Christentum

Ein Hafen für Verfolgte

Plakat einer Imagekampagne der evangelischen Kirche von 2008. Die Kirche wollte damit das ihrer Meinung nach schlechte Image ihrer weltweiten Mission in Kirchenkreisen selber aufpolieren.
"Mission", ein Schlagwort, dass in den christlichen Kirchen neu diskutiert wird. © picture alliance / dpa / Jochen Lübke
Von Thomas Klatt · 31.08.2014
Mitgefühl und Demut statt Arroganz und Herablassung: Teilnehmer der hochkarätig besetzten, ökumenischen Missionskonferenz sprechen sich für Glaubensfreiheit und eine religionsübergreifende Zusammenarbeit für Gerechtigkeit und Frieden aus.
"Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche!" Fast schon trotzig stellt das gemeinsame ökumenische Wort "Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt" von 2011 diesen Satz an den Anfang. Anders als so häufig in den Jahrhunderten zuvor soll christliche Mission nun von "Mitgefühl und Demut", und eben nicht mehr von "Arroganz, Herablassung und Herabsetzung anderer" geprägt sein. Jede Form des Zwanges oder der Gewalt bei der Mission werden abgelehnt. Die einzelnen christlichen Kirchen wollen sich nicht mehr als Konkurrenten sehen, sondern um der Sache Christi willen künftig zusammenarbeiten. Das verspricht zumindest Miguel Guixot, Sekretär des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog.
"Das Dokument will keine theologische Begründung für Mission sein. Vielmehr möchte das Dokument praktische Anregungen eines christlichen Zeugnisses in einer multireligiösen Welt sein. Verkündigung ist ein Muss der christlichen Existenz, und das meint die Verkündigung von gegenseitigem Respekt. Das meint den Einsatz für Religionsfreiheit für alle Glaubensgemeinschaften im Land. Es geht um die gemeinsame Zusammenarbeit für Gerechtigkeit und Frieden. Christliches Zeugnis meint Engagement für Bedrängte, und egal ob Christen oder Nicht-Christen, das Zeigen von echter Solidarität."
So hat das Dokument eine ausdrücklich politische Ausrichtung. Die christliche Mission müsse sich bei den Regierungen der Welt für die Religionsfreiheit und damit eben auch für die Menschenrechte einsetzen. Es gehe um die Hilfe für Schwache und Verfolgte, sagt der Direktor der Weltweiten Evangelischen Allianz Geoff Tunnicliffe. Der Kanadier spricht für 128 Evangelische Allianzen mit rund 600 Millionen Mitgliedern.
"Es braucht die moralischen Stimmen der Kirchen"
"Lasst uns doch einen sicheren Hafen bilden, eine sichere Stadt sein für die, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Natürlich ist das schwierig, es gibt eine Menge Akteure, von den Vereinten Nationen bis zu den Regierungen der jeweiligen Länder. Aber es braucht die moralischen Stimmen der Kirchen, die zusammenarbeiten müssen. Nur so, wie die Welt jetzt ist, funktioniert es nicht, und wir müssen etwas anders machen."
Es gehe auch darum, Zeugnis für eine Welt des Zusammenlebens abzugeben und sich damit gegen radikale und fundamentalistische Kräfte zur Wehr zu setzen. Gerade Kirchen mit ihren moderaten Positionen könnten in einer multireligiösen Welt ein wichtiger Friedens-Faktor sein. Etwa im Hinblick auf den radikalen Islam, sagtder ehemalige schwedischeBischof und heutige Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen Anders Wejryd.
"Wenn diese moderaten Menschen nicht damit fortfahren, miteinander zu reden, werden die Extremisten Überhand nehmen. Und ähnlich sieht es auch im Islam aus. Moderate Kräfte im Islam brauchen moderate Kräfte im Christentum, um eine Chance zu haben, Extremisten in ihrer eigenen Religion auszubalancieren."
Schöne Worte, der aber auch Taten folgen müssen. Auf der Berliner Missionskonferenz selbst wurde zugegeben, dass das ökumenische Papier gerade einmal drei Jahre alt ist und nun erst in den jeweiligen Missionswerken und Gemeinden aufgenommen und umgesetzt werden muss. Zudem sind weder Charismatiker noch pfingstlerische Kirchen mit an Bord, die mit ihrer aggressiven Form der Mission etwa in Südamerika sehr erfolgreich sind. So gibt es zum Beispiel Berichte aus Brasilien, dass solchen Gruppen das persönliche Bekenntnis zu Jesus Christus und die sogenannte Geist-Taufe wichtiger sind als jedes soziale Engagement.
Fundamentalistische Missionsgruppen in muslimischen Ländern
Religiöse Vielfalt wird von solchen christlichen Enthusiasten, deren Gottesdienste meist einer religiösen Show ähneln, als Bedrohung wahrgenommen. Andere Glaubensrichtungen werden ebenso bekämpft wie etwa Homosexuelle, die nicht als gottgemäß gelten. Zudem gibt es kleine, fundamentalistisch ausgerichtete Missionsgruppen, die demonstrativ in muslimisch geprägte Länder gehen. Dort ist die Abkehr vom Islam strengstens verboten. Solche meist aus dem westlichen Ausland stammende Christen nehmen damit ihren eigenen Tod, also das Märtyrertum, billigend in Kauf.
Christoph Anders, Direktor des Evangelischen Missionswerkes in Deutschland EMW lehnt diese Form christlicher Mission strikt ab.
"Das gewollte, das herbeigeführte Martyrium ist eine andere Geschichte als die, die einen unerwartet trifft. Hier gibt es Grenzen, und wir hoffen, dass gerade dieser Text auch ne Basis ist, solche Gespräche zu vertiefen."
Und Deutschland? Schon lange wird bei sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen davon gesprochen, dass das Ursprungsland der Reformation längst wieder ein Missionsland geworden sei. Aber das sei ein Denken des 19. Jahrhunderts. Mission sei kein quantitativer Wert, als ginge es um bestimmte Mitgliederquoten. Vielmehr brauche jedes Land das Engagement christlicher Gemeinden gleichermaßen, meint Missionsdirektor Christoph Anders.
"Kann man denken, dass es eine Art Wasserstand gibt. Wenn ein bestimmter Wasserstand noch erreicht ist, dann muss man nicht von Missionsland sprechen, und wenn dieser Wasserstand unterschritten ist, dann läuten die Alarmglocken, dann ist Missionsland. Diese Figur, auf die man oft trifft, hat ihre Schwächen, weil sie theologisch nicht berücksichtigt, dass das die Aufgabe für die Kirchen ist, missionarisch zu sein, die Aufgaben für die Kirchen ist, einzuladen zum Glauben, zu einer glühenden Nachfolge, zu einem liebevollerem Miteinander, die kann nie, in keinem Land der Erde, zu keinem Zeitpunkt erfüllt sein. Das heißt, jedes Land ist Missionsland und das ist jetzt deutlich geworden."
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