"Cairo Time"

Gesehen von Hans-Ulrich Pönack · 31.08.2011
Da ihr Mann beruflich verhindert ist, begleitet ein gemeinsamer Freund die US-Modejournalistin Juliette auf einer kulturellen und zutiefst persönlichen Sightseeing-Tour durch die ägyptisch Großstadt Kairo. Es kommt, wie es kommen muss: Die beiden verlieben sich ineinander.
Die am 6. Dezember 1972 in Montreal als Tochter eines Syrers und einer Palästinenserin geborene Drehbuch-Autorin, Regisseurin und Produzentin Ruba Nadda studierte in New York Filmproduktion. Schuf zahlreiche Kurzfilme, von denen mehrere preisgekrönt wurden. Im Jahr 2000 begann sie Langfilme zu drehen. "Cairo Time" ist ihr insgesamt vierter Spielfilm, der auf dem Festival von Toronto als "bester einheimischer Film" ausgezeichnet wurde. Vor allem auch, weil sie in der Hauptrolle glänzt: Es wird höchste Zeit, die wunderbare Südstaaten-Schönheit Patricia Clarkson zu würdigen. Wir kennen ihr Gesicht aus vielen Filmen, wo sie exzellent im Hintergrund auftrat, wie in "Shutter Island" von Martin Scorsese, in "Vicky Cristina Barcelona" von Woody Allen oder in "Good Night, and Good Luck" von George Clooney. Nun betritt die (zur Drehzeit) 49-Jährige aus New Orleans/Louisiana endlich ihren Olymp und darf – wie gewohnt – leise dominieren. Und: Wir blicken auf keine Frau der modernen Ära Fratzenkultur, mit ekligem Botox-Charme und falschem Dauergrinsen, sondern auf eine hochinteressante, hellhäutige, blonde Frau in den besten Jahren.

Patricia Clarkson spielt die amerikanische Modejournalistin Juliette, Mutter zweier erwachsener Kinder, deren Ehemann Mark seit Wochen für das UN-Flüchtlingswerk im Krisengebiet von Gaza arbeitet. Als sich seine Dienstzeit dem Ende nähert, reist sie ihm allein nach Kairo nach, um mit ihm dort einige Urlaubstage zu verbringen. Doch Mark kommt nicht weg. Also beginnt Juliette, sich mit Kairo, dieser im Sommer, so heißen wie chaotischen 17-Millionen-Metropole, neugierig zu befassen. Doch auch für eine selbstbewusste und emanzipierte Frau ist es nicht einfach, die ägyptische Hauptstadt solo zu erkunden. Also sucht sie den Begleiter-Kontakt zum charismatischen Tareq (Alexander Siddig), einem ehemaligen Mitarbeiter ihres Mannes und geschätzten einheimischen Freund. Gemeinsam begeben sie sich auf eine kulturelle wie zutiefst individuelle Sightseeing-Tour durch die pulsierende faszinierende Großstadt. Sie erleben die antike Schönheit und den orientalischen Zauber dieser magischen Region. Und natürlich: Zwischen diesen beiden zurückhaltenden Menschen beginnt es langsam zu funken. Kleine behutsame Gesten, respektvolle Blicke, das kluge "Wie" im Umgang.

Man muss diese zarte, spröde, elegante wie jugendliche Um-die-50-Frau Juliette alias Patricia Clarcson einfach erleben, diese zierliche, bisweilen gebrechlich wirkende Schönheit beobachten. Patricia Clarkson ist eine brillante intime Ansage und sie hat mit dem 44-jährigen sudanesisch-britischen Kollegen Alexander Siddig einen adäquaten Partner.

"Cairo Time" bewegt sich auf der überzeugenden Filmlinie von "Before Sunrise" von Richard Linklater, wo Julie Delpy und Ethan Hawke Mitte der 90er-Jahre einen unvergesslichen Tag in Wien verbringen, oder Sophia Coppolas Meisterwerk "Lost in Translation" von 2003, wo auf so wundersame Weise die einsamen Seelen von Scarlett Johansson und Bill Murray in Tokio aufeinanderprallen. "Cairo Time" gesellt sich zu ihnen, ist einer der schönsten Kino-Liebesfilme der letzten Jahre.

Kanada / Irland / Ägypten 2009; Regie: Ruba Nadda; Darsteller: Patricia Clarkson, Alexander Siddig, Elena Anaya, Tom McCamus; ab 6 Jahren; 88 Minuten

Filmhomepage: "Cairo Time"