"Chili con Carne würde schon sehr viel kosten"

Christa Liedtke im Gespräch mit Britta Bürger · 03.12.2009
Wie teuer wären Lebensmittel, wenn man die Preise inklusive der entstandenen Klimakosten berechnen würde? Alleine beim Frühstück käme man "auf den etwa drei- bis vierfachen Preis", wie die Wuppertaler Biologin Christa Liedtke, die eine Forschungsgruppe über nachhaltiges Produzieren und Konsumieren leitet, sagt. Und: Beim Mittagessen wäre die Preissteigerung noch extremer.
Britta Bürger: Unlängst hat ein Zeitungskollege im Selbstversuch probiert, eine Kohlendioxid-Diät zu machen. Zielvorgabe war, nicht mehr als zwei Tonnen CO2 pro Jahr zu produzieren, und obwohl der Mann nicht mit dem Auto, sondern mit der Bahn zur Arbeit fährt, im Urlaub eine Radtour macht und im Haushalt ökologisch und sparsam wirtschaftet, kam er insgesamt doch auf über sechs Tonnen CO2, dreimal so viel wie angepeilt.

Über anderthalb Tonnen kamen allein durch Lebensmittel zustande: Milchprodukte, Fleisch und Südfrüchte. Was also tun? Die Lebensmittelpreise den durch die Herstellung und Lieferung entstandenen Klimakosten anpassen?

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Was wäre, wenn man die Klimakosten in die Lebensmittelpreise einkalkulieren würde? Antworten darauf hat auch Christa Liedtke aus Wuppertal, sie ist Biologin am Institut für Klima, Umwelt, Energie und leitet eine Forschungsgruppe zum Thema nachhaltiges Produzieren und Konsumieren. Schönen guten Morgen, Frau Liedtke!

Christa Liedtke: Guten Morgen!

Bürger: Bleiben wir noch ein bisschen in Ökotopia. Was würde denn ein normaler Frühstückseinkauf kosten, wenn man die Lebensmittelpreise inklusive der entstandenen Klimakosten berechnen würde?

Nehmen wir eine Familie mit zwei Kindern, die ein Frühstück möchte mit Brot, Butter, Marmelade, Wurst und Käse, Müsli, Milch, Joghurt, vielleicht auch ein Ei oder einen frischen Orangensaft. Welche dieser Produkte würden unter Einbeziehung der Klimakosten einen ganz anderen Preis haben als bislang?

Liedtke: Erst einmal vielleicht kurz zur Erläuterung: Die CO2-Preise sind ein Teil der Klimapreise, ungefähr ein Viertel im Ernährungsbereich. Wenn man den gesamten Ressourcenumsatz und damit den Naturverbrauch rechnen würde, wäre das eben von dem Faktor vier alles noch mal höher, natürlich spezifisch für die unterschiedlichen Produkte. Ich habe das heute Morgen einfach mal durchkalkuliert und komme für diese Familie - also, wenn man mal schätzt, dass sie etwa drei bis fünf Euro jetzt bezahlen wird, je nach Ausstattung des Frühstückes, inklusive Brötchen, Orangensaft meinetwegen, Milch natürlich, Müsli, Kaffee, et cetera –, käme man einfach mal über den Daumen gepeilt auf 12 bis 15 Euro möglicherweise, also den etwa drei- bis vierfachen Preis dafür, Wurst eingerechnet, Käse eingerechnet und so weiter.

Bürger: Beim Mittagessen könnte das noch krasser aussehen, vor allem, wenn Fleisch auf den Tisch kommt. Ist Fleisch bald nur noch was für Großverdiener?

Liedtke: Das könnte man zunächst vermuten, ich gehe natürlich davon aus, dass eine Adaptation stattfindet, auch über die Preise. Ich denke einfach, dass auch von der Gesundheitsforschung und von dem Ernährungswissen, was wir haben, insgesamt ja was für eine Veränderung spricht, weil die gesamten Industrieländer ja sehr in die Übergewichtigkeit hinein tendieren, das ist ein sehr komplexes Problem.

Wenn man einfach mal auf Ihre Frage grundsätzlich antworten wollte, dann muss man sagen: So ein Chili con Carne würde schon sehr viel kosten, das muss man sagen. Wenn man das mal in Kilogramm Rohstoffe ausdrücken würde, die sie alle verbrauchen, wären das etwa, sagen wir mal, für zwei Kilogramm Chili con Carne für eine vier- oder fünfköpfige Familie durchaus dann eben 50 Kilogramm, die dort eingehen würden.

Wenn man das einfach mal in Euro dann umsetzen würde, würde man sagen, 50 Euro, was natürlich nur in Ökotopia zunächst so ist. Bei Pizza sieht es ähnlich aus, da kämen Sie vielleicht auf 13 Euro. Bei einem Double-Burger, das ist vielleicht noch interessant, der kostet uns eigentlich an Ressourcen an die 30 Kilogramm pro Double-Burger. Wenn man das umsetzt, ist das natürlich erheblich.

Ganz im Gegensatz zu dem, was Sie in Ökotopia geschildert haben, ist das dann bei den Designerprodukten ehrlich gesagt auch nicht viel anders, denn wenn man sich die anguckt: Auch eine vegetarische Lasagne oder aber auch einen vegetarischen Hamburger - ein vegetarischer Hamburger ist wesentlich billiger, der würde dann auf sieben Kilogramm pro Hamburger letztendlich kommen -, aber eine vegetarische Pasta ist auch nicht viel billiger als meinetwegen eine Erbsensuppe.

