Chor der Woche

Zwischen Tradition und Neustart

Von Norbert Zeeb · 28.03.2014
Wie viele Männerchöre, ist auch "Quartett Lied hoch" zuletzt stark geschrumpft. Doch der Chef des 1898 gegründeten Chores hat eine Idee: Als alter "Stones"-Fan will er den Blues- und Folk-Musiker Chris Jagger, den Bruder von Mick, mit auf die Bühne holen.
Lied hoch, Lied hoch, Lied hoch!
Oh grüne fort, oh blühe lang,
du edler deutscher, du deutscher Männersang!
Glückstadt – eine 11.000 Einwohner Gemeinde an der Unterelbe in Schleswig-Holstein. Im Festsaal der rustikalen Gaststätte "Tivoli" trifft sich wie jeden Mittwoch der Männerchor "Quartett Lied hoch" zur Probe.
Knapp zwanzig Sänger, so zwischen vierzig und achtzig Jahre alt, bilden einen Halbkreis, dehnen die Kiefer, massieren ihre Gesichter. In ihrer Mitte: Masanori Hosaka, ...
"Ein Japaner. Ich bin 34 Jahre alt, und seit einem Jahr leite ich diesen Chor. - Ich habe immer ein bisschen Schwierigkeiten mit der Sprache, vor allem mit der Aussprache, ja, aber es lohnt sich. Natürlich gibt es in Japan Chöre, aber alle sind gemischt. Ich denke, der Männerchor ist ein Teil von der deutschen Kultur."
Hosaka sitzt kerzengerade am Klavier, die Hände mal auf den Tasten, dann wieder dirigierend durch die Luft schwingend – das Bild ist stimmig, aber träfe man den jungen Japaner etwa in einer Bar in Hamburg, würde man wohl kaum erraten, dass er einen traditionellen Männerchor leitet.
"Eigentlich habe ich Dirigieren studiert, sechs Jahre in Japan, ein Jahr in Detmold und zwei Jahre in Hamburg. In Japan habe ich nie einen Chor geleitet, das ist das erste Mal für mich in Deutschland, in Hamburg."
In der Elbmetropole unterstützt Hosaka als zweiter Chorleiter den renommierten Dirigenten Kazuo Kanemaki beim Polizeichor Hamburg. Was ihn an seinem Einsatz, hier, in der norddeutschen Provinz, reizt, ist die Herausforderung, einen Chor mit mehr als einhundertjähriger Geschichte neu aufzubauen, denn „Quartett Lied hoch“ ist ein Männerchor im Umbruch - zwischen Tradition und Neustart.
"Das ist richtig. Die ersten Startschwierigkeiten sind auch alle überwunden, hier kommen ständig neue Sänger dazu. Ich finde, mit 18 Sängern in so kurzer Zeit, das ist schon 'ne schöne Stärke."
Chor stand schon kurz vor der Auflösung
Uwe Schult zählt zu den neuen Sängern im Chor. Als der 57-jährige Tenor vor eineinhalb Jahren das erste Mal zur Probe erschien, war der Chor wie die meisten Männerchöre stark überaltert und bereits dabei, sich aufzulösen. Doch acht Sänger ergriffen die Chance für einen Neuanfang, mobilisierten unter Freunden und Nachbarn jüngere Sänger - darunter auch den 44-jährigen Andreas Krumnoh.
"Also, für mich war es am Anfang schon ein bißchen komisch, aber in meiner Stimme im zweiten Tenor waren sehr viele Leute, die mich auch gut aufgenommen haben, es gab dann halt auch immer so dies und jenes, mal ein Schnaps und so, ich fühlte mich dann immer mehr und mehr dem Chor verbunden, so."
Rolf Nedebock: "Der Chor 'Lied hoch' hatte seine Hoch-Zeit ab dem Jahre 1966. Da hatten wir hier einen Chorleiter, Heinrich Paulsen, der unter den Komponisten, volkstümlichen Komponisten, ein bekannter Mensch war."
Rolf Nedebock singt schon seit über vierzig Jahren im Chor "Lied hoch". Nicht wenige Sänger meinen, dass es ohne den 59-Jährigen als Ideengeber und unermüdlichen Netzwerker nicht weitergegangen wäre, als der Chor Ende 2012 vor dem Aus stand.
Als neuer erster Vorsitzender des Gesangsvereins hat sich der Polizeibeamte und Hobby-Gitarrist einiges vorgenommen.
"Wir wollen das Repertoire modernisieren, das Alte pflegen, auch immer mal wieder singen, aber letztendlich, um jüngere Menschen für den Chorgesang zu gewinnen, da musst Du modern werden, offen sein für Modernes."
Fan-Freundschaft mit den Rolling Stones
Vor allem möchte Nedebock das Konzertleben wieder ankurbeln und plant viele neue Auftritte. Dabei hilft ihm auch seine jahrzehntelange Fan-Freundschaft mit den Musikern der legendären Rolling Stones.
"Wir werden ein Konzert mit Chris Jagger absolvieren. Chris Jagger, zu dem habe ich durch die Rolling Stones, durch seinen Bruder Mick, auch einen Kontakt bekommen. Und dem habe ich vor einiger Zeit geschrieben: 'Hey, kannst Du..., wir sind ein Chor und sind dabei, uns zu modernisieren, kannst Du dir vorstellen, ein Konzert mit uns zu geben?' Und er hat mir gesagt, er wird zwei, drei Lieder für unseren Chor jetzt machen, mit unserem Chorleiter zusammen, wo wir ihn begleiten."
Doch bis sich die Sänger der Folk- und Blues-Musik von Chris Jagger widmen, gibt es noch viel zu tun, meint Nedebock – gerade auch für den Chorleiter Masanori Hosaka. Der möchte vor allem die älteren Sänger mitnehmen, sie Schritt für Schritt für neues Repertoire gewinnen – beginnend mit Musik von den Beatles.
Englische Texte sind ein Novum für den Chor. Doch Günter Klingbeil ist begeistert, der 83- jährige und Chor-Älteste blickt optimistisch in die Zukunft seines Chors:
"Wir haben mit acht Leuten wieder gestartet, und das ist ja jetzt daraus geworden. Wir haben gesagt, den Anderen zum Trotz machen wir weiter. Und man sieht ja, es wird erfolgreich, nech? Also, ich hab' den Eindruck, dass wir uns schon ganz schön gemausert haben in diesen anderthalb Jahren."
Deutschlandradio Kultur stellt jeden Freitag um 10:50 Uhr im "Profil" Laienchöre aus der ganzen Republik vor. Im "Chor der Woche" stehen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes, jeden Alters, jeder Formation und Größe oder Stilrichtung, seien sie Mitglied eines Chorverbands oder auch nicht.
Mit freundlicher Unterstützung des Deutschen Chorverbands