Caffier für Verzahnung der Landesämter

André Hatting im Gespräch mit Lorenz Caffier · 28.08.2012
Bund und Länder streiten - angesichts der zuletzt erheblichen Versäumnisse in der Zusammenarbeit - um die künftigen Arbeitsfelder und Verantwortungen des Verfassungsschutzes. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier klagt dabei eine weiter starke Kompetenz für die Länder ein. Vor dem Spitzentreffen der Innenminister von Bund und Ländern zur Reform des Verfassungsschutzes warnte der Unionspolitiker vor einer Schwächung der Länderkompetenzen.
André Hatting: Je länger die Untersuchungsausschüsse zum Thema Nationalsozialistischer Untergrund, kurz NSU, forschen, desto mehr Pannen entdecken sie dabei. Der deutsche Verfassungsschutz hat beim Kampf gegen den Rechtsterror völlig versagt. Er muss reformiert werden, das ist klar, unklar ist, wie. Bundesinnenminister Friedrich will mehr macht für das Bundesamt und die Landesämter zusammenlegen. Seine Kabinettskollegin aus dem Justizressort, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP, findet das halbherzig und kritisiert es als klein-klein. Heute treffen sich die Innenminister der Länder mit Friedrich in Berlin. Auf der Sondersitzung wollen sie seine Reformpläne besprechen. Den Vorsitz der Innenministerkonferenz hat zurzeit Mecklenburg-Vorpommern, deren Innenminister gehört der CDU an und heißt Lorenz Caffier. Guten Morgen, Herr Caffier!

Lorenz Caffier: Schönen guten Morgen!

Hatting: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich glaubt, in der Stärkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz liegt die Lösung – Sie auch?

Caffier: Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir jetzt gemeinsam analysieren, wo Schwachstellen sind im Verbund der Verfassungsschützer von Land und Bund, aber auch der Polizeien, und auf Grundlage dieser Fehleranalyse – denn das ist ja unbestritten, dass in den Sicherheitsapparaten Fehler gemacht worden sind – dann uns so aufzustellen und neu zu justieren, dass solche schrecklichen Ereignisse wie beim NSU nicht mehr passieren dürfen. Es wird sicherlich nicht ausschließlich über eine Zentralisierung erreichbar sein.

Hatting: Sondern?

Caffier: Gemeinsam dafür zu sorgen, dass der Verfassungsschutz auf das ausgerichtet wird, was seine Kernkompetenz ist und was ihn auch weiterhin zukunftsfähig macht, dass Selbstverständnis von Verfassungsschutzbehörden weiter stärken, die Grundprinzipien genau definieren, die parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes dabei auch zu stärken, einen leistungsfähigen Verfassungsschutz zu gewährleisten. Das ist eine Vielzahl von Punkten, aber da gibt es in den Details unterschiedliche Auffassungen, sowohl auf der A- und auf der B-Seite, als auch auf dem Bund, und das ist ein bisschen meine Aufgabe als Moderator, eine Meinung zusammenzuführen.

Hatting: Herr Caffier, Sie haben ja gesagt, dass in der Zentralisierung nicht allein der Schlüssel zur Lösung liegt. Wenn Sie sagen, nicht allein, dann bedeutet das, das könnte trotzdem ein Teil der Lösung sein. Das würde aber umgekehrt bedeuten, dass man die Landesämter schwächt. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern, wo rechtsradikale Strukturen sehr aktiv sind, ist das da eine gute Idee?

Caffier: Nein, deswegen glaube ich, dass man auf der einen Seite die im Grundgesetz verankerte Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz stärken muss, aber dabei auf keinen Fall die originären Länderkompetenzen beschneiden darf. Und deswegen brauchen wir die Landesämter, genauso wie wir das Bundesamt brauchen, aber wir brauchen eine bessere Verzahnung, einen schnelleren Informationsaustausch und nicht eine Sortierung, welche Information gebe ich weiter, welche gebe ich nicht weiter, ab wann, sondern einen ständigen Austausch, eine Verzahnung der unterschiedlichen Strukturen. Und deswegen glaube ich, dass wir in der Sache nicht so weit auseinander liegen, aber es schon noch ein Stück Wegstrecke vor uns ist, bis wir ein gemeinsames Konzept nach Möglichkeit noch in diesem Jahr auf den Weg bringen können.

Hatting: Gut, also mehr Transparenz, mehr Kommunikation untereinander. Die Sicherheitsexperten in Berlin behaupten allerdings auch, dass die Landesämter für Verfassungsschutz überfordert seien mit der Extremismusbekämpfung. Sind Sie in Schwerin überfordert?

