Bunte Modeschnitte für die Sojwetunion

Von Beatrix Novy · 08.03.2012
Verlegerfrau Änne Burda wurde erfolgreich mit Frauenzeitschriften, allen voran die "Burda Moden". Und diese erschien als Erstausgabe am 8. März 1987 als erste westliche Zeitschrift überhaupt in der Sowjetunion.
"Russisch! Das ganze Heft! Ja, ja, ja! Russland!"

Die Unternehmerin Änne Burda hatte in ihrem Leben viele Erfolge, doch der 8. März 1987 war selbst für sie ein aufregendes Datum: Ihre "Burda Moden" erschienen auf Russisch. Sogar der SPIEGEL konnte nur staunen:

"Da kommt zum ersten Mal in der sowjetischen Geschichte eine Zeitschrift ins Land, die westlichen Glitter und kapitalistische Lebensart verbreiten darf."

Es war Änne Burdas Triumph über alle und alles: über die anderen bundesdeutschen Verleger; über ihren Mann und Rivalen, Franz Burda; über die engen, aussichtsarmen Verhältnisse ihrer Kindheit; über die Demütigungen, die sie als junges Mädchen der Vorkriegszeit an ihrer ersten Arbeitsstelle hatte hinnehmen müssen.

Änne Burda: "Ich habe die Männer - ich möchte beinahe sagen: gehasst. Ihre autoritäre Haltung mir, dem Lehrling gegenüber, dem einzigen weiblichen Wesen in diesem Unternehmen. Eie haben sich da aufgespielt und ausgespielt, da hab ich männliche Führung gehasst."

Was nicht unbedingt heißt, Änne Burda habe für die erste sowjetische Burda Moden-Ausgabe den Internationalen Frauentag in kämpferischer Absicht gewählt. Mit der Emanzipationsbewegung hatte diese Fast-Selfmade-Frau und eiserne Prinzipalin nichts am Hut.

Dies ist die oft erzählte Geschichte von Änne, der Tochter eines Lokomotivheizers, die immer nach oben wollte und den Kampf um ihren Platz an der Sonne beim Elektrizitätswerk Mittelbaden beginnen musste.

Wie sie beim Eintreiben fälliger Stromgebühren den vielversprechenden Drucker und Kleinverleger Franz Burda kennenlernte, ihn 1931 heiratete. Wie ihrer Kämpfernatur der Aufstieg als Verlegergattin im Wirtschaftswunder dann doch nicht reichte.

Wie sie 1949 die Modezeitschrift übernahm, die Franz Burda vorher einer langjährigen Geliebten finanziert hatte. Änne machte daraus Burda Moden: ein Heft mit Schnittmustern, mit denen Millionen selbstschneidernder Frauen sich angesagte Mode leisten konnten.
1987 erschien Burda Moden in 14 Ländern, in einer Auflage von zweieinhalb Millionen. Und nun: die Sowjetunion. Die Journalistin und Übersetzerin Elena Baier erinnert sich:

"Moskau zu der Zeit war eine graue Stadt, das waren graue Menschen in grauen Kleidern. Und wir haben alle gelechzt damals nach Farbe, nach Schnitten, nach Abwechslung. Das war nicht zu kaufen."

Ja, es herrschte eitel Freude im Sowjetreich, als an diesem 8. März die Burda Moden an den Kiosken hingen. Nur, die Freude währte nicht lang.

Elena Baier: "Die waren sofort weg. Die waren so begehrt, man konnte mit so einem Heft durch halb Moskau fahren. Und der Taxifahrer war glücklich, weil er dann bei seiner Freundin oder Ehefrau ein paar Punkte machen konnte, wenn er das mit nach Hause gebracht hat."

In einem Land, in dem es kaum etwas ohne zusätzliche Gefälligkeit zu kaufen gab, wurden die Burda Moden-Hefte sofort zu einer Währung, die Behördengänge, Einkäufe und überhaupt das Leben in den Warteschlangen des sozialistischen Alltags leichter machten.

Elena Baier: "Mit diesen Heften sind wir dann Tickets abholen gegangen, ob Zugfahrten oder Flüge, man konnte das alles nicht einfach so haben. Man konnte das ja bezahlen, aber die gab's ja nicht, es war angeblich ausverkauft."

So blieb Änne Burdas Zeitschrift auch mit kyrillischen Buchstaben eine westliche Kostbarkeit. Das konnte sie nicht wissen, als sie in Moskau den ersten Erscheinungstag der russischen Burda Moden mit Raissa Gorbatschowa feierte:

"Und sie sagte auch einmal: Das ist mein Beitrag zur Demokratisierung der russischen Frauen. Und so seh' ich's eben auch."

Das klingt ein bisschen gewagt angesichts der Tatsache, dass Burda Moden nur seiner politischen Harmlosigkeit wegen in die Sowjetunion einziehen durfte. Wobei die Sprengkraft, die jeder Blick in die Welt des westlichen Konsums enthielt, von der sowjetischen Führung vielleicht unterschätzt wurde.

Elena Baier: "Es war so eine Umbruchzeit. Und in diesem Umbruch haben wir alle gehofft, dass wir irgendwann mal auch so ein Leben leben werden, wie in diesem Heft, diese schönen Frauen, richtig schön zurechtgemacht, leicht gebräunt, immer schön gestylt, frisiert. Und wir haben uns da die Farben abgeguckt, die Schnitte abgeguckt, das war so 'ne Vorlage zum Träumen."