Choreograph Hofesh Shechter

Der wahre Postmoderne

Der israelische Choreograph Hofesh Shechter
Der israelische Choreograph Hofesh Shechter © dpa / picture alliance / Villar Lopez
Von Elisabeth Nehring · 03.07.2015
Härte und Entspannung, Ernstfall und Ironie − Hofesh Shechter, der israelische Choreograph mit Sitz in England, beweist mit dem Stück "barbarians" in Berlin ein weiteres Mal sein Ausnahmetalent.
Fünf Tänzer in weißer Anstaltskleidung im ersten Teil, ausgesetzt in einen brutal-mechanistischen Raum; fünf weitere in gelbglänzenden, hautengen Latexanzügen im zweiten Teil; ein Duett voll latenter Sexualität und brachialer Gewalt im dritten – in der Trilogie "barbarians" fügt Hofesh Shechter zusammen, was nicht zueinander passen will: nicht ein Teil zum anderen, nicht der Tanz zum Tanz, nicht die Musik zur Musik. Und der gerade in seiner Disparatheit zu einem überwältigenden Erlebnis wird.
Durch alle Abschnitte und Ebenen des Stückes zieht sich Shechters Technik der schnellen Schnitte: die Choreographie schneidet Ballettbewegungen an Volkstanzelemente, höfischen Tanz an Clubbing und urban dance – nur einen Wimpernschlag getrennt voneinander; die Dynamik der Bewegungen wechselt mitunter im Sekundentakt von hyperschnell zu kompletter Bewegungslosigkeit. Musikalisch werden Barock und Elektro, Renaissance, Jazz, Dubstep, Techno, Industrial und – fast schmerzhaft – plötzliche Stille kontrastiert und überblendet. Bedrohlich und weich, Härte und Entspannung, Ernstfall und Ironie – optische, akustische, atmosphärische Eindrücke blitzen auf und verschwinden im Nichts.
Dazu ein Dialog aus dem Off, in dem der Choreograph mit seinem Alter Ego ein stotterndes Gespräch über seine künstlerischen Ambitionen und Intentionen führt: etwas Unschuldiges wolle er machen, mit Leidenschaft, aber er wisse, er sei das lebende Klischee. Da ahnen wir: diese ganze, bis ins Letzte durchkalkulierte Inszenierung ist eine einzige persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen künstlerischen Schaffen.
Shechter ist nicht nur ein Perfektionist, er ist auch der wahre Postmoderne unter den Choreographen, besessen von ebenso großer Präzision wie unbändiger Regellosigkeit.
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