Chor der Woche

Rammstein und Renaissance-Musik

Von Gerrit Stratmann · 15.11.2013
Sie kennen keine Genregrenzen: Der Chor BIGGEsang aus Olpe im Sauerland singt Lieder aus alten Zeiten ebenso wie moderne Rock- und Jazzstücke. Gerne wagt das Ensemble dabei auch sechs- oder achtstimmige Arrangements.
Konzentriert stehen die 41 Sängerinnen und Sänger von BIGGEsang in der Schützenhalle von Drolshagen, einem kleinen Vorort von Olpe, und geben ihrem Volkslied, das beim Landeschorwettbewerb zum Pflichtprogramm gehört, den letzten Schliff. Dass sie an diesem Wettbewerb teilnehmen, hätte vor vier Jahren noch niemand geglaubt. Silvia Schröder ist gelernte Altenpflegerin und erinnert sich noch gut daran, wie ihr alter Frauenchor sich damals auflöste und die übrigen Mitglieder überlegten, wie es jetzt weitergehen sollte.

Silvia: "Wir waren so 14 bis 15 Frauen, die immer dran gedacht haben weiterzumachen, leistungsmäßig zu singen. Wir haben uns weiter getroffen, obwohl es nichts gab, so als Stammtisch. Dann haben wir einen Chorleiter gesucht. Und den haben wir mit dem Volker Arns dann gefunden. Aber wir wollten keinen reinen Frauenchor haben, sondern wir wollten auch mit Männern was gemeinsam machen. Das hat unserer Meinung nach mehr Zukunft."

Der neue Chor BIGGEsang kennt keine Genregrenzen. Von Reger bis Rammstein, so beschreibt er knackig sein Repertoire. Gerne nimmt das Ensemble dabei auch sechs- oder achtstimmigen Arrangements in Angriff. Eine Herausforderung, die auch die freischaffende Künstlerin Christine Domajnko angelockt hat.
Christine: "Wir sind wirklich ein leistungsorientierter Chor, wir singen total geile Literatur, und das hat mich auch wirklich gereizt, der Mix. Da sind dann Stücke aus der Renaissance, wie dann wieder ganz moderne jazzige Sachen und das ist einfach die Abwechslung auch, und auch die Präzision, mit der der Volker Arns das hier alles auf die Bühne bringt und diese Leidenschaft und Motivation, die er hat, das macht schon Spaß."

Volker: "Von der Dynamikbandbreite, denke ich, habt ihr noch mehr Kapazitäten nach unten beim Piano-Singen, und auch mehr nach oben. Es war mir noch zu sehr in einem gleichbleibenden Bereich."

Chorleiter Volker Arns gibt sich nicht so leicht zufrieden. Der junge Musiklehrer, dessen Opa und Onkel ebenfalls schon Chöre geleitet haben, ist freundlich, aber genau, wenn es um die Intonation seines Chores geht.

"Ich glaube, das ist so eine normale Strenge. Es ist auch schon mal ein bisschen ruppig, aber man versucht natürlich immer, die Sachen sachlich zu analysieren und zu schauen: Woran liegt's? Was kann man besser machen? Was muss optimiert werden? Wo lag der Fehler? Aber man muss natürlich auch immer wieder die Laiensänger wachrütteln, dass die Leute also wirklich alle mitziehen."

Das Niveau der Laien bei BIGGEsang ist durchweg hoch. Die meisten haben privat bereits eine beachtliche Gesangslaufbahn hinter sich, ähnlich wie Christina aus dem Alt, die mit 26 eine der Jüngsten im Chor ist.

"Meine Eltern sagen immer, ich hab zuerst gesungen und dann gesprochen. Dementsprechend hab ich direkt mit Singen angefangen, und ich war in einer Schule mit Schwerpunkt Musik, in der Uni hab ich im Unichor mitgesungen, hab auch zwischenzeitlich mal eine Gesangsausbildung mitgemacht, und dann bin ich irgendwann hier gelandet."

Katrin: "”Das ist ein Stück, da brodelt es, aber man kann nicht explodieren. Also in dem Sinn, dass man es jetzt körperlich macht. Das ist die Stimme.""

Katrin hat den Chor mit begründet. Die 31-jährige Industriekauffrau erklärt eine Besonderheit von BIGGEsang: Der Chor macht sich nämlich durch die Sitzordnung das Singen absichtlich etwas schwerer als nötig.

"Wir sitzen jetzt nicht nach Stimmen sortiert, sondern gemischt. Ich sitz' zum Beispiel zwischen einem Alt und dem Bass, und vor mir sitzt der Sopran, eigentlich auch noch ein Tenor. Und der Chorklang ist ein ganz anderer, und auch dieses miteinander und umeinander rum."

Bernd: "Also wenn Sie jetzt nur Gleichgesinnte um sich rum stehen haben, dann ist das dann natürlich auch einfacher."

Ergänzt der Vorsitzende Bernd Niklas.
"Dann lässt die Konzentration auch nach, und wir haben gemerkt, dass wir dann auch mit der Intonation schon mal in den Keller sacken. Weil die Spannung lässt nach. Und wenn Sie so quer gemischt stehen, dann sind die Leute präsenter, konzentrierter und dann haben wir auch weniger Probleme mit der Intonation."

Acht Urkunden, Titel und Auszeichnungen hat sich das Ensemble in den vier Jahren seit der Gründung ersungen. Nichts davon ist in der kleinen Schützenhalle von Drolshagen zu sehen, denn hier üben sie nur ausnahmsweise, wenn ihr Probenraum in Olpe einmal nicht zur Verfügung steht. Christina sieht das positiv.

"Man hat immer wieder eine andere Akustik und hört sich auch anders in unterschiedlichen Räumen, und man wird besser vorbereitet auf eine Bühne, die man nicht kennt. Von daher ist es gar nicht so schlecht, wenn man immer mal wieder an einem andern Ort probt."

Nach all den Wettbewerben, Auftritten und auch Benefizkonzerten, die BIGGEsang absolviert hat, träumen die Sängerinnen und Sänger davon, einmal eine Konzertreise zu unternehmen, oder vielleicht auch einfach nur eine Partyreise, bei der dann auch mal zwischendurch gesungen wird. Verdient hätten sie es sich. Chorleiter Volker Arns ist mit der Gruppe auf jeden Fall sehr zufrieden.

"Ich hab auch immer sehr hohe Ansprüche gestellt, glaub ich, und irgendwie sind wir den Ansprüchen auch gerecht geworden bisher. Ja, mal schauen, wo es noch weiter hinführen wird!""

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