Bundesverfassungsgericht

    Weniger Politik-Einfluss auf das ZDF

    25.03.2014
    Politik und Parteien haben zu großen Einfluss auf das ZDF, hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag geurteilt. Deshalb hat es den Anteil von Vertretern aus diesen Sphären in den Aufsichtsgremien des Senders beschränkt. Die Bundesländer müssen die Besetzung der Gremien nun neu regeln.
    Das Bundesverfassungsgericht hat den staatlichen Einfluss auf das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) beschränkt: Höchstens ein Drittel der Mitglieder in den Aufsichtsgremien des Senders dürfen Vertreter aus Staat und Parteien sein, entschied das Gericht am Dienstag in Karlsruhe. Politik und Parteien haben nach Auffassung des Gerichts zu großen Einfluss auf den Sender. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe jedoch nicht zum "Staatsfunk" werden. Damit sind die Klagen der Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg gegen zu viel staatlichen Einfluss auf das ZDF überwiegend erfolgreich (Az. 1 BvF 1/11 u.a).
    Die Richter des Ersten Senats erklärten mehrere Regelungen des ZDF-Staatsvertrags für verfassungswidrig. Bis Ende Juni 2015 haben die Länder Zeit für eine Neuregelung. Die Aufsichtsorgane müssten "nach den Grundsätzen der inhaltlichen Vielfaltsicherung und der weitgehenden Staatsferne ihrer Mitglieder" sagte der Vorsitzende Richter und Vizepräsident des obersten deutschen Gerichts, Ferdinand Kirchhof, bei der Urteilsverkündung. "Das Gebot der Staatsferne verbietet eine Instrumentalisierung des Rundfunks durch den Staat und verlangt eine weitgehende Besetzung der Aufsichtsgremien mit staatsfernen Mitgliedern."
    Anlass: Causa Brender
    Die Staatsquote in den ZDF-Aufsichtsgremien müssen von derzeit jeweils mehr als 40 Prozent auf ein Drittel reduziert werden. Der ZDF-Fernsehrat, der insgesamt 77 Mitglieder hat, besteht derzeit zu 44 Prozent aus Vertretern, die Staat und Parteien zuzurechnen sind. Das Gremium stellt Richtlinien für die Sendungen des ZDF auf, wählt und berät den Intendanten und muss der Besetzung des Chefredakteurs zustimmen. Im Verwaltungsrat, der die Tätigkeit des Intendanten vor allem in Haushaltsfragen überwacht, sind 6 von 14 Mitgliedern als staatsnah zu bezeichnen.
    Die Begrenzung auf ein Drittel betrifft Angehörige von Parlament und Regierung, aber auch Beamte in Leitungsfunktionen und Mitglieder, die von politischen Parteien entsandt werden. Die übrigen "staatsfernen" Mitglieder der Gremien vertreten größtenteils gesellschaftliche Gruppen - etwa Kirchen, Gewerkschaften und Arbeitgeber. Das Gericht legte fest, dass diese Gruppen keine Parlamentarier oder hochrangige Vertreter aus Parteien oder Regierungen in die Gremien schicken dürfen.
    Das Urteil werde die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien jedoch noch in einem weiteren Punkt verändern, addonerläutert der Leiter des Deutschlandradio-Hauptstadtstudios, Stephan Detjen: Das Gericht sagt in seinem Urteil, die Gremien dürften nicht "versteinern". Sie müssen sich auch öffnen für kleine Gruppen, für Randgruppen, für Gruppen die nicht zum politischen Establishment gehören. So werden auch Vertreter muslimischer Verbände den Gremien der Rundfunkanstalten angehören - bisher ist das nur in einzelnen Anstalten der Fall.
    Auch das Deutschlandradio ist von dem Urteil betroffen, so Detjen. Zwar bezieht sich das Urteil konkret auf das ZDF, es ist aber grundsätzlich darauf angelegt, dass nun die Staatsverträge aller Landesrundfunkanstalten überprüft werden. Auch im Hörfunk- und Verwaltungsrat des Deutschlandradios sind in erheblichem Umfang Politiker vertreten, die nach Detjens Ansicht nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts als staatsnah gelten müssen. Das zu verändern, dazu sei die Politik nun aufgerufen.
    Rheinland-Pfalz und Hamburg hatten in Karlsruhe gegen mehrere Regelungen des ZDF-Staatsvertrags geklagt. Anlass war der Streit um den früheren ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. 2009 hatte der Unions-dominierte ZDF-Verwaltungsrat Nikolaus Brenders Vertrag nicht verlängert, obwohl sich der Intendant dafür ausgesprochen hatte. Brender äußerte sich nach dem Urteil in Karlsruhe insgesamt zufrieden: "Ich glaube, die Auseinandersetzungen um meinen Fall haben sich gelohnt". Allerdings habe er sich gewünscht, dass staatliche und staatsnahe Mitglieder künftig ganz aus den Aufsichtsgremien ausgeschlossen werden.
    Positive Reaktionen auf das Urteil
    ZDF-Intendant Thomas Bellut hat das Urteil positiv bewertet. "Die Entscheidung stärkt die Unabhängigkeit des ZDF im Interesse der Bürgerinnen und Bürger", sagte er. Das Gericht habe die Aufsicht durch gesellschaftliche Gruppen gestärkt. Nach Ansicht des ZDF muss die Auswahl der Vertreter von Gruppen angesichts rascher gesellschaftlicher Veränderungen stetig und transparent geändert werden.
    Der ehemalige ZDF-Intendant Markus Schächter sprach im Zusammenhang mit dem Urteil von einer Punktlandung. "Karlsruhe reduziert den staatlichen Einfluss und unterstreicht auch in Zeiten des digitalen Umbruchs nachdrücklich die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks", sagte Schächter dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage.
    Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßte das Urteil als klares Votum für die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Kritik des DJV und anderer Medienverbände an der massiven Einflussnahme des ZDF-Verwaltungsrats auf die Besetzung der Chefredaktion des Mainzer Senders sei damit höchstrichterlich bestätigt worden, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken.
    abr
    Programmtipp: Über das Urteil berichtet auch die "Ortszeit" ab 17.07 Uhr.
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