katholische Kita-Kinder auch heute kein Zweifel.
"Ich heiße Sinia und das Christkind kommt. Und schon mal hab ich das Christkind gesehen, wie es wie der Wind von Balkon zu Balkon geflogen ist."
Und Freundin Emma kann sich sogar auf glaubwürdige Zeugen berufen.
"Aber mein Vater hat schon mal den Schatten gesehen."
Den Weihnachtsmann verschlug es quasi notgedrungen in protestantisch geprägte Gefilde. Egal ob Christkind oder Weihnachtsmann vorbeischauen: Für Kinder ist das kein Glaubensstreit.
Beide Figuren haben es wahrlich nicht leicht bei der Vermittlung ihrer traditionellen Werte. Und gegen ihre Vermarktung als Schutzpatron des Einzelhandels können sich weder das Christkind noch der Weihnachtsmann wehren. Erst als die Hersteller einer braunen Koffeinbrause aus dem amerikanischen Atlanta 1932 ihre angestammten Firmen-Farben grün-lila im Rahmen einer Werbeoffensive gegen das attraktive rot-weiß des Weihnachtsmann-Outfits austauschten, segelte der Konzern auf Erfolgskurs.
Seither ist der Weihnachtsmann vor keinem kommerziellen Missbrauch sicher, was dem Stammvater Nikolaus, dem Bischof von Myra, mit Sicherheit die Zornesröte auf die Stirn treiben würde.
Mehr zum Thema