Carl Philipp Emanuel Bach

Ein neuer Ton aus Preußen

Carl Philipp Emanuel Bach in einer zeitgenössischen Darstellung
Carl Philipp Emanuel Bach - ein "Originalgenie" © picture-alliance / dpa
Von Arne Reul · 25.09.2014
Carl Philipp Emanuel Bach war 30 Jahre Konzertcembalist bei Friedrich dem Großen. Sonderlich geschätzt wurde er am Hofe aber nicht. Dabei gehört Bach zu den wegweisenden Komponisten der nachfolgenden klassischen Epoche. - Eine Spurensuche in Berlin.
Wolfgang Feyerabend: "An der Ecke Friedrichstraße/Jägerstraße, wo heute das Quartier 206 steht, befand sich das Haus des Berliner Verlegers von Carl Philipp Emanuel Bach: Winter. Und durch eine Briefstelle wissen wir, dass Carl Philipp Bach im Hause Winters mit seiner Familie gewohnt hat, wahrscheinlich ab den späten 50er-Jahren, als die Zusammenarbeit mit diesem Verleger begann. Und hier ist noch einmal so eine Nahtstelle: Der Verleger, mit dem man nicht nur zusammenarbeitet, sondern auch zusammenwohnt, wo sich eine ganz enge und feste Beziehung dann ergibt."
Wir stehen mit dem Stadthistoriker und Autor Wolfgang Feyerabend in Berlins Bezirk Mitte. Dort, wo heute der mondäne Einkaufstempel des Quartiers 206 gleich gegenüber der Galerie Lafayette steht, hat Feyerabend den einzigen heute noch nachweisbaren Wohnort von Carl Philipp Emanuel Bach ausfindig machen können. Nach seiner Kenntnis lebte der damals in ganz Europa berühmte Bach-Sohn vorwiegend im Zentrum von Berlin.
Verwunderung stellt sich ein! Warum wohnte der Musiker nicht in der gut 20 Kilometer entfernten Residenzstadt Potsdam, wo er abends als Konzertcembalist von Friedrich dem Großen mit dem König zu musizieren pflegte? Offenbar war es ihm wichtig, wann immer er konnte dem Hof den Rücken zu kehren. Denn Berlin offerierte ihm Möglichkeiten, die ihm Friedrichs abgeschiedenes Sommerschlösschen Sanssouci niemals hätte bieten können. So schuf sich Bach in Berlin eine zweite künstlerische Existenz, die für ihn weit wichtiger war, als der immer unliebsamer werdende Dienst beim Flöte spielenden König. Carl Philipp Emanuel erkannte und nutzte dabei die Möglichkeiten, die ihm ein neues, kunstsinniges und aufstrebendes Bürgertum boten.
Begeben wir uns also noch etwas weiter auf seine Spuren in einer Stadt, in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein beeindruckender Aufbruchsgeist herrschte, den Carl Philipp Emanuel Bach selbst wesentlich mitprägte.
1758, also just um die Zeit, in der Carl Philipp Emanuel Bach mit seiner Familie in das Haus seines Berliner Verlegers Georg Ludewig Winter zieht, erscheint in dessen Verlag die erste Liedsammlung von Bach, mit dem Titel:
"Herrn Professor Gellerts geistliche Oden und Lieder mit Melodien"
Diese Sammlung macht Bach schlagartig zu einem der angesehensten Liedkomponisten Deutschlands. Allein zu seinen Lebzeiten werden die Lieder fünf Mal neu verlegt.
Zirkel von Intellektuellen und Künstlern
Läuft man von Bachs Wohnung aus über dem Gendarmenmarkt nach Osten und überquert sodann die Spree, befindet man sich im Nikolaiviertel, dem ursprünglichsten Teil von Berlin. Hier steht die 1230 errichtete Nikolaikirche, das älteste erhaltene Bauwerk Berlins.
Am Nikolaikirchplatz befindet sich auch das einstige Wohnhaus von Gotthold Ephraim Lessing. Der aufklärerisch gesonnene Dichter schart in seiner Berliner Zeit einen Zirkel von Intellektuellen und Künstlern um sich. Wolfgang Feyerabend stellt einige von ihnen vor:
"Am Nikolaikirchplatz 7 wohnte Lessing und im Hause Lessings verkehrten Friedrich Nicolai, der Verleger, Schriftsteller. Andere Carl Wilhelm Ramler, der Dichter und Aufklärer und auch Carl Philip Emanuel Bach."
