Cartoonist

Glück geht mit Liebe ans Werk

Eine Mitarbeiterin des Museums betrachtet Bilder der Ausstellung "Gerhard Glück: Komische Kunst" im Wilhelm Busch Museum in Hannover, die vom 17. Juni bis zum 2. September 2007 zu sehen war.
Die Bilder von Gerhard Glück haben längst auch museale Weihen erhalten. © picture alliance / dpa / Peter Steffen
Von Rudolf Schmitz  · 03.09.2014
Er ist ein Meister des Absurd-Komischen und bekommt in Kassel eine eigene Ausstellung: Das Museum Schloss Wilhelmshöhe zeigt Werke des Cartoonisten Gerhard Glück. Bekannt sind seine Parodien auf Meisterwerke berühmter Künstler.
Eine kleine Figur mit Staffelei unter dem Arm kämpft sich am Meeresufer entlang durch einen farbigen Flockensturm. Textzeile darunter: "William Turner auf dem Weg zur Arbeit". Eines der ersten Werke des Cartoonisten Gerhard Glück, das sich den schicksalhaft grotesken Momenten im Leben berühmter Künstler widmet. Der in Kassel lebende Cartoonist weiß noch genau, wo und wie dieses Blatt zustande kam.
Gerhard Glück: "Das war in einem Ferienhaus, einem kleinen, direkt hinterm Deich, in Holland, es war April, draußen tobte das Meer, und es hatte genau die Atmosphäre, die ich mir vorstellte, wenn William Turner zur Arbeit ging".
Und das Sujet passt wunderbar zur musealen Umgebung, in der Gerhard Glück nun annähernd 80 Werke zeigt: im Museum Schloss Wilhelmshöhe, in der Abteilung der niederländischen Barockmalerei und Seestücke. In einem Korridor, der das Hoheitsgebiet der "Alten Meister" durchschneidet, dürfen Glücks Cartoons jetzt ihren milden Spott verbreiten. Gerhard Glück erinnert sich, wie es nach dem William-Turner-Geniestreich weiter ging:
"Darauf folgte zum Todesjahr von Van Gogh 1990 das größere Gemälde "Vincent klaut wieder Sonnenblumen", und zwischendurch gibt es auch kleinere Arbeiten, wie der Sonnenuntergang am Meer, wo der Maler etwas zu langsam ist und langsam die Sonne untergeht, und sich am Ende dann auf seinen Malhocker stellt, um noch den Rest der Sonne mit zu erleben. Das sind dann so kleine Einschübe, die sich sukzessive in den Jahrzehnten verdichtet haben".
Holländerin mit Quarkmaske
Gerhard Glück geht mit viel Liebe zu Werk. Seine "Junge Holländerin mit alternder Quarkmaske" zum Beispiel unterscheidet sich fast nur in diesem kaschierenden Detail von dem berühmten jungen Mädchen mit dem Perlohrring, wie es Vermeer auf die Leinwand gebannt hat. Oder wenn ein knollennasiger Herr mit Barett in brauntoniger Umgebung verschwimmt und das Ganze "Vermutlich Rembrandt" heißt, dann ist das ein sehr anmutiger Kommentar zur leidigen Zu- und Abschreibungsdebatte. Besonders passend in einem Museum, das immerhin über 12 garantiert echte Rembrandts verfügt. Man möchte dem Museum Schloss Wilhelmshöhe gratulieren, dass es den Mut und den Humor gefunden hat, Gerhard Glücks Kunst-Cartoons in den eigenen heiligen Hallen zu zeigen. Denn die nehmen auch den grassierenden Kunsttourismus gehörig auf die Schippe. Wenn man zum Beispiel auf einem seiner Museumsbilder nur noch die Masse der lüsternen Betrachter sieht, die alle in unsere Richtung starren und ihre Cameras und Handys zücken. Titel: "Aus dem Leben der Mona Lisa". Da kann einem die Mona Lisa nun wirklich leid tun. Aber so sieht es heute aus, im Louvre oder bei all den anderen Blockbuster-Ausstellungen:
"Ich habe mal vier Stunden in Tübingen vor einem Museum gestanden, um mir eine Cezanne-Ausstellung anzuschauen, es kam ein Gewitter, ich stand draußen, aber nicht nur ich, sondern 100 andere, und sah zwischenzeitlich, dass man eigentlich alles falsch gemacht hat. Man muss vorher anmelden, man muss einer Gruppe zugehörig sein, man muss mit einem Bus kommen, einen beigefarbenen Mantel tragen, und vorher auch Kaffee getrunken haben, und dann kommt man eigentlich relativ schnell in ein solches Museum".
Kuchenessen mit Kopfhörer
In einem kleinen Kabinett der Kasseler Ausstellung stößt man auf Fotografien von Gerhard Glück: Schnappschüsse aus der irren Welt des Kunst-Hypes und der "Ausstellungen-die-man-nicht-versäumt-haben-darf". Dürer in Frankfurt: Glücks Fotografie zeigt erschöpfte Besucher auf einer inselförmigen Sitzgruppe – das wirkt wie eine unfreiwillige Version vom "Floss der Medusa". Oder das Ehepaar in der trostlosen Caféteria des Bode-Museums, das die Kopfhörer des Audio-Guides gar nicht erst abnimmt ...
"Weil ich das sehr putzig fand, dass man beim Kuchenessen und Kaffee trinken mit dieser Stoik die wirklich großen Kopfhörer auf dem Kopf behält und ich überlegte mir: Wie wollen die jetzt eigentlich miteinander noch kommunizieren am Tisch?"
Fotos wie diese finden augenblickliche Umsetzung in weiteren Cartoons über den Kunstbetrieb und seine Merkwürdigkeiten. Das Schöne ist, dass Gerhard Glück niemals bösartig wird, sondern immer eine Grundsolidarität mit Massenmensch und Künstlerindividuum wahrt. Was wünscht er sich, wenn die Besucher vor seinen Blättern stehen und sehen, wie ein Rentnertrupp in Polonaise-Formation ins Museum einmarschiert oder Picasso mit einem Pappkarton auf dem Kopf Braque den Kubismus erläutert?
"Dass sie sich selbst entdecken und dass sie vielleicht auch den einen oder anderen krummen Blick mal entwickeln für das, was Maler so alles treiben".
Viel Vergnügen kann man da nur wünschen. Kunstbetriebskritik nicht mit der Keule, sondern mit der leichten und spöttisch zugespitzten Feder. Und danach vielleicht noch mal ein Gang durch die anderen Stockwerke des Kasseler Schlossmuseums. Mit ganz anderem Blick ...