Castorfs "Baal" in München

Brechts Erben enterben geht nicht

Frank Castorf, Theaterregisseur und Intendant der Berliner Volksbühne, aufgenommen 2007.
Noch ist offen, ob der Verbotsversuch der Brecht-Erbin gegen Frank Castorfs "Baal" Erfolg haben wird. © Jack Guez / AFP
Von Hartmut Krug · 02.02.2015
Bertolt Brechts Tochter Barbara ist bekannt dafür, ihr nicht genehme Inszenierungen zu reglementieren - jetzt hat es Regisseur Frank Castorf erwischt. Man solle sich arrangieren, bittet Theaterkritiker Hartmut Krug, denn Castorf blase die Staubschicht vom "Baal".
Brecht wachte zwar äußerst genau mit Regiebüchern über die Realisierung seiner Werke, doch er selbst bediente sich bei anderen Autoren, ob sie Gorki oder Villon hießen. Was zumindest die Vermutung nahelegt, er würde in heutiger Zeit, in der Regisseure das Textsampeln und Bearbeiten von Stücken als selbstverständlich ansehen, dies für seine Stücke nicht völlig ablehnen. Seine Tochter Barbara Brecht-Schall, die die Verwalterin der Brecht-Erben GmbH, erlaubt zwar, dass man Sätze aus Stücken von Brecht streicht. Aber zu den Worten von Papa darf kein fremdes hinzu gefügt werden.
So kann geistiges und künstlerisches Erbe nicht nur lukrativ sein, sondern auch zum Problem werden. Vor allem bei Theaterstücken, die ja erst von Dramaturgen, Regisseuren und Schauspielern zum Bühnenleben gebracht werden müssen. Vor diesem Bühnenleben aber bauen sich gern die Erben auf. Meist sind das die Kinder. Die müssen das geerbte Kunstwerk nicht unbedingt verstehen, um über dessen Verwendung zu entscheiden. Doch hat Barbara Brecht-Schall das bürgerliche Recht auf ihrer Seite, um Inszenierungen bis 70 Jahre nach dem Tode des Dichters zu erlauben oder zu verbieten. Also besitzt die 84-jährige Barbara Brecht-Schall noch 11 Jahre des Verfügungsrecht über ihren Brecht.
Etliche Inszenierungen mit Verboten verhindert
Ihr Versuch, durch den Bühnenverlag Suhrkamp Frank Castorfs Münchner Baal-Inszenierung zu verbieten, reiht sich ein in ihre gefürchteten Reglementierungen von Brechtinszenierungen. Schlöndorffs Baal-Film mochte sie nicht, Schleefs "Galileo"-Projekt lehnte sie ab mit der Bemerkung "Sieben nackte Kardinäle an der Bühnenrampe, das brauche ich nicht." Was ihr gutes Recht war. Nachdem sie etliche Inszenierungen mit Verboten verhindert hatte, schrieb der Kritiker Benjamin Henrichs Anfang der 1980er-Jahre, unterstützt von den Theatermachern Peymann, Flimm und Steckel und mit Hinweis auf die als Dreigroschenerbin bezeichnete Brecht-Tochter: "Enterbt die Erben".
Nun, das geht nicht. Man muss sich arrangieren. Merkwürdig: Es gibt einen gültigen Vertrag zwischen dem Bühnenverlag und dem Residenztheater München für die Castorf-Inszenierung. Und dass dieser stets fremde Texte in seine Vorlagen injiziert, ist bekannt. Nur augenscheinlich Frau Brecht-Schall nicht. Die schaut sich nicht mehr wie früher die Inszenierung vorher an, die sie nun zu verbieten sucht, sondern liest nur die Kritiken. Man mag Castorfs Inszenierung mögen oder nicht, immerhin bläst sie die dicke Staubschicht von Brechts "Baal", die vor kurzem auch über einer Neuinszenierung am Deutschen Theater Berlin lag. Ob der Verbotsversuch Erfolg haben wird, scheint offen. Schließlich gibt es einen gültigen Vertrag.
Zur Not aber muss Frank Castorf seinen "Baal" so umarbeiten, dass er nur einen neuen Titel findet.
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