CDU-Parteireform

Keine Revolution, sondern Evolution

Fahnen im Wind: Ist die CDU noch Heimat des Bürgertums?
Das Reformkonzept soll am 13. Juli vom Parteivorstand beschlossen werden. © dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini
Von Stephan Detjen · 04.07.2015
Eine CDU-Kommission hat heute ein Modernisierungskonzept der Parteiarbeit verabschiedet. Darin heißt es, die CDU strebe "eine Mitgliederstruktur an, die die Vielfalt der Gesellschaft abbildet". Zugespitzte Positionen wie die Öffnung der Ehe bleiben jedoch ausgeklammert.
Am Anfang der Woche feierte die CDU ihren 70. Geburtstag. Am Ende der Woche verordnet sie sich eine - sagen wir: behutsame - Verjüngungskur. Keine Revolution, sondern Evolution, sagt Generalsekretär Peter Tauber. Am Vormittag beendete er die Arbeit einer CDU-internen Reformkommission, die Vorschläge für Veränderungen in der Parteiorganisation, bei der Mitgliederbetreuung sowie innerparteilichen Entscheidungsprozessen ausarbeiten sollte.
"Unseren Mitgliedern ist wichtig eine unmittelbarere Beteiligung, beginnend auch auf der örtlichen Ebene",
Peter Tauber, Generalsekretär der CDU.
Peter Tauber, Generalsekretär der CDU.© picture alliance / dpa / Lukas Schulze
fasst Tauber die Ergebnisse einer Umfrage zusammen, bei der alle gut 452.000 CDU-Mitglieder aufgerufen waren, Vorschläge für Verbesserungen der Parteiarbeit einzubringen.
Information und Diskussion übers Internet
Das heute beschlossene Reformpapier sieht unter anderem vor, dass Mitglieder künftig auch unabhängig von ihren Kreis- und Landesverbänden sowie den mächtigen sozialen Gliederungen der Partei leichter Gruppenanträge auf Parteitagen einbringen können. Auf allen Ebenen sollen Information und Diskussion über das Internet angeregt werden. Nur bei der für die CDU wohl heikelsten Entscheidung der kommenden Jahre halten sich die Mitglieder - zumindest noch - zurück:
"Spannend ist übrigens auch, weil das am Anfang eine häufig gestellte Frage war, dass der Wunsch, einen künftigen Kanzlerkandidaten zu nominieren, von den Mitgliedern nicht geäußert wurde."
Engagement in einer Partei ist für die meisten Mitglieder eher mit der Erwartung verbunden, das unmittelbare Lebensumfeld in Städten und Gemeinden mitbestimmen zu können. Julia Klöckner, Spitzenfrau der CDU in Rheinland Pfalz und auch auf Bundesebene eine der Nachwuchshoffnungen der Partei, hat sich in den letzten Monaten eine Arbeitsgruppe geleitet, die Positionen der CDU zu Fragen der Nachhaltigkeit und Lebensqualität formulieren sollte. Es ging - mal abstrakter, mal konkreter - um Verbraucherschutz, Landwirtschaft und neue Wirtschaftsmodelle in der sogenannten Sharing Economy:
"Bisher glaubt man, wenn wir Car-Sharing haben, dass wir weniger Autos auf der Straße haben werden. Das ist nicht automatisch so, sondern es könnte auch so sein, dass wir am Ende mehr Parkraum brauchen."
Ähnlich bewegen sich auch andere in den letzten Monaten formulierte Programmpapiere zwischen allgemeinsten Lebensweisheiten und praktischer Lebenshilfe. Parteivize Thomas Strobl schöpfte in seiner Programm-Kommission, in der es um die "Zukunft der Arbeit" ging, aus den Lebenserfahrungen im eigenen Nahbereich:
"Mein Neffe ist zehn Jahre alt und hat jetzt ein Smartphone bekommen. Er war der letzte in seiner Klasse."
Bildungssystem soll moderner werden
Also, lautet der Ratschluss der CDU-Programmatiker, muss das Bildungssystem moderner werden:
"In der Klasse eines Zehnjährigen ist es heute so, dass die alle digital arbeiten. Nur einer vorne nicht. Der hat noch ein Stück Kreide und einen nassen Schwamm in der Hand. Und deswegen haben wir ein Kapitel zur Bildung überschrieben: 'Das Ende des Kreidezeitalters'."
Dem wird auch bei der politischen Konkurrenz niemand ernsthaft widersprechen. Die CDU aber will Volkspartei sein und bleiben. Dieser Anspruch verträgt sich schlecht mit zugespitzten und polarisierenden Positionen. Streitfragen wie die Öffnung der Ehe bleiben ausgeklammert. Von internen Richtungsstreitigkeiten zwischen Reformern und konservativem Establishment ist wenig zu spüren.
Der legendäre Satz Christian Wulffs zum Islam, der die CDU einst aufwühlte, wird in einer von NRW-Parteichef Armin Laschet geleiten Kommission vorsichtig modifiziert und ins programmatische Gemeingut der CDU integriert:
"Nach dem jüdischen Leben gehört heute der Islam zu Deutschland. Er ist selbstverständlicher Teil der deutschen Gesellschaft."
Für neue Mitglieder will sich die CDU mit solchen Positionsbestimmungen öffnen. Für Muslime, urbane Jungwähle rund für Frauen. Schon in diesem Frühjahr hat die CDU die SPD überholt und ist mit einem knappen Vorsprung von 2000 Mitgliedern die mitgliederstärkste Partei in Deutschland.
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