Chor und Orchester der Philharmonie Brünn

Die Liebe, nichts als die Liebe

28.03.2017
Was ist wichtiger als Volk und Vaterland? Die Liebe! Das meinte der tschechische Komponist Josef Suk. Etwas anders ging die Geschichte von Dido und Aeneas. Jan Novák hat sie vor 50 Jahren vertont. Suks Lebensreife und Novaks Dido wurden jetzt in Brno aufgeführt, mit den Solisten Marlene Lichtenberg und Richard Novák und dem Chor und Orchester der Philharmonie Brünn unter Leitung von Stefan Veselka.
Zwei Jubiläumswerke standen bei diesem Konzert im Janáček Theater Brno auf dem Programm - eines davon hat sogar einen direkten Bezug zur mährischen Kulturmetropole Brünn. Vor fünfzig Jahren wurde die Kantate "Dido" von Jan Novák erstmals aufgeführt, am selben Ort, und auch der Sprecher von damals stand jetzt wieder auf der Bühne, Richard Novák. Eine seiner Schülerinnen, Marlene Lichtenberg, gestaltete den Mezzosopran-Part. Sie ist Ensemblemitglied am Staatstheater Cottbus, stammt aus Südtirol und hat eine Phase ihrer Ausbildung in Brno absolviert.
Der mährische Komponist Jan Novák war fasziniert von der Regelhaftigkeit der lateinischen Sprache und komponierte deshalb überwiegend Musik zu Texten dieser nicht nur katholischen Sprache. Er war eine außerordentlich interessante Künstlerpersönlichkeit. Er lebte von 1921 bis 1984, verließ nach der Niederschlagung des Prager Frühlings seine Heimat und lebte dann in Italien und schließlich bis zu seinem frühen Tod in Süddeutschland. Václav Havel hat ihm posthum die staatliche Ehrenmedaille verliehen. Inzwischen wird sein Gesamtwerk vor allem in Brno regelmäßig aufgeführt.
Aus dem vierten Buch von Vergils Aeneis entnahm Jan Novák die Geschichte der Götter induzierten Liebe der karthagischen Königin Dido zum Troja-Flüchtling Aeneas. Das ist eigentlich eine klassische Opernhandlung (vor allem Henry Purcells Fassung des Stoffs ist weltberühmt), Jan Novák verleiht ihr durch sein streng am Sprachrhythmus und -duktus orientiertes Komponieren eine ganz eigenartige, zwischen Moderne und Zeitlosigkeit oszillierende Gestalt.
Vor einhundert Jahren wurde in Prag die Sinfonische Dichtung "Zráni" (Lebensreife) von Josef Suk uraufgeführt. Der Komponist meinte wohl mit dem Titel seines Werks das individuelle menschliche Reifen. Dieses große Orchesterwerk erhebt die Liebe zum zentralen Streben menschlicher Existenz und passt deshalb hervorragend zu Nováks Dido-Kantate.
Als Schwiegersohn Antonin Dvořáks hatte der Prager Komponist Josef Suk beste Voraussetzungen, mit seiner Musik Aufmerksamkeit und Anerkennung zu finden. Und er erlebte eine Zeit, in der die sinfonische Musik die Hoffnungen einer ganzen Nation symbolisierte.
Kurz nach dem Ende des Habsburger Reiches, als Tschechien die Unabhängigkeit erlangte, stellte Suk in Prag sein großes Orchesterwerk "Zrání" vor. Er hatte nicht das einer politischen Idee oder Staatlichkeit im Sinn, als er zugab, im Laufe seines Lebens erkannt zu haben, dass der wichtigste Wert die Liebe sei. Auf jeden Fall hatte Suk mit diesem Stück ein hochkomplexes und dennoch genießbares Werk geschaffen, das nicht nur den Dirigenten der Uraufführung zu Begeisterungsstürmen hinriss: Dieser soll die Partitur in die Höhe gehalten und ausgerufen haben: "Ein zweites Vaterland!" (nach Smetanas epochemachendem Ma Vlast/Mein Vaterland).
Änderung gegenüber dem ausgedruckten Programm - der Tschechische Rundfunk hat sein Angebot aus Prag zugunsten dieses Konzertabends aus Brno modifiziert.
Janáček Theater Brno
Aufzeichnung vom 26. Januar 2017
Josef Suk
"Zrání" (Lebensreife), Sinfonische Dichtung op. 34
ca. 20.45 Uhr Konzertpause, darin: "Bis heute faszinierend" - Marlene Lichtenberg über die Musik des Komponisten Jan Novák, der sich eng an die antike Artikulation des Lateinischen anlehnte, ein Gespräch mit Volker Michael
Jan Novák
"Dido", Kantate für einen Erzähler, Mezzosopran, Männerchor und Orchester

Marlene Lichtenberg, Mezzosopran
Richard Novák, Erzähler
Tschechischer Philharmonischer Chor Brno
Philharmonisches Orchester Brno
Leitung: Stefan Veselka