Chor der Woche

Bewahrer der Tradition

Von Sören Brinkmann · 11.04.2014
Drei Gesangsvereine gab es einst im thüringischen Schwarza, geblieben ist davon nur der Sängerkranz Eintracht. Viele Chormitglieder sorgen sich inzwischen aber auch um dessen Zukunft.
Schwarza im Süden Thüringens: gut 1200 Einwohner, ein Frisör, eine Sparkasse, eine Apotheke. Hier und da Fachwerk, aber vor allem schieferverkleidete Häuser prägen das Bild. Am Ortsrand rauscht das Flüsschen Schwarza. Darüber erheben sich die Ausläufer des Thüringer Waldes. Holzöfen verbreiten ihren typischen Geruch.
"Der Ort ist eigentlich mit dem Gesangverein verbunden und umgekehrt genauso. Das eine lässt sich nicht ohne das andere denken",
sagt Monika Hergenhahn. Wie sie kommen fast alle Chormitglieder aus Schwarza – entsprechend groß ist die Verwurzlung im Ort. Und die hat der Sängerkranz Eintracht vor wenigen Jahren sogar auf ganz sichtbare Weise dokumentiert. Wenige Schritte vom Ortskern entfernt haben die Chormitglieder die sogenannte Sängerlinde gepflanzt, erzählt Gudrun Wagner vom Chorvorstand.
"Das war das Geschenk an die Gemeinde von unserem Chor. Da haben wir auch ein Fest draus gemacht mit befreundeten Chören und haben da gesungen und gegessen und getrunken, was halt so dazu gehört."
Eines der auffälligsten Gebäude von Schwarza ist das Schloss, dessen älteste Teile aus dem 16. Jahrhundert stammen. Es hat auch im verfallenen Zustand noch seinen Charme.
Repertoire von geistlichen Gesängen bis zu aktuellen Stücken
Wenige Meter vom Schloss entfernt liegt der Gasthof zur Linde, das Stammlokal des Gesangsvereins. Hinter der Gaststube öffnet sich die Tür zum Vereinsraum. Auf den Tischen liegen dicke Liederordner. Das Repertoire reicht von geistlichen Gesängen über Volkslieder bis hin zu aktuellen Stücken. Jetzt steht das Frühlingsprogramm auf dem Probenplan.
Der Raum ist gerade groß genug für die etwa 20 Sängerinnen und Sänger. Sie sitzen an langen Tischen – aufgeteilt nach Stimmlagen. In einer Ecke des Raumes steht ein Klavier, es bleibt bei den Proben aber unangetastet. Chorleiterin Katharina Hänsel steht mit einem Keyboard vorne. Das muss schließlich nicht ständig gestimmt werden.
Katharina Hänsel hört genau zu, hakt immer wieder ein und verbessert. Ein bisschen merkt man ihr noch die Lehrerrolle an. Schließlich hat die 75-Jährige viele Chormitglieder schon vor Jahrzehnten in der Schule unterrichtet – in Russisch und Musik.
"Wir haben guten Kontakt, ne?"
Seit 1984 leitet Katharina Hänsel den Chor nun schon.
"Das war damals zu DDR-Zeiten, da hieß es, der Musiklehrer muss das übernehmen. Der Chorleiter davor war gestorben. Sie hatten sich bemüht, jemanden zu kriegen, und es hat immer nicht geklappt. Da wurde ich zum Rat des Kreises bestellt, und da wurde ich dazu verdonnert. Und da mache ich das jetzt schon das 30. Jahr."
Probenort des Gesangsvereins ist seit jeher der Gasthof zur Linde, der eigentlich nur am Wochenende geöffnet ist. Für den Sängerkranz Eintracht wird aber eine Ausnahme gemacht, erklärt Sabine Holland-Nell. Sie betreibt mit ihrem Mann den Gasthof.
"Normal sind wir im Ruhestand, aber für unseren Gesangsverein machen wir halt auf. Und es ist eine gemütliche Runde, und das machen wir gern für den Gesangverein. Es ist Bereicherung."
Ihr Mann, Dieter Holland Nell, weist gleich noch auf ein besonderes Möbelstück im Probenraum hin: Einen Holzschrank – darin eingearbeitet ist der Schriftzug "Sängerkranz Eintracht".
"Wenn Sie hier in die Tür schauen, da sind Pokale drin. Das ist der Notenschrank, den hat auch einer als Gesellenprüfung gemacht für den Gesangsverein."
Der Sängerkranz Eintracht ist ein gemischter Chor. Doch beim Blick in die Runde fällt auf, dass Frauen deutlich in der Überzahl sind. In der letzten Reihe sitzen die Männer und tun ihr Bestes, um mit ihren Tenor- und Bassstimmen durchzudringen. Doch dafür brauchen sie gelegentlich auch Hilfe. Zum Beispiel von Burkhard Baumgart.
"Uns würde viel Geselligkeit fehlen"
"Ich bin nicht immer hier. Ich singe in einem Männerchor im Nachbarort, in Rohr, und helfe nur, weil die Männer ein bisschen wenige sind, ein bisschen schwach besetzt sind, helfe ich aus im Tenor."
Beim Sängerkranz Eintracht zeigt sich deutlich, was im ganzen Ort zum Problem wird. Viele Jüngere haben wenig Zeit – arbeiten weit entfernt oder ziehen weg.
"Na langsam geht uns die Angst schon an",
sagt Chorvorstand Gudrun Wagner. Sie sorgt sich wie viele hier um die Zukunft des Gesangsvereins.
"Uns würde viel Geselligkeit fehlen. Und auch ein Teil Kultur, denn wir sind Leute von hier, die für Leute von hier singen, und das ist was anderes, als wenn man den Fernseher anmacht und sich da eine Musiksendung anguckt."
Ingrid Heinrich – seit vielen Jahren im Sopran – erinnert an die lange Tradition.
"Wir haben in Schwarza Chorgesang seit 1845. Und jetzt sind wir halt nur noch dieser kleine gemischte Chor, und die Dirigentenfrage ist halt auch nicht zu verachten. Aber wir hoffen, dass unsere Katharina noch lange frohen Mutes ist, dass sie noch lange mit uns zusammen was Niveauvolles auf die Beine bringt."
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