Die Bezeichnung "Berliner Liederschule" geht in die Musikgeschichte ein, denn nirgendwo sonst werden um 1750 so viele Lieder komponiert wie in Berlin. Eine Rezension der Gellert-Oden von 1766 beschreibt zugleich Stil und Anspruch der Bachschen Lied-Vertonungen:
"Man verkennet auch in diesem Odenmelodien den feurigen und erfindungsreichen Geist unsers Herrn Bach nicht. Sie scheinen zwar eigentlich mehr zum Clavierspielen als zum Singen eingerichtet zu seyn. Indessen findet doch ein durch gute Vorübungen genugsam zubereiteter Hals herbey vielfägltige Gelegenheit, sich im guten Vortrage der kleinen Manieren, im Treffen verschiedener nicht ganz leichter Tonfolgen und überhaupt im Ausdrucke fertiger und sicher zu machen."
Diese Beurteilung findet sich in Friedrich Nicolais Rezensionszeitschrift "Allgemeine Deutsche Bibliothek", das für die Aufklärung wichtigste Publikationsorgan in deutscher Sprache. Hier erscheinen zahlreiche Besprechungen der Bachschen Werke, die dazu beitragen den Komponisten in ganz Deutschland bekannt zu machen. In der Brüderstraße 13 steht noch heute das prächtige Bürgerhaus von Nicolai, indem sich auch die damals vielbeachtete Verlagsbuchhandlung befand.
Wolfgang Feyerabend: "Die Funktion Nicolais als Verleger ist unschätzbar ... Man muss sich das vorstellen, da ist einer, der besitzt einen Verlag, der kann Bücher, Zeitschriften drucken, was er dann auch macht - zusammen mit Moses Mendelssohn, mit Lessing. Und hier war man ganz an der Quelle gleich bei Nicolai - wenn man mit ihm befreundet war. Das ist ein ganz wichtiger Mann gewesen in Berlin, der auch die Kreise zusammengebracht und zusammengehalten hat."
Sicher ist es kein Zufall, dass sich Nicolais Anwesen nur wenige Gehminuten zwischen Lessings und Bachs Wohnhaus befindet. Die Künstler und Intellektuellen treffen sich allerdings eher selten bei Nicolai zu Hause, vielmehr nutzt man ein in derselben Straße gelegenes Lokal.
Feucht-fröhliche Abende in der Baumannshöhle
Wolfgang Feyerabend: "In der Brüderstraße befand sich außerdem die Baumannshöhle, ein Weinkeller, in dem sich die Aufklärer trafen. Und hier diskutierte man über Gott und die Welt. Das waren natürlich auch fröhliche Abende, da wurde mächtig gezecht, aber das hielt auch zusammen und hier konnte man sich austauschen. Außerhalb der Hofetikette!"
Solche geselligen Zusammenkünfte, kommen Bachs Naturell entgegen. Seine offene und unkomplizierte Art sowie sein geistreicher Humor machen ihn im Kreise der Künstlerfreunde zu einem gern gesehenen Gast. Bach wird damit zu einem wichtigen Protagonisten des neuen kunstsinnigen Berliner Bürgertums. Er lernt dabei zugleich neue Netzwerke aufzubauen, die seinem eigenen Fortkommen dienen. Dies gilt insbesondere für seine Klaviermusik, hier findet er zu Lebzeiten die größte Anerkennung.
"Sein heutiges Spielen bestärkte meine Meinung, dass er nämlich nicht nur der größte Komponist für Klavierinstrumente ist, der je gelebt hat, sondern auch im Punkte des Ausdrucks der beste Spieler."
So äußert sich der Musikschriftsteller Charles Burney nach einem Besuch bei Carl Philipp Emanuel Bach. Auch der musikbegeisterte Flötenspieler Friedrich der Große wird auf den Klaviervirtuosen aufmerksam. Als er 1740 nach seinem Regierungsantritt einen europaweit angesehenen Musenhof errichtet, holt er den berühmten Klaviervirtuosen zu sich.
