Cécile McLorin Salvant

Coolness, Eleganz und Melancholie

Cecile McLorin Salvant singt während des Festivals Jazz in Marciac.
Beim Jazzfest Berlin 2015 gab Cécile McLorin Salvant das Eröffnungskonzert © dpa/ picture-alliance/ Michel Viala
Von Matthias Wegner · 16.02.2016
Die Jazzmusikerin Cécile McLorin Salvant, eine US-Amerikanerin mit französisch-haitianischen Wurzeln, gewann bereits 2010 einen bedeutenden Nachwuchswettbewerb. Der große Durchbruch ist ihr nun gelungen – mit dem Gewinn des Grammy.
"Früher war ich noch sehr mit mir selbst beschäftigt. In der Musik, die ich mochte, ging es oft um Schmerz und Leid, am intensivsten waren die Momente, in denen ich weinen musste... Mittlerweile mag ich auch die Freude, die in der Musik steckt. Eine Mischung aus Freude und Leid mag ich am liebsten. Und diese Mischung möchte ich mit den Leuten teilen und ihnen näher bringen."
Cécile McLorin Salvant, diese bezaubernde Sängerin, fiel nicht einfach so vom Himmel. Bereits im Jahr 2010 gewann sie den bedeutenden Thelonious-Monk-Wettbewerb als beste Nachwuchssängerin des Jahres im amerikanischen Jazz. Danach galt sie noch unverschämt lange als Geheimtipp, brachte ihr erstes eigenes Album noch im Selbstvertrieb heraus, bis sie dann mit "Mack Avenue" zumindest ein gut aufgestelltes mittelgroßes Indie-Label für ihre Musik begeistern konnte.
Nun scheint alles richtig los zu gehen, die Hallen und Festivals werden immer größer – die Resonanz ist gigantisch. Cécile McLorin Salvant ist der nächste große Superstar im Jazz – mittelfristig gleichzusetzen mit ihrem männlichen Kollegen Gregory Porter. Dabei hat ihre Musik gar nichts wahnsinnig Originelles oder besonders Raffiniertes. Sie ist sogar sehr stark in der Tradition verhaftet.

"Manchmal reicht es, nur ein Sandkorn in der riesigen Musikgeschichte zu hinterlassen"

"Viele Menschen wollen einzigartig und kreativ sein und am liebsten die Welt verändern. Doch manchmal reicht es doch schon aus, wenn Du nur einen winzigen Punkt, ein Sandkorn in dieser riesigen Musikgeschichte, in diesem großen Universum hinterlässt – das ist schon eine Menge, das ist enorm viel. Nicht jeder kann Charlie Parker, John Coltrane, Duke Ellington oder Louis Armstrong sein und die Welt verändern."
Céciles Wurzeln sind weitverzweigt. Ihre Mutter ist Französin, ihr Großvater stammt aus Guadeloupe und ihr Vater aus Haiti. Sie selbst wurde 1989 in Miami geboren. Nach der Schule ging sie dann zum Studieren nach Frankreich und lebte einige Jahre in Aix-en-Provence, wo sie vor allem Jura und Politikwissenschaft studierte, doch auch schon bald die ersten Auftritte als Sängerin hatte. Nach dem bereits erwähnten Gewinn des Thelonious-Monk-Wettbewerbes im Jahr 2010 drängte sie es in die Metropole des Jazz – nach New York.
"Ich bin wirklich auf den Geschmack gekommen, als ich die ganzen Musiker bei dem Monk-Wettbewerb getroffen habe, die alle aus New York kamen und die meinten, ich müsse auch dorthin kommen – und ich wollte dann herausfinden, was dort wirklich passiert."
Von großer Bedeutung war für Cécile McLorin Salvant die Begegnung mit dem Trompeter und Chef von "Jazz at Lincoln Center" Wynton Marsalis, der sofort erkannte, was für eine besondere Musikerin da vor ihm stand. Wynton lud sie zu Konzerten ein, führte sie in die Szene ein und lernte dort schließlich den früheren Pianisten von Wynton Marsalis kennen, der heute an den Tasten ihrer Band sitzt: Aaron Diehl. Er ist mittlerweile einer der wichtigsten Jazzmusiker seiner Generation und gehört zu Céciles Working-Band, die nun auch das neue Album eingespielt hat.
"Meine Musiker verkörpern etwas Telepathisches in ihrem Spiel. Sie können in so viele musikalische Richtungen gehen, aber vor allem swingen sie einfach! Wenn man sie hört, dann will man sofort tanzen. Sie sind sehr einfühlsam, protzen nie mit ihren Möglichkeiten, auch wenn sie durchaus kraftvoll spielen können, wenn es nötig ist. Sie spielen Straight Ahead-Jazz mit großer Freude. Und das fühlt sich funky, modern und frisch an – ihr Spiel leuchtet sehr stark."

Erinnerung an die großen Jazz-Ladys

Cécile McLorint Salvant verkörpert eine große Intensität und eine umwerfende Schönheit in ihrer Musik.Lange hatte man auf so eine Stimme gewartet. Auf eine Sängerin, die mit einer sympathischen Mischung aus Coolness, Eleganz und Melancholie überzeugend an große Ladys des Jazzgesanges wie Billie Holiday oder Sarah Vaughan anknüpft und deren Erbe mit eigenem Charakter weiterführt.
Daran scheitern normalerweise fast alle. Cécile jedoch verkörpert die komplette Jazz-Historie und befindet sich damit dennoch absolut im Hier und Jetzt. Und sie geht noch einen Schritt weiter. In ihrer Musik steckt mittlerweile nämlich auch eine soziale Dimension. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, Spannungen zwischen Schwarzen und Weißen – diese und andere gesellschaftspolitische Themen stecken in ihren Texten, wenn auch nicht vordergründig.
"Die Leute, die meine Platten kaufen und die meine Musik hören sind vermutlich keine heftigen Rassisten oder Sexisten, doch etwas davon steckt wahrscheinlich in uns allen. Natürlich kann auch eine schwarze Frau rassistisch oder sexistisch sein, auch wenn bestimmte Sachen nie ausgesprochen werden. Über solche Sachen mache ich mir manchmal Gedanken und ich will sie nicht herausschreien, aber ich möchte wenigstens einige Frage stellen."