Buntenbach: Union bewegt sich Richtung Mindestlohn

Moderation: Ute Welty · 17.10.2013
"Wir brauchen diesen Mindestlohn dringend", sagt Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund und fordert eine gesetzliche Regelung als Lohnuntergrenze von der künftigen Bundesregierung. In der Union sieht sie hierfür "die Stimmen zunehmen".
Ute Welty: Da waren es dann nur noch zwei: Allein Union und SPD sondieren jetzt noch, nachdem die Grünen gepasst haben beim Poker um die Regierungsbildung. Heute geht es weiter – und weiter geht es nur, wenn sich einer bewegt beim Thema Mindestlohn: Die SPD will einen einheitlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, der gesetzlich festgelegt wird, die Union möchte mehrheitlich die Festlegung den Tarifparteien überlassen. Und in beiden Fällen geht wenig oder nichts ohne die Gewerkschaften, und deshalb begrüße ich jetzt die DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Guten Morgen!

Annelie Buntenbach: Guten Morgen!

Welty: Ihre Position ist klar: Sie fordern einen gesetzlichen Mindestlohn - wie die SPD. Warum kastrieren Sie sich eigentlich als Tarifpartei, die autonom verhandeln könnte?

Buntenbach: Also wir brauchen diese Lohnuntergrenze, also diesen Mindestlohn dringend im Gesetzblatt, und zwar in der Höhe von 8,50 Euro. Das ist eine Unterstützung der Tarifautonomie und nicht die Aufgabe der Tarifautonomie. Aber wir müssen ja auch sehen, dass inzwischen es eine ganze Menge weißer Flecken gibt in der Tariflandschaft. Das ist auch ein Ergebnis von dem, wie die Politik die Weichen gestellt hat und dass Arbeitgeber die Verbände zum Teil verlassen haben und sich außerhalb der Tarifverträge stellen.

Deshalb haben wir im Moment eine Situation, wo die Tarifbindung im Westen nur noch gut 60 Prozent ist, und im Osten arbeiten nur noch knapp die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Tarifvertrag. Und in so einer Situation ist der Gesetzgeber gefragt, hier eben dafür zu sorgen, dass es eine verbindliche Grenze gibt, einen Mindestlohn, unter den dann wirklich niemand mehr gedrückt werden kann. Und wir haben eine Situation in Deutschland, wo von einem Mindestlohn von 8,50 Euro, der wirklich flächendeckend gilt, fast sieben Millionen Menschen profitieren würden, weil sie im Moment weniger verdienen.

Welty: Sie sind also auf politische Unterstützung angewiesen. Wie sehr können Sie als Gewerkschaft die SPD oder die Politik insgesamt unterstützen bei diesem Prozess?

"Breite Unterstützung in der Bevölkerung"
Buntenbach: Wir haben die Forderung nach dem Mindestlohn ja jetzt schon lange auch erhoben und wir haben dafür ja eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Es sind – das haben die letzten Umfragen gezeigt – 86 Prozent aller Deutschen für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Und was wir hier tun können, ist, immer wieder klarmachen, wie wichtig das wirklich ist, damit der Arbeitsmarkt nicht noch weiter gespalten wird und nicht immer mehr Menschen trotz Arbeit arm werden.

Und das ist ja die Situation, die wir in Deutschland haben: Das ist der größte Niedriglohnbereich in ganz Europa, da muss fast jeder Vierte arbeiten - und oft eben zu Löhnen, von denen man nicht leben kann. Deshalb haben wir gesagt: Für die neue Bundesregierung ist einer der ganz zentralen ersten Schritte, den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro und insgesamt eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt hinzubekommen, die auch diese ganzen Formen von prekärer Beschäftigung wie Leiharbeit, Werkverträge, Minijobs eindämmt und hier wieder vernünftig abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse draus macht.

