Chaos in Rom

Fünf Sterne im freien Fall

Virginia Raggi von der Fünf-Sterne-Bewegung.
Mehr Regen als Sonne: Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi © picture alliance / dpa / Giuseppe Lami
Von Jan-Christoph Kitzler · 07.09.2016
Die Fünf-Sterne-Bewegung regiert seit diesem Sommer die Stadt Rom. Nun muss die Bürgermeisterin Virginia Raggi ihre erste große Krise überstehen. Für die politische Bewegung geht es dabei um alles: Scheitert sie in Rom, ist sie für die Wähler nicht mehr glaubwürdig.
Es war ein ziemlich heller Stern, der seit dem 19. Juni über Rom leuchtete. Damals hatte Virginia Raggi die Stadt erobert. Viele glaubten an eine neue Ära.
Zweieinhalb Monate später brennt es an allen Ecken und Enden. Erst hatte Virginia Raggi sichtbare Probleme, ihre Regierungsmannschaft zusammenzustellen – und nun haben einige ihrer wichtigsten Mitstreiter ihren Rücktritt erklärt.
Zum Beispiel die Chefs der römischen Verkehrsbetriebe und der städtischen Müllentsorgung. Dort hatte man sich über zu viel Einmischung beklagt. Was vielleicht auch verständlich ist, denn die beiden kommunalen Unternehmen sind hoch verschuldet, gelten als marode und ineffizient.
Fragt man die, die noch an Bord der Regierungsmannschaft geblieben sind, reagieren sie schmallippig, zum Beispiel Linda Meleo, die Dezernentin für Verkehr:
"Schluss mit der Polemik, Schluss mit dem Theater. Wir wollen den Neustart und das für die städtischen Verkehrsbetriebe eine neue Ära anbricht. Ich will keine Polemik, denn jetzt haben wir zu tun. Das Theater sollen andere machen."
Doch Virginia Raggi, die junge Bürgermeisterin, die angetreten war, die Stadt umzukrempeln, die für Transparenz und Ehrlichkeit sorgen und den Korruptionssumpf bekämpfen wollte, hat Fehler gemacht. Die Ernennung der zurückgetretenen Paola Muraro als Umweltdezernentin ist jetzt ein Problem: Sie hatte zwölf Jahre lang die Städtische Müllabfuhr beraten und dafür 1,1 Millionen Euro kassiert. Jetzt sollte sie das Unternehmen von Grund auf reformieren.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt

Dumm nur, dass die Staatsanwaltschaft auch gegen Muraro ermittelt, weil die Müllabfuhr bei der Behandlung der Abfälle gegen Umweltauflagen verstoßen haben soll. Doch das ist nicht alles: Raggi ist auch ihren Finanzdezernenten los und ihre Kabinettschefin. Um die hatte es schon gleich nach der Ernennung Ärger gegeben: wegen ihres Gehalts von fast 200.000 Euro im Jahr.
Und wie reagiert Virginia Raggi? Nach außen hin wie immer smart, lächelnd, mit einer Videobotschaft:
"Wir sind schon auf etwas Widerstand gestoßen, aber wir haben keine Angst. Das wussten wir, also geht’s weiter. Schon nach wenigen Stunden haben wir einen neuen Chef der Verkehrsbetriebe ernannt. Und dann den neuen Finanzdezernenten. Auch das ist eine erstklassige Person, jemand der gezeigt hat, dass er ein echter Staatsdiener ist. Und deshalb sind wir geehrt, dass er zu unserer Mannschaft gehört. Wir machen entschlossen weiter, um diese Stadt zu verändern."
Diese Sätze ändern nichts daran, dass Virgina Raggi, der Stern von Rom, an Glanz verloren hat. Schon im Sommer hatte sie mit Müllbergen in der Stadt zu kämpfen.
Dabei konnte sie zwar mit einigem Recht viel Schuld auf den Vorgängerregierungen abladen. Die haben schließlich dafür gesorgt, dass die Müllentsorgung in Rom Rekordsummen verschlingt, dass es keine ausreichenden Entsorgungskapazitäten gibt, und stattdessen der Müll weit weg gebracht werden muss – auch in Verbrennungsanlagen in Deutschland.

Die Hoffnung schwindet, dass sich etwas ändert

Doch die neuen Skandale machen nicht gerade Hoffnung, dass sich daran etwas ändert. Druck bekommt Virginia Raggi inzwischen auch aus den eigenen Reihen. Denn der Erfolg in Rom ist für die Fünf-Sterne-Bewegung zur Existenzfrage geworden, spätestens seitdem Beppe Grillo, der Übervater der Bewegung, gesagt hat:
"Sie setzen darauf, dass wir hier ein Jahr regieren, und dann müssen wir den Haushalt vorlegen. Wenn wir das nicht schaffen, gibt es Neuwahlen. Und wenn es in dieser Stadt zu Neuwahlen kommt, ist die Fünf-Sterne-Bewegung am Ende."
An einen Haushalt ist zur Zeit nicht zu denken. Virginia Raggi muss eine schwere Krise überstehen und jetzt erst einmal dafür sorgen, dass sich die Fünf Sterne in Rom nicht völlig blamieren.
Doch ihre Stadtregierung ist nicht arbeitsfähig, und die Hoffnungen vieler Wähler auf schnelle Reformen dürfte Sie schon jetzt enttäuscht haben. Vielleicht gibt es aber auch zu viele Großbaustellen in Rom und vielleicht fehlt der smarten Bürgermeisterin die Macht, um sie anzugehen, sagt Pietro Senaldi, von der Zeitung "Libero":
"Virginia Raggi zeigt eine gewisse Beschränktheit. Der Grund ist, weil sie nicht von sich aus stark ist. Sie verdankt ihre Macht der Fünf-Sterne-Bewegung. In Rom hat nicht Raggi gewonnen, sondern die Fünf Sterne. Und jetzt bekommt Raggi ihre Schwäche zu spüren und die große Orientierungslosigkeit der Fünf Sterne. Tatsächlich geht es um ganz Italien und deshalb glauben alle, berechtigt zu sein, ihre Nase in römische Angelegenheiten zu stecken um die Partei auf nationaler Ebene zu retten."

Renzi hat deutlich an Popularität verloren

Dabei war die Lage für die Fünf Sterne eigentlich günstig wie nie: Matteo Renzi, der Regierungschef, hat viel an Beliebtheit verloren. Und in ein paar Monaten muss er eine Volksabstimmung über seine Verfassungsreform gewinnen – für den Fall, dass es keine Mehrheit gibt, hat er seinen Rücktritt angekündigt.
Ein Elfmeter für die Fünf Sterne, die eigentlich durchs Land ziehen wollten, um gegen die Reform mobil zu machen.
Und so könnte Matteo Renzi am Ende profitieren. Manch einer behauptet: Er habe einkalkuliert, dass die Fünf Sterne in Rom scheitern und damit auch landesweit großen Schaden nehmen. Ob das so stimmt oder nicht, die Fünf Sterne haben ein Problem in Italiens Hauptstadt – und damit auch im ganzen Land.
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