Bürger: Aber irgendwie müssen sich dadurch die Essgewohnheiten ändern, damit das noch finanzierbar ist. Kochen wir möglicherweise wieder nach den Rezepten unserer Urgroßmütter?

Liedtke: Ich glaube nicht, dass wir zurückfallen sozusagen in Vorzeiten, meinetwegen auch vor die Industrialisierung, nein, überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: Die Rezepte unserer Großmütter verwenden wir heute noch, weil sie Tradition haben, weil sie auch regionale Tradition haben, und wir verändern sie ständig und mixen sie weiter.

Das heißt, wir werden mehr experimentieren, wir werden die Qualität der Produkte verbessern und sozusagen auch in der Landwirtschaft - weil die einen hohen Wert für uns hat oder haben sollte - tatsächlich mehr wertschätzen und entsprechend erhöhte Preise dafür bezahlen, die natürlich abgefedert werden müssen im gesamten Warenkorb, den wir kaufen.

Wenn man sich aber betrachtet, dass die Deutschen weniger als 20 Prozent ihres Gesamteinkommens inzwischen für Nahrungsmittel ausgeben und wesentlich mehr meinetwegen für IKT-Produkte, also Informations- und Kommunikationstechnologien, dann muss man einfach sagen, hat hier eine Verschiebung stattgefunden, die sozusagen den Wert der Produkte, den sie für uns eigentlich haben - denn die Ernährung ist ja nun mal grundlegend für uns -, nicht ganz so widerspiegeln, wie es eigentlich aus unserer Sicht auch sein müsste.

Bürger: Wird sich das umkehren? Wird Essen das neue Statussymbol?

Liedtke: Es wird auf jeden Fall, denke ich, Bereiche geben, die natürlich spiegeln müssen, wie viel wir von der Natur investieren insgesamt. Das heißt, wir haben zum Beispiel … im Moment haben wir schon, in den letzten 40 Jahren, ein Drittel unserer Böden verloren, die wir überhaupt für die Landwirtschaft nutzen können, also zur Produktion von unseren Nahrungsmitteln. All dieses müssen wir halt mit einbeziehen.

Wir haben insgesamt 845 Millionen - oder inzwischen schon wieder gestiegen - Menschen, die hungern weltweit, obwohl wir genügend Kilokalorien haben. Das sind natürlich Probleme, die wir da insgesamt angehen müssten, zu sehen, dass wir tatsächlich unsere Böden entsprechend behandeln, damit wir überhaupt die Nahrungsmittel entsprechend produzieren können und auch gucken, welche Böden wir wie verwenden.

Wenn ich alleine weiß, dass ich Faktor sieben bis zehn mehr Ressourcen in Fleisch stecken muss als in Gemüse, dann muss ich mich natürlich schon fragen: Möchte ich das so oder kann ich nicht auch tatsächlich über mein eigenes Verhalten das ein bisschen anders steuern?

Bürger: Am Beispiel der boomenden Biolebensmittel, da kann man ja schon sehen, dass bei Teilen der Bevölkerung ein Wertewandel stattgefunden hat. Viele essen bewusst Kartoffelsuppe aus heimischem Anbau und keine Steaks aus Argentinien. Wie kann man aber diesen Wertewandel noch weiter beeinflussen?

Liedtke: Ich glaube: erst mal, dass es überhaupt zur Bewusstwerdung kommt, dass es da so Riesenunterschiede gibt. Da haben wir ja gar kein Maß mehr für, der Preis ist letztendlich nicht das Maß, weil schon Ernst Ulrich von Weizsäcker sagte ja, dass die Preise nicht die ökologische Wahrheit sagen. Das heißt, wir leben auf Kosten von anderen und auf Kosten von der Natur in einem Riesenausmaß, wenn man die Daten vergleicht, die ich gerade mal gesagt habe.

Und dafür ist natürlich einfach erst mal wichtig zu wissen: Was ist denn überhaupt von den Naturkosten wesentlich höher, als wir es jetzt in unseren Preisen integriert haben, und wie kann ich selber darauf Einfluss nehmen, und wie kann ich mir selber diesen Mix zusammenstellen und wie kann das eben auch sozial abgefedert tatsächlich stattfinden? Es soll ja eben nicht so sein, dass man sich nicht mehr ein Steak leisten kann.

Es muss aber klar sein, dass ein Steak natürlich auch einen Wert hat und Kosten verursacht, auch Naturkosten verursacht, und da ist noch ein komplexer Weg da hinzugehen, aber wichtig ist letztendlich, den Verbrauchern erst mal aufzeigen zu können: Wo ist denn da eigentlich sozusagen die Krux, wo ist denn da das Problem? Und das fordern ja schon viele jetzt auch mit ihren Einkäufen ein und versuchen sich danach auszurichten, und diese Entwicklung sollte man auf jeden Fall unterstützen.

Und zum anderen haben wir natürlich viele Zivilisationskrankheiten, die mit unseren Ernährungsgewohnheiten zusammenhängen, und da müssen wir natürlich schon ins Bildungs- und Erziehungssystem, ähnlich wie das auch schon jetzt großflächig immer weiter angegangen wird, investieren.

Bürger: Was wäre, wenn man die Klimakosten auf die Lebensmittelpreise aufschlagen würde? Eine Vision, die Wirklichkeit werden könnte, durchgespielt haben wir sie im Gespräch mit Christa Liedtke vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Frau Liedtke!

Liedtke: Bitteschön, schönen Tag noch!

Bürger: Ihnen auch!