Chor

Andere anleiten unter Anleitung

Probe: Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Rundfunkchor Berlin unter der Leitung von Simon Halsey
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Rundfunkchor Berlin unter Leitung von Simon Halsey © Deutschlandradio - Bettina Straub
Von Ulrike Klobes · 23.09.2014
Wie bereitet man am besten eine Chorprobe vor? Wann ist es sinnvoller a capella zu üben? - Das sind typische Fragen junger Chordirigenten, die sie in der Meisterklasse des Rundfunkchors Berlin beantwortet bekommen. Mit dabei: Chefdirigent Simon Halsey.
Der große Probenraum des Rundfunkchors Berlin ist seltsam leer an diesem Morgen. Philip Mayers, der Korrepetitor, spielt sich schon mal warm. Nach und nach trudeln die acht Teilnehmer der diesjährigen Meisterklasse ein. Manche trinken noch schnell einen Kaffee, andere sind schon in die Partituren vertieft. Dann kommt Simon Halsey in legerer Jeans und Polohemd und begrüßt gut gelaunt die Runde.
Nach einem Aufwärmtraining setzen sich die Meisterschüler in einen Halbkreis und Halsey erklärt, welche Stücke er selbst gern zum Einsingen auswählt.
"Ein Dirigent muss natürlich die Musik verstehen, kennen, gut lernen, ein Dirigent muss Kommunikation mit dem Chor haben, so dass alle verstehen, was er oder sie will. Man muss eine Freude, einen Enthusiasmus für die Musik haben, man muss academic Verständnis für diese Musik haben, es ist nicht gut genug, ein großes Bild zu haben und zu verstehen, was dieses Wort bedeutet oder dieses, man muss einen Bogen haben: Wie beginnt das Stück, wie endet das Stück, warum macht er das? Und das ist eine große Arbeit."
Simon Halsey weiß noch genau, wie er das erste Mal vor einem Profi-Chor stand. Damals habe er Blut und Wasser geschwitzt und viele Fehler gemacht.
Erst in den Carnegie-Hall-Workshops des großen Chordirigenten Robert Show hat er gelernt, worauf man bei der Arbeit mit ausgebildeten Musikern achten muss.
"Man muss sehr viel mit den Händen erklären und nicht zu viel reden, weil: Die Mitglieder des Chores können vielleicht alles schon vom Blatt singen, haben sehr viel Verständnis für die Musik, singen Englisch, Französisch oder Lateinisch schon sehr gut, und deshalb ist das Niveau der Arbeit, die Erwartung viel höher. Die Skills muss man wirklich haben."
Der Austausch - ein großer Gewinn
Heute wird noch ohne den Rundfunkchor geprobt. Einer der Meisterschüler steht am Pult, den Gesangspart übernehmen die jungen Dirigenten. Auf dem Programm stehen Teile aus Bachs Johannes-Passion, Mozarts Requiem, aber auch modernes Repertoire. Simon Halsey unterbricht, lobt und erklärt, dass man sehr genau wissen muss, was die Texte bedeuten, wenn man die Stücke sinnvoll dirigieren will.
"Wir kommen alle mit sehr viel Respekt, sowohl vor ihm als auch vor dem Chor, manchmal mit etwas zu viel Spannung, und er nimmt einem den negativen Anteil völlig weg, es ist dann eine rein positive Spannung und er macht uns alles leichter."
Fabian Enders ist 28 und hat in Leipzig Dirigieren studiert. Genau wie die anderen Teilnehmer der Meisterklasse hat er schon viele Chöre geleitet. Mit anderen Dirigenten kommt er allerdings nur selten in Kontakt. Auch für Ian Wilke aus Darmstadt ist dieser Austausch ein großer Gewinn.
"Es ist immer auch sehr interessant, die anderen zu beobachten und zu sehen, was machen die für Gestiken, was funktioniert sehr gut, was kann ich davon mitnehmen oder auch, was funktioniert nicht gut und was davon kann ich auch selber umsetzen."
Am nächsten Morgen ist es dann endlich soweit. Der gesamte Rundfunkchor hat seine Plätze eingenommen. Außerdem sind 18 weitere Nachwuchsdirigenten aus aller Herren Länder zum Hospitieren angereist. Keine leichte Aufgabe für die Meisterschüler, sich vor so einem großen Publikum zu behaupten. Als erstes ist Fabian Enders an der Reihe. Sichtlich angespannt, aber mit viel Charme, gibt er den Einsatz zu Mozarts Requiem.
"Also, es ist zunächst ein sehr beeindruckendes Gefühl, es sind alles wahnsinnig selbstbewusste Individuen und wenn dann dieser Gesamtklang zusammenkommt, das ist eine unglaubliche Macht, die man da gegenüber hat, man fühlt sich eben gleich herausgefordert, dieses Klang irgendwie zu formen und zu gestalten, und das ist das Tolle."
Jan Wilke: "Man sieht sehr viele freundliche Augen, die einen angucken und erwarten, was jetzt kommt, ich glaube, das Wichtigste ist, dass man vergisst, dass da noch viele andere Zuhörer sitzen und zwei Professoren und was die jetzt von einem denken, usw., sondern sich einfach versucht, auf die Musik zu konzentrieren und auf das, was man musikalisch mit denen machen will."
Zehn Minuten hat jeder Teilnehmer für die erste Probeneinheit. Und die wollen genutzt werden, schließlich steht am Ende des Meisterkurses ein großes öffentliches Abschlusskonzert in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche an. Vinzenz Weissenburger aus Berlin ist von der professionellen Arbeitsweise des Rundfunkchors begeistert.
Die Feedbackrunde hilft zu klären, was noch einmal geübt werden muss
"Das Fantastische an diesem Chor ist ja, dass er sofort reagiert und sich das auch merkt. Also, man muss nicht gebetsmühlenartig, wie bei manchem Laienchor, wiederholen oder trainieren, man kann direkt proben und seine Idee denen teilen und dann wird daraus sofort ganz schnell ganz tolle Musik."
Am Ende jeder Probe ist dann der Chor gefragt. In einer ausführlichen Feedback-Runde erläutern die Mitglieder, was schon sehr gut war, und woran noch gearbeitet werden muss.
Tenor Ulrich Löns: "Viele können technisch sehr viel, manche, da vermute ich, die können eigentlich sehr viel, aber denen fehlt noch ein bisschen der Arsch in der Hose, wie ich mal so sagen will, dass der richtig zu sich selber kommt und genau das vermittelt, eins zu eins, was er wirklich möchte. Und da können sie natürlich mit uns viel Erfahrung machen, weil wir denen natürlich manchmal eine Qualität anbieten, wo sie dann erstmal sprachlos sind und ihnen gar nicht so viel einfällt wie bei einem Laienchor, da hat man immer was zu meckern, da sind sie schon sehr gefordert, das ist sehr interessant."
Sein Kollege, der Bassist Rainer Schnös, hat seinen Favoriten schon gefunden:
"Da war jetzt einer dabei, der wusste genau, was er wollte, und das war super, ihm zu folgen, und da hat sich dann gleich gezeigt, das ist jemand, da kann wirklich was draus werden, weil es dann für uns auch gar nicht langweilig ist. Wenn nämlich einer eine musikalische Vorstellung hat, und die dann auch zeigen kann, körperlich, meinetwegen auch mit technischen Mängeln, das macht dann gar nichts, dann spürt man, oh ja – das ist vielleicht jemand für die Zukunft."
Nach einer anstrengenden Woche nehmen die acht Meisterschüler stolz ihr Teilnahmezertifikat entgegen. Sie alle, sagt Fabian Enders, seien auf ihrem Weg zum Chordirigenten ein gutes Stück weitergekommen.
"Wir haben unser eigenes Niveau im Dirigieren erhöht, insofern als dass wir ein neues Bewusstsein gewonnen haben, weil einfach hier alles gespiegelt wird und alles umgesetzt wird, was man zeigt, auch was man an Unsinnigkeiten und Überflüssigkeiten zeigt, und die Gelegenheit, dass die Chorsänger einem selbst sagen, was für sie nützlich ist, und was nicht, die ist natürlich ganz toll und selten."
Und auch Vinzenz Weissenburger hat viele neue Eindrücke aus dieser Meisterklasse mitnehmen können.
"Ein ganz tolles Klanggefühl, ein tolles Fahrgefühl, wie bei einem guten Auto, und eine ganze große, große Menge an Inspiration für die eigene Arbeit."
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