Christ, Polygamist und Präsident

Von Leonie March · 12.12.2009
Seit einem guten halben Jahr ist Jacob Zuma Südafrikas neuer Präsident. Er ist nicht nur bekennender Christ, sondern auch Polygamist. Seine engen Verbindungen zu charismatischen Kirchen und Pfingstbewegungen werden von anderen Religionsgemeinschaften mit Sorge gesehen. Theologen warnen vor einem zunehmend unkritischen Verhältnis zur Politik, ja sogar von einer Gefahr für die junge Demokratie.
Gottesdienst in einer charismatischen Gemeinde in Durban. Die Bänke sind bis auf den letzten Platz besetzt. Pastor Vusi Dube predigt über sein Lieblingsthema: Es geht um spirituelle, emotionale und wirtschaftliche Befreiung, darum, wie jeder sein Potenzial ausschöpfen kann. Parallelen zur Politik sind erwünscht. Denn Pastor Dube sitzt auch als Abgeordneter der südafrikanischen Regierungspartei ANC im Parlament. Eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche ist seiner Meinung nach unnötig.

"Unsere Kirchen haben sich schon immer für die Armen eingesetzt und der Staat tut das auch, zum Beispiel durch Sozialhilfeprogramme. Warum sollten wir also nicht mit der Regierung zusammenarbeiten, um das Leben der Bevölkerung zu verbessern? Wir sehen uns als Bindeglied zwischen den Menschen und der Regierung. Kirchen und andere Religionsgemeinschaften haben eine riesige Anhängerschaft, die sie sozusagen als Arm der Regierung erreichen können. Wir arbeiten also als Partner zusammen."

Nicht alle Kirchen in Südafrika verstehen ihre Rolle so. Phumzile Zondi-Mabizela, Geschäftsführerin eines Dachverbands christlicher Kirchen in der Provinz Kwazulu-Natal, wünscht sich eine kritische Distanz zur Regierung:

"Früher war es klar, wer der Gegner war. Als Kirchen haben wir gemeinsam gegen die Apartheid gekämpft. Heute ist das komplizierter. Einige der Kirchen kümmern sich ausschließlich um die spirituellen Inhalte, während andere die Regierungsarbeit schon lange kritisch kommentieren. Dann gibt es noch die afrikanischen unabhängigen Kirchen, die eine schwarze Regierung blind unterstützen. Für die Kirche ist das eine große Herausforderung: Wir müssen zu bestimmten Themen kritisch Stellung beziehen, trotz unterschiedlicher Meinungen. Denn es ist wichtig, dass die prophetische Stimme der Kirche weiter existiert. Wir können es uns nicht leisten zu schweigen, nur weil die Kirchen so vielfältig sind."

Die Wurzeln der gegenwärtigen Kritiklosigkeit der Kirchen reichen aber noch viel tiefer, meint der südafrikanische Theologe Dr. Simanga Kumalo:

"In der afrikanischen Gedankenwelt werden Person und Amt nicht voneinander getrennt. Kritik an den Entscheidungen des Präsidenten werden deshalb automatisch als persönliche Angriffe gegen Jacob Zuma gewertet. Deshalb haben auch Kirchenführer Schwierigkeiten damit, Politiker zu kritisieren. In diesem Sinne mangelt es noch an politischer Reife. Aber das ist wiederum verständlich. Denn unsere Demokratie ist gerade einmal 15 Jahre alt, also noch neu für uns."

Ein Beispiel für die unkritische Haltung vieler Kirchen gegenüber der Regierung und dem neuen Präsidenten ist die Tatsache, dass Jacob Zuma nicht nur bekennender Christ, sondern auch mit mehreren Frauen gleichzeitig verheiratet ist. Ein Widerspruch, der von Zumas christlichen Verbündeten einfach totgeschwiegen wird, kritisiert Phumzile Zondi-Mabizela:

"Es ist eine Tatsache, dass gerade die Pfingstbewegungen gegen Polygamie eingestellt sind. Trotzdem sagen sie nichts. Es ist reine Heuchelei und Opportunismus, wenn sie vor den Gläubigen in der Kirche gegen Polygamie predigen, den Präsidenten aber nicht dafür rügen, nur weil sie es sich nicht mit ihm verderben wollen. Ich finde das sehr traurig, dass wir durch so etwas unsere eigentliche Aufgabe aus den Augen verlieren."

Schwierig ist die kritische Distanz auch wegen der langen gemeinsamen Geschichte: Es waren unter anderem Pastoren, die den Afrikanischen Nationalkongress, ANC, gegründet haben. In der Befreiungsbewegung spielten die Kirchen eine wichtige Rolle. Das betonte auch der heutige Präsident, Jacob Zuma, als er im Wahlkampf Gottesdienste der charismatischen Kirchen und der Pfingstbewegung besuchte und offensiv von der Kanzel um die gläubigen Wähler warb. Er ging sogar noch einen Schritt weiter, als er sagte, Gott sei auf der Seite des ANC, betont Dr. Simanga Kumalo.