Caffier: Also ich glaube, dass wir so aufgestellt sind, dass die Aufgaben, die uns übertragen worden sind, wahrgenommen werden können, aber nur gemeinsam. Ich habe immer gesagt, ein Landesamt alleine kann die Aufgaben nicht lösen, dazu brauchen wir den Länderverbund auf der einen Seite, aber auch die Zusammenarbeit mit dem Bund, und wir haben natürlich bestimmte Schwerpunktthemen, in denen wir dann dementsprechend uns auch zu gegebener Zeit verstärken müssen.

Hatting: Da bin ich bei einem weiteren Vorschlag aus Berlin: Friedrich will eine Konzentration auf die gewalttätigen Extremisten. Wenn ich mir Ihren aktuellen Verfassungsschutzbericht angucke, Herr Caffier, dann scheint mir das eine schlechte Idee zu sein, denn die Zahl der Straftaten aus der Neonaziszene, die geht zurück. Dagegen blüht die Subkultur geradezu auf: Stadtteilfeste, braune Ökobauern, freie Kameradschaften, die Sozialarbeiter spielen – alles ganz friedlich.

Caffier: Also das ist eine Idee, die ich in der Tat nicht teile, dass man aufteilt zwischen der einen Beobachtungsform und der anderen Beobachtungsform. Ich glaube, das ist auch die Ansicht vieler meiner Kollegen, aber das werden wir ja gemeinsam diskutieren. Sie haben das schon sehr zielgerichtet ausgeführt gerade.

Hatting: Bleiben wir mal kurz beim Thema NPD: Mecklenburg-Vorpommern ist nach wie vor – neben Sachsen – das einzige Bundesland, in dem die Rechtsextremen im Landtag sitzen. Sie sind außerdem in allen Kreistagen vertreten. Warum ist die NPD nach wie vor so stark bei Ihnen im Nordosten?

Caffier: Ich glaube, da gibt es eine Vielzahl von Aspekten. Ein besonderer Grund ist natürlich, dass wir eine sehr große Landesfläche haben, in der sehr wenig Menschen leben, und wir eine hohe Konzentration im Verhältnis zu anderen Bundesländern von Leuten der NPD haben, aber wir haben fast genauso viel Mitglieder in der NPD in Mecklenburg-Vorpommern wie in Bayern, nur mit dem Unterschied, dass wir hier eine ganz andere Einwohnerzahl haben. Und wir haben eine relativ starke Neonaziszene, die dazu geführt hat, dass sie eine enge Verzahnung mit der NPD in Mecklenburg-Vorpommern übernommen hat in der Kameradschaft. Und da hat es territoriale Schwerpunkte gegeben, wo wir nach wie vor Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung haben.

Hatting: Sie sprechen die enge Verzahnung mit den freien Kameradschaften an. Nun ist Mecklenburg-Vorpommern eines der Bundesländer, das unbedingt ein NPD-Verbot will, obwohl das ja nur die Partei betreffen würde, aber eben nicht sagen wir mal die Basis, die freien Kameradschaften.

Caffier: Gut, das ist richtig, andererseits wissen wir genau, dass über die im Landtag vertretene Fraktion ein Großteil der Verzahnung erfolgt, die Organisationsstrukturen natürlich übers Parlament auch der NPD erhebliche Finanzenmassen jährlich zugeführt werden, und dementsprechend wird auch ein Abtrennen der Kommunikationsstrukturen einen erheblichen Fortschritt mit sich bringen, zumal meine Auffassung immer schon klar ist, dass die kämpferische Aggressivität der NPD und die Verbindung mit den Kameradschaften sehr deutlich nachzuweisen ist.

Hatting: In Nordrhein-Westfalen mischt Ihr Amtskollege die rechte Szene gerade mächtig auf. Ralf Jäger hat im Dezember einen Masterplan erstellt, seitdem geht er massiv gegen Neonazis vor, zum Beispiel mit Großrazzien wie denen in Aachen und Dortmund vergangene Woche. Warum greifen Sie in Mecklenburg-Vorpommern nicht ähnlich durch?

Caffier: Das haben wir schon längst gemacht, insofern begrüße ich, dass Herr Jäger jetzt da nachlegt. Also Mecklenburg-Vorpommern braucht sich da nicht zu verstecken, im Gegenteil: Wir haben nach meiner Amtsübernahme 2006 eine Reihe von Verboten durchgeführt, wir haben eine Reihe von Erlassen durchgeführt, wir haben die Durchsuchung durchgeführt – also wir haben das Gleiche bereits umfangreich durchgeführt.

Hatting: Das war Lorenz Caffier von der CDU. Er ist Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern. Danke für das Gespräch, Herr Caffier!

Caffier: Ebenfalls, schönen Tag noch!

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