Welty: Wie viel Spielraum hat Ihrer Meinung nach die Union in dieser Frage? Der CSU-Chef Seehofer sagt heute in der "Süddeutschen": Ja, wir machen das mit dem Mindestlohn, unter bestimmten Bedingungen. Der CDU-Generalsekretär Gröhe sagt heute in der "Rheinischen Post": Das mit dem Mindestlohn machen wir auf keinen Fall. Jetzt ist es an Ihnen, Frau Buntenbach: Wem glauben Sie mehr, Seehofer oder Gröhe?

Buntenbach: Ich fürchte, das ist keine Frage des Glaubens. Ich hoffe, dass in dem Fall die Position von Herrn Seehofer sich in der CDU entsprechend durchsetzt. Ich glaube, dass in der Union die Stimmen ja auch zunehmen, dass wir hier eben eine verbindliche gesetzliche Regelung brauchen, denn, ich meine, die FDP ist ja für ihre Position, sich hier eben ganz querzustellen, auch vom Wähler entsprechend abgestraft worden und eben nicht mehr im Parlament.

Ich glaube, das sollte auch die Union als Zeichen hier ernst nehmen und sich noch mal anschauen, wie die Arbeitswirklichkeit denn hier wirklich aussieht und dass es nicht geht, zu sagen, das sollen die Tarifpartner mal regeln, und sich hier also von der Politik her einfach sozusagen aus der Verantwortung zu stehlen. Denn, ich meine: Man kann den Arbeitsmarkt nicht wie so ein Moorhüpfen gestalten, wo dann man von einer abgesicherten Stelle zur anderen zwar vielleicht kommt von Branche zu Branche, aber dazwischen mehr als die Hälfte der Menschen dann ohne Tarifvertrag nicht abgesichert sind.

Welty: Führt der Weg in die schwarzen Herzen vielleicht auch über die Rente und über die Rechnung, dass man über höhere Löhne und höhere Renten vielleicht auch Grundsicherung und teure Extraleistungen einspart, die später zum Beispiel für die Mütter eingeführt werden müssen?

"Gutes Geld für gute Arbeit"
Buntenbach: Also das ist, finde ich, ein sehr starkes Argument für die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns - das heißt, dass hier wirklich der Druck am Arbeitsmarkt nach unten nicht weiter zunimmt - und eben auch für eine Stärkung der Tarifautonomie, damit die Menschen eben auch wieder gutes Geld für gute Arbeit bekommen. Wir brauchen auf jeden Fall ja auch beim Rentenniveau, bei der Rente Verbesserungen.

Welty: Welche?

Buntenbach: Zum einen müssen am Arbeitsmarkt natürlich die Weichen anders gestellt werden, damit man von seiner Arbeit wieder leben kann, nur dann kann es mit der Rente auch klappen. Aber wir brauchen bei der Rente selber eben auch Korrekturen, und da ist eine ganz entscheidende, dass wir, statt die Beiträge noch weiter zu senken, hier eine Demografiereserve aufbauen müssen – mit solidarischer Finanzierung auch durch die Arbeitgeber –, die dann das Rentenniveau für die Zukunft stabilisieren kann.

Das darf einfach nicht nur weiter in den Keller, sonst droht auch selbst den Durchschnittsverdienern nachher die Altersarmut. Und wir müssen dringend was tun hinten bei den Übergängen. Viele stürzen ab in der größer werdenden Kluft zwischen dem Ende der Arbeit und dem Anfang der Rente. Und gerade die, die gesundheitlich nicht mehr können, die sind diejenigen, die nachher auch von ihrer Rente nicht leben können. Das heißt, wir müssen hier bei der Rente selber eine ganze Reihe von Maßnahmen ergreifen, damit man eben von seiner Rente auch im Alter in Würde leben kann.

Welty: Annelie Buntenbach vom DGB, auch sie beobachtet die schwarz-rote Sondierung. Bleiben Sie gespannt und danke!

Buntenbach: Dankeschön!


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