"Ich denke, dass Zuma das wirklich glaubt, denn er hat selbst einen christlichen Hintergrund. Während des Freiheitskampfes haben Theologen wie Desmond Tutu immer wieder betont, Gott sei auf der Seite der Unterdrückten und derer, die sich gegen die Apartheid auflehnten, also auch auf der Seite des ANC. Aber nach der demokratischen Wende hat ihnen niemand gesagt: Ihr seid jetzt in einer neuen Position."

Äußerungen wie die Zumas sind nicht zu entschuldigen, meint Phumzile Zondi-Mabizela.

"Solche Aussagen sind sehr gefährlich und destruktiv. Denn der ANC repräsentiert längst nicht mehr nur die Armen und Unterdrückten. Er ist jetzt Regierungspartei, der auch Wohlhabende angehören. Ich denke grundsätzlich, dass die Kirchen kein Ort für den Wahlkampf sind, denn einfache Menschen verstehen unglücklicherweise alles als Gottes Wort, was von der Kanzel gepredigt wird."

Es überrascht nicht, dass der ANC-Abgeordnete, Pastor Vusi Dube zu einer anderen Bilanz kommt:

"Es war etwas Neues, ein Präsident, der die Kirchen besucht und das nicht in erster Linie für seine Wahlkampagne. Er wollten den Kirchen ins Gedächtnis rufen, dass sie auch eine politische Rolle spielen, indem sie zum Beispiel den Präsidenten beraten und ihm gegenüber Dinge ansprechen, die in unserem Land nicht gut laufen."

Einen solchen religiösen Rat, der eng mit der Regierung zusammenarbeiten soll, hat Jacob Zuma einige Monate nach der Wahl gegründet. Obwohl bereits seine Amtsvorgänger ein ähnliches Gremium installiert hatten. Neben Vertretern anderer Religionen waren früher vor allem Bischöfe vertreten, Jacob Zuma hat sie durch die Führer von charismatischen und Pfingstbewegungen ersetzt. Die etablierten Kirchen fühlten sich ausgegrenzt und protestierten. Inzwischen wurde ein Kompromiss gefunden, aber ein schaler Beigeschmack bleibt, meint Phumzile Zondi-Mabizela:

"Es gibt viele Gerüchte darüber, warum dieser neue Rat gegründet wurde. Jacob Zuma hat ein besonderes Verhältnis zu den Pfingstbewegungen, eine dieser Gruppen hat ihn sogar zum Ehren-Pastor geweiht. Misstrauisch stimmt uns seine Freundschaft zu Ray McCauley von der Rhema-Kirche, der eine sehr wichtige Rolle im neuen Gremium spielt. Welche Ziele er verfolgt ist momentan noch unklar. Wir sind besorgt, denn wir wollen nicht, dass die Kirchen gespalten werden, sondern stattdessen sicherstellen, dass wir gegenüber der Regierung mit einer Stimme sprechen."

Von Spaltung kann gar keine Rede sein, wiegelt Vusi Dube ab, der selbst Mitglied in Zumas Rat religiöser Führer ist. Im Gegenteil:

"Der Präsident hat sehr, sehr deutlich gemacht, dass alle in diesem Beratergremium berücksichtigt werden sollen. Jeder ist willkommen und es gibt kein böses Blut. Die Regierung und insbesondere Präsident Zuma versuchen alle Kirchen an einen Tisch zu bringen, damit sie sich mit den Herausforderungen unseres Landes beschäftigen. Jenseits von Ideologie und Dogmen. Darum geht es."

Noch sind die politischen Ziele des neuen Gremiums unklar. Südafrikanische Medien haben berichtet, der religiöse Beraterstab Jacob Zumas wolle ihn dazu bringen, liberale Gesetze zur Homo-Ehe und Abtreibung, sowie das Verbot der Todesstrafe, zu überdenken. Das Präsidialamt hat das allerdings dementiert. Grundsätzlich hätten die Kirchen bei ihrer Vielstimmigkeit keine Chancen, sich politisch durchzusetzen, bilanziert der Theologe Dr. Simanga Kumalo. Sie sollten lieber auf der Hut sein:
"Die südafrikanischen Kirchen müssen sich befreien und der Versuchung der Macht widerstehen. Unsere Regierung versucht alles, um die Kirchen auf ihre Seite zu bekommen. Kritische Stimmen sind dabei unerwünscht. Die Kirchen sollen nach der Pfeife der Politiker tanzen. Das ist problematisch für eine Demokratie."