Bundestag muss Farbe bekennen

26.10.2011
Wie der CSU-Abgeordnete sagt, muss der Bundestag bei der Entscheidung zum Euro-Rettungsschirm heute Farbe bekennen. Er selbst werde für eine Neuregelung stimmen, erklärte Karl, der auch Mitglied des Haushaltsausschusses ist.
Jan-Christoph Kitzler: Alles dreht sich heute um den sogenannten Hebel: Das eingesetzte Geld im Euro-Rettungsschirm soll so mehr Wirksamkeit entfalten. Wie genau das passiert, das ist noch immer unklar, aber der Bundestag will schon mal im Grundsatz darüber abstimmen. Jetzt bin ich verbunden mit einem, der das alles heute hautnah miterleben wird, mit dem CSU-Abgeordneten Alois Karl, er gehört auch zum Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen guten Morgen!

Alois Karl: Hallo, guten Morgen, grüß Sie!

Kitzler: Herr Karl, ich habe in einem Zeitungsartikel gelesen, da werden Sie zitiert mit den Worten, Sie würden einem Hebel nur zustimmen, wenn es nicht zu einer Risikovermehrung führt. Wie also werden Sie heute abstimmen?

Karl: Ja, ich werde schon zustimmen, weil wir ja zweierlei erreichen, erstens, dass – Sie haben das ja gerade bei der Anmoderation schon gesagt –, dass die Möglichkeiten, die wir uns in die Hand gegeben haben, dann effizienter gestaltet werden, also optimiert werden, und dass die Risikoverteilung nach all dem, was man jetzt in den letzten Tagen auch sich angelesen hat, diskutiert hat, erörtert hat, nicht signifikant ansteigt. Es kann eine Erhöhung des Risikos geben, es kann aber auch, wenn man nicht das gesamte Kapital für eine Situation einsetzt, möglicherweise auch sich verringern, also ein Risiko-Sharing wäre eine Verteilung des Risikos auf verschiedene Instrumente, auf verschiedene Staaten, auf verschiedene Aktionen. Das kann auch … muss nicht unbedingt zu einer Erhöhung des Risikos führen.

Kitzler: Aber wenn der Euro-Rettungsschirm sozusagen per Hebel praktisch aufgeblasen wird – es ist ja die Rede von einer bis zu zwei Billionen Euro –, dann müssen Sie mir mal erklären, wie das Risiko da nicht steigen soll für das deutsche Geld, was im Einsatz ist.

Karl: Na gut, es muss ja jede der verschiedenen Aktionen, die dann hinterher stattfinden können, muss in ihrem Risiko bewertet werden – eines davon kann sein, dass wir eine Garantie für den ersten Verlust, für 20 Prozent zum Beispiel, übernehmen. Das ist so in der Tat, dass man verschiedenartig Geld vergibt an Mitgliedsstaaten, die das eben notwendig haben, jedes Darlehen, das gegeben wird, muss zunächst mal zurückbezahlt werden. Wir sind mit einer Teilabsicherung dann dabei, das ist klar, das ist nicht ohne Risiko, aber das jetzige Instrumentarium ist auch nicht ohne Risiko.

Kitzler: Sie haben gesagt, das Risiko steigen, es könnte vielleicht auch sinken. Wie groß sind denn Ihre Bauchschmerzen, da Sie es ja nicht wissen?

Karl: Na ja gut, man ist einfach in eine Situation hineingestellt, wo man Entscheidungen treffen muss. Die jetzige Situation hat niemand von uns herbeigeführt. Wir sind einfach in einer, ja, wenn man es jetzt theatralisch sagen würde, schicksalhaften Situation, wo man einfach Ja oder Nein sagen muss. Man weiß: Am verkehrtesten wäre, wenn man gar nichts machen würde. Man kann sich einfach oft aus Situationen nicht heraushalten, man muss Farbe bekennen. Und wir meinen, dass diese riesigen Geldsummen, die wir schon auf den Weg gebracht haben, effektiv richtig angewendet werden, wenn wir nicht alleine als Staat, als dieser Rettungsschirm EFSF handeln, sondern versuchen, andere mit ins Boot zu bringen, damit die Kreditgewährung ein Vielfaches werden kann, und unser Risiko damit – das ist immer die Quintessenz der Frage, das ist der Knackpunkt in allem – möglichst nicht, jedenfalls nicht vertikal steigt.

Kitzler: Bisher war von irgendwelchen Hebeln, um den Rettungsschirm aufzupumpen, ja nicht die Rede. Finanzminister Schäuble hat das sogar lange von sich gewiesen, auch wieder bei der letzten Debatte um die letzte Erweiterung des Euro-Rettungsschirms. Sind die Abgeordneten nicht für dumm verkauft worden?

Karl: Das möchte ich jetzt so nicht sagen, ich habe mit Schäuble persönlich auch lange gesprochen. Natürlich kann man auch gescheiter werden, wissen Sie, das muss man jemandem auch zubilligen. Und dann ist es so: Wenn sich eben herausstellt, dass Rettungsschirme zu klein werden, also dass die Situation es erfordert, dass man mit großen Geldmengen parat ist, ja, dann muss man eben versuchen, innerhalb dieses gezogenen Rahmens und dieser 440 Milliarden Euro, die von den AAA-Ländern, Triple-A-Ländern, gewährt werden, oder 780 Milliarden, die es ja insgesamt sind, dass diese 440 Milliarden nicht ausgedehnt werden, sondern innerhalb dieses Rahmens muss man sich verhalten, muss man vernünftig agieren, und da ist die jetzige Methode, die heute zur Abstimmung steht und die auf den Weg gebracht werden soll, durchaus eine richtige. Man ist nie ganz frei von Bauchschmerzen, da haben Sie recht, es geht um riesige Summen. Aber um das noch auszuführen: Wir haben bisher, in den letzten drei Jahren, die Dinge, glaube ich, soweit ich das überblicken kann, alle im Wesentlichen richtig gemacht. Und das gibt mir auch einen gewissen Optimismus.

Kitzler: In Deutschland kann man es ja auch vielleicht besser kontrollieren als auf europäischer Ebene. In der Krise ist das Mitspracherecht des Parlaments ja gestärkt worden. Das wurde überwiegend gelobt, jetzt hat aber der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Herr Schick, das Verfahren kritisiert. Er hat gesagt, die Einarbeitungszeit war mal wieder viel zu kurz, die Bundesregierung setzt das Parlament bewusst unter Entscheidungsdruck. Da nützt doch die ganze Mitsprache nichts, oder?

Karl: Das nützt natürlich schon, weil man ja, wie das Herr Schick ja auch getan hat, in den Sitzungen die entsprechenden Nachfragen stellt. Und man hetzt sich auch nicht, man ist ja bis weit in die Nacht hinein beieinander, es wird ja jetzt nicht Druck jetzt ausgeübt, der unmenschlich wäre, so ist das auch nicht. Ich gebe ihm schon recht, dass natürlich das alles… Wochenlange Vorbereitungszeiten wären da besser, aber das ist halt so: Man kann, man muss auf Situationen halt möglichst umfassend und schnell auch reagieren, und da ist man in einer Situation drin, wo man sich auch sehr schnell einarbeiten muss und sehr stark konzentrieren