Silke Kiesant, Kustodin der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Berlin-Brandenburg, erläutert bei einer Führung durch Sanssouci, wie der Maler Menzel die Szenerie des musizierenden Königs verewigt hat:
"Das Zimmer ist erleuchtet mit Kerzen und mit dem Kronleuchter aus Bergkristall, man sieht am Hammerflügel Carl Philipp Emanuel Bach sitzen, man sieht auch auf diesem Gemälde - und so kann man sich das sicherlich vorstellen - wie die beiden aufeinander Bezug nehmen und sich vielleicht zunicken, um den Takt gleichzeitig zu bekommen. Und man sieht eben auch so eine kleine Gesellschaft. Das sind natürlich Mitglieder der Hofkapelle, aber es sind eben auch private Gäste des Königs, enge Freunde des Königs, die hier natürlich zu gegen waren."
Erhalten geblieben - und in Friedrichs Musikkammer ausgestellt - ist auch der Hammerflügel, auf dem einst Carl Philipp Emanuel Bach spielte. Es handelt sich um das innovativste Tasteninstrument der damaligen Zeit.
Das Originalgenie
Carl Philipp Emanuel Bach komponiert Klaviermusik, die für dieses neuartige Instrument mit seinen dynamischen Differenzierungsmöglichkeiten wie geschaffen ist. Mehr noch: Die Klaviermusik bekommt eine bisher ungeahnte Ausdrucksqualität, die zugleich eine ganz neue Stilistik in die Musik bringt. Der damals in Mode gekommene Begriff des "Originalgenies" trifft zu jener Zeit auf keinen besser zu als auf ihn: Carl Philipp Emanuel Bach.
Einer seiner ersten Sonatensammlungen - die sogenannten "Preußischen Sonaten" - widmet Bach seinem Dienstherrn Friedrich II. Doch der ist für die moderne Musik Bachs nur wenig empfänglich. Auch in der Bezahlung spiegelt sich diese Geringschätzung wieder: Darf sich sein Flötenlehrer Johann Quantz über einen Jahresverdienst von 2000 Talern freuen nebst Extraverdienst für seine vielen Flötenstücke, muss sich Bach mit 300 Talern begnügen.
Doch Bach kompensiert die geringe höfische Entlohnung mit einer ausgeprägten privaten Geschäftstüchtigkeit, bei der ihm die mit ihm befreundeten Berliner Händler und Verleger helfen. Ein von Berlin ausgehendes Netzwerk von Pränumeranten, also Käufern, die schon vor der Drucklegung die profitable Abnahme der Musikstücke und Sonatensammlungen garantieren, erstreckt sich von Kopenhagen, London und Riga bis nach Prag, Warschau und Wien. So erscheinen Bachs stilbildende neue Sonaten überall im Druck und genießen zumindest jenseits von Friedrichs Hof große Beachtung.
"Meine Sonaten gehen ab, wie warme Semeln, bey der Börse auf dem Leipziger Naschmarkte."
Schreibt Bach in einem Brief an einen seiner Verleger. Auch Joseph Haydn kauft Bachs "Preußische Sonaten", sie dienen ihm, wie er selbst zugibt, als Vorlage für seinen eigenen Stil.
"Wer mich gründlich kennt, der muß finden, daß ich dem Emanuel Bach sehr viel verdanke, daß ich ihn verstanden und fleißig studiert habe."
"Berliner Bachkult"
Bei aller internationalen Anerkennung, bleibt Berlin maßgebliches Zentrum einer Bachpflege. So bringt die Schwester von Friedrich II., Anna Amalie von Preußen, selbst eine ambitionierte Komponistin und Klavierspielerin, der gesamten Bachfamilie größte Bewunderung entgegen. Sie verleiht Carl Philipp Emanuel Bach den Titel des Hofkapellmeisters, der ihr zum Dank gleich mehrere Sonatensammlungen widmet. Anders als ihr Bruder weiß Anna Amalie um den Wert dieser Kompositionen. An der Entstehung eines als "Berliner Bachkult" zu bezeichnenden Phänomens, beteiligt sich aber auch das aufstrebende und kunstsinnige Bürgertum. Dies hat, so meint Christian Filips, Programmleiter der Singakademie zu Berlin, unmittelbar mit den damaligen Umbrüchen Berlins zu tun:
"Man hat hier eine Stadt vor sich, die recht ungeprägt von konfessionellen Bindungen ist. Und es gibt in dem religiösen Begehren, in der religiösen Struktur der Stadt eigentlich eine Lücke. Und ich glaube, was in diese Lücke hineintritt, ist eine neue Form von Kunstreligion. Und ich denke, dass der Bach-Kult, Ausdruck dieser neuen Form ist. Dass nämlich plötzlich die innovative Kraft eines Subjekts, eines Komponisten einen kultischen Status erhält. Das ist neu, das gab es nicht zuvor!"
