Bundeswehrreform: Reservistenverband kritisiert ungenaue Angaben

Gerd Höfer im Gespräch mit Gabi Wuttke · 19.05.2011
Gerd Höfer, Präsident des Reservistenverbandes, hat ungenaue Angaben des Bundesverteidigungsministeriums zu den künftigen Kosten der Bundeswehr kritisiert. Im angegebenen Kostenrahmen seien noch Spielräume.
Gabi Wuttke: "Wer Finanzminister Wolfgang Schäuble zusätzlich etwas aus dem Ärmel leiern kann, der verdient Respekt" - so also Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der sich wenigstens einen kleinen Teil der Kosten für die Bundeswehrreform aus einem anderen Topf holen darf.

Am Telefon der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur begrüße ich den Präsidenten des Reservistenverbandes, den ehemaligen SPD-Verteidigungspolitiker Gerd Höfer. Guten Morgen!

Gerd Höfer: Guten Morgen!

Wuttke: Herr Höfer, kritisieren auch Sie, dass der Minister zu den Kosten geschwiegen hat?

Höfer: Es trifft zu, ja. Er hat nur gesagt, dass der Rahmen, der jetzt gesetzt worden ist mit den 170.000 plus 5000 Freiwilligen, angemessen sei und finanzierbar sei, und das auch nachhaltig.

Wuttke: Und das heißt, Sie hätten sich schon gestern gerne gewünscht, dass er Butter bei die Fische gegeben hätte?

Höfer: Jawohl, denn das Problem scheint zu sein, dass ein wenig gemogelt worden ist. Denn ich habe in den Papieren nachgelesen – ich war ja auch selbst dabei –, dass bei den 170.000 noch 2500 Reservisten mit drinstecken, die er ja nach Belieben einberufen kann oder auch nicht.

Wuttke: Für wie schwerwiegend halten Sie diese von Ihnen als Mogelei bezeichnete Tatsache?

Höfer: Ich halte sie nicht für besonders schwerwiegend, aber das zeigt einem, dass er in dem Kostenrahmen praktisch Spielräume hat. Wenn er die 2500 Reservisten nicht einberuft, hat er halt 2500 weniger.

Wuttke: Freiwilliger Nachwuchs für die Bundeswehr ist Mangelware, de Maizière verwies in seiner Rede auf die Reservisten und deren Einsatz auch für Kriseneinsätze. Was sind Reservisten in der Lage zu leisten, Herr Höfer?

Höfer: Na ja, Reservisten haben ja ein Janusgesicht. Sie haben in der Regel einen zivilen Beruf und eine militärische Karriere. Das heißt also, dass man die Reservisten in der Regel nutzt in Spezialbereichen, die ihrem Beruf entsprechen, und da können die Reservisten Mängel bei der Bundeswehr ausgleichen.

Wuttke: Was für Mängel beziehungsweise was heißt das konkret für Kriseneinsätze?

Höfer: Ich sag nur ein Beispiel, was sich auf die zivil-militärische Zusammenarbeit bezieht: Im Kosovo war es dringend notwendig, alle Brücken auf Tragfähigkeit zu untersuchen, aber so viel Ingenieure hat die Bundeswehr nicht oder Statiker, die das machen könnten, zumal sie auch so nicht ausgebildet sind, also hat man da auf Reservisten zurückgegriffen.

Wuttke: Und das ist in der Bundeswehr nicht sozusagen als ehrenamtliche Aushöhlung des Apparats verstanden worden, sondern sie werden schon sehr lange gebraucht?

Höfer: Ja, das ist so. Reservisten wurden immer gebraucht, nur in anderen Funktionen. Früher haben die Reservisten im Wesentlichen die [unverständlich] der Bundeswehr mit ihrer militärischen Expertise machen müssen, also zur Zeit des Kalten Krieges, und heute werden Reservisten gebraucht, um in Abwesenheit Truppenführer zu vertreten, aber auch in ihren Spezialfunktionen im Einsatz.

Wuttke: Aber hätten Sie vor einem Jahr gedacht, dass Ihre Mitglieder noch mal so stark von einem Verteidigungsminister nachgefragt werden würden?

Höfer: Jawohl. Wir haben diese Dinge natürlich mit dem Militär und dem Ministerium vorbesprochen, und es war uns klar, dass der Reservist in dem Sinne wertvoll ist, je besser seine berufliche Expertise ist und seine militärische. Das haben wir gewusst und haben auch gezielt dahin gearbeitet.

Wuttke: Die Mitgliederzahlen des Reservistenverbandes, Herr Höfer, sind rückläufig und auch Ihre Bemühung, Bundeswehrnachwuchs, ich sag mal in Anführungszeichen "zu rekrutieren", waren wie alle anderen Bemühungen bei diesem Thema auch ziemlich erfolglos. Sehen Sie zwischen dem einen und dem anderen einen Zusammenhang?

Höfer: Nein, wir haben einen Zusammenhang mit allen Vereinen und Verbänden, die unter einer relativen Überalterung leiden, und natürlich auch Klagen über jugendlichen Nachwuchs. Das ist bei der Feuerwehr nicht anders, beim Gesangsverein noch dramatischer, also da sind wir genau mitten im Bereich der Vereine und Verbände. Wir werden uns natürlich bemühen müssen, den Verband zu verjüngen, und werden uns verstärkt kümmern müssen jetzt um die Zeitsoldaten, denn die Wehrpflichtigen fallen ja im Prinzip weg.

Wuttke: Aber dass es sozusagen an Nachschub fehlt, hat Ihrer Meinung nach etwas oder nichts damit zu tun, dass der Beruf des Soldaten in Deutschland riskant geworden ist?

Höfer: Das hat mit Sicherheit etwas damit zu tun, denn jeder Jugendliche überlegt sich ja, warum er welchen Beruf ergreifen will. Und wenn er eine Neigung hat, sicherheitsrelevante Berufe zu ergreifen, dann steht die Bundeswehr natürlich auch in Konkurrenz zur Polizei, zur Bundespolizei, zum Zoll. Und da ist die Perspektive mit möglichen Auslandseinsätzen eben eine andere, als wenn man Polizist wird – obwohl Polizist ja auch ein gefährlicher Beruf ist.

Wuttke: Was kann man Menschen, jungen Menschen anbieten, um sie davon zu überzeugen, dass es eine zumindest interessante Aufgabe, aber eben auch eine gefährliche sein kann, zur Bundeswehr zu gehen?

Höfer: Das ist eine Frage der inneren Einstellung.

Wuttke: Und die kann man nicht verändern?

Höfer: Entweder man hat sie oder man bekommt sie im Laufe der Zeit und sagt sich, okay, ich kann, wenn ich Soldat werde, für dieses Land Erhebliches leisten, etwas tun. Wenn man zu dieser Einstellung kommen sollte, dann geht man vielleicht zur Bundeswehr.

Wuttke: Das ist aber eine düstere Prognose für Thomas de Maizière und die Bundeswehr.

Höfer: Ja, das ist der Teil, den er in seiner Rede ja besonders hervorgehoben hat, dass die Soldaten einer besonderen Anerkennung bedürfen in der Republik und sie auch verdient hätten. Es kann ja sein, dass die Älteren das so sehen, aber ob ein junger Mann, eine junge Frau – man muss ja jetzt beide Geschlechter betrachten – mit einer solchen Grundeinstellung schon die Schule verlässt, wage ich erheblich zu bezweifeln.

Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur Gerd Höfer, der Präsident des Reservistenverbandes. Danke schön und schönen Tag!

Höfer: Ja, danke auch, tschüss!

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