Zu den Protagonistinnen, dieses Bach-Kults zählt auch die 1761 in Berlin geborene jüdisch-preußische Bankierstochter Sarah Levi, Großtante von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die ambitionierte Pianistin bewahrt und sammelt viele Notenmanuskripte des von ihr so verehrten Carl Philipp Emanuel Bach. Diese wertvolle Sammlung vermacht sie dem Direktor der Singakademie zu Berlin, Carl Friedrich Zelter. Ein willkommenes Geschenk! - Pflegt doch gerade dieser bürgerliche Chor seit seiner Gründung 1791 mit besonderer Leidenschaft das Werk von Johann Sebastian wie auch von Carl Philipp Emanuel Bach. Aber nicht nur das Vokalwerk der Bachs wird hier begeistert gesungen und aufgeführt. Zelter engagiert sich - Dank des wachsenden Notenfundus - auch für seine Instrumentalmusik und etabliert dafür ein eigenes Ensemble.
Christian Filips: "Diese sogenannte Ripien-Schule hat Zelter um 1809 ungefähr gegründet - 1807 tritt sie das erste Mal in Erscheinung. Und Zelter hat dort Instrumentalmusik von Carl Philipp - auch die Sinfonien und so aufgeführt - mit Berliner Bürgern, die Instrumente spielten und diese Musik in Erinnerung behalten wollten!"
Nach wie vor fühlt sich die Singakademie zu Berlin ihrer Bachtradition verpflichtet. Ereignisse aus der jüngsten Geschichte geben ihr hierfür einzigartige Möglichkeiten. So galt das legendäre Archiv der Singakademie, das die größte private Carl Philipp Emanuel Bach-Sammlung der Welt beinhaltet, nach dem Zweiten Weltkrieg als verschollen. Entsprechend spektakulär war 1999 die Wiederentdeckung des Archivs in Kiew durch ein Forschungsteam der Harvard University. Zwei Jahre später wurden die Bestände nach Berlin zurückgeführt. Für die kommenden Jahre darf man sich also auf zahlreiche Wiederaufführungen der Werke von Carl Philipp Emanuel Bach freuen.
Auch wenn Bach keine Oper komponiert hat, beweisen seine Kirchenmusikwerke, dass er durchaus das Potenzial dazu gehabt hätte. Zumal sein Dienstherr Friedrich der Große dafür sorgte, dass Berlin ein vorzügliches Opernhaus bekam.
Wolfgang Feyerabend: "Bereits als Kronprinz hatte Friedrich II mit seinem Architekten Knobelsdorf den repräsentativen Ausbau Berlins geplant. Und als erstes Gebäude fertiggestellt wurde das königliche Opernhaus unter den Linden. Und auch das hat meiner Meinung nach mit dazu beigetragen, dass sich ein bürgerliches Musikleben allmählich entwickeln konnte. Zwar war die Oper bestimmt vom Geschmack des Königs, aber bei freiem Eintritt!"
Gleichsam als Bringschuld oder Wiedergutmachung für Friedrichs konservativen Musikgeschmack, der nur Opern seines Kapellmeisters Carl Heinrich Graun und Johann Adolph Hasse zuließ, gründeten Musiker der Staatsoper Berlin das "Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach", das seit 1980 unter der künstlerischen Leitung von Hartmut Haenchen steht. Auch wenn das Orchester in diesem Jahr nach über 40 Jahren seine Konzerttätigkeit beendete, hat es sich doch bleibende Verdienste erworben. Für die Stellvertretende Konzertmeisterin, Susanne Schergaut, gab es mit dem Ensemble viel musikalische Pionierarbeit zu leisten:
"Alle Sinfonien, die wir der Reihe nach gespielt haben und auch eingespielt haben, hat jeder zum ersten Mal gespielt! Wir haben zum Teil aus Fotokopien gespielt, weil es gar kein gedrucktes Material gab. Flötenkonzerte, Cellokonzerte, Orgelkonzerte, all die Streichersinfonien - er hat sechs Streichersinfonien geschrieben - vier großen Orchestersinfonien. Das war alles nicht vorhanden. Also zum Teil wirklich notenmäßig nicht vorhanden und auf Aufnahmen schon gleich gar nicht."
Als Bachs Patenonkel, Georg Philipp Telemann, der die Stelle des Musikdirektors der fünf Hauptkirchen in Hamburg bekleidete, am 25. Juni 1767 stirbt, kann sich CPE Bach als Bewerber durchsetzen. Friedrich II. gewährt seinem Kammercembalisten nur ungern und erst "nach wiederholter alleruntertänigster Vorstellung" den Abschied. Drei Jahrzehnte hatte Bach in der preußischen Residenz gewirkt. Zielstrebig baut er in dieser Zeit sein kompositorisches Oeuvre auf und erfindet dabei - allem Neuen gegenüber aufgeschossen - einen singulären Stil, der ihn zu einer der angesehensten Komponistenpersönlichkeiten in Deutschland werden lässt.
Von der Baumansshöle ins Betahaus
Carl Philipp Emanuel Bach prägte von Berlin aus die Musikgeschichte - die Aussage legt mindestens eine Nachfrage nahe, nämlich : Und heute? In Berlin? Wie schaut es da mit Carl Philipp Emanuel Bach und der Berliner Kunstszene aus?
Was für Carl Philipp Emanuel Bach einst im Berlin des 18. Jahrhunderts die Baumansshöle war, wo sich die Dichter, Künstler und Verleger trafen, um gemeinsam neue Pläne zu schmieden, ist für die heutige Szene der Kreativen, die es nach Berlin zieht, das Betahaus in Berlin Kreuzberg.
Der damalige Zirkel von gleichgesinnten entspricht dem "Co-Working Space" des Betahauses, also große mit einer Cafeteria ausgestattete Räume, wo die umtriebigen Geister mit ihren Smartphones und Laptops an den Tischen sitzen, um Projekten zu verwirklichen.
Mittendrin die aus St. Petersburg stammende Elizaveta Barsegova, die vor zwei Jahren nach Berlin kam. Sie koordiniert fröhlich die Leute, die in dieser zwanglosen Arbeitsatmosphäre beisammen sitzen, moderiert und bringt Akteure zusammen. So entstehen manchmal aus spontanen Ideen neue Internet-Plattformen oder selbst gemanagten Start-up Unternehmen.
Auch typisch: Alle sprechen Englisch, denn die vielen Nationalitäten, die hier zusammenkommen, könnten sich sonst gar nicht verständigen.
Elisaveta Barsegova: "Was die Situation hier so fruchtbar und produktiv macht, sind die enormen Ressourcen der Leute. Hierher kommen Designer, Architekten, Übersetzer, Computerentwickler, Künstler und Fotografen. Und auf diesem Fundament kann man sich gegenseitig inspirieren und austauschen."
Kein Bereich in Berlin verzeichnet einen derartigen Boom wie die Kreativwirtschaft: Ein Drittel des Beschäftigungsaufbaus lief in jüngster Zeit über die Selbstständigkeit in diesem Bereich. Neben dem florierenden Tourismus - mit seinen allerdings schlecht bezahlten Jobs - hat Berlin auch nicht viel zu bieten. Die Arbeitslosigkeit zählt zu den höchsten aller Bundesländer. Berlin ist die einzige Hauptstadt der Welt, in der die Wirtschaftsleistung pro Kopf unter dem Landesdurchschnitt liegt. Durchschnittseinkommen: noch unterhalb von Ostfriesland!
Ein großes Potenzial für die Zukunftsfähigkeit der Stadt liegt daher in der Kreativwirtschaft mit ihren Bereichen neue Medien, Software-Entwicklung und Start-up Szene.
Allerdings ist dies an Voraussetzungen geknüpft, denn die 40.000 zumeist jungen Menschen, die jährlich von überallher nach Berlin strömen, müssen sich die Stadt auch leisten können - was im Zuge einer eskalierenden Immobilienspekulation alles andere als gewährleistet bleibt. Von Wohnungsinvestoren allein kann die Stadt nun mal nicht leben.
So müssten man den Wowereit-Spruch: "Arm aber sexy", genau genommen umdrehen: Sexy, weil arm! - und hoffen das erst mal alles so bleibt.
Elizaveta Bersegova: "Ich denke, was Berlin so sexy macht, ist einfach die Möglichkeit hier tun zu können was man will. Die Stadt ist eben günstig. Man lebt sein Leben und experimentiert und schaut einfach wie weit man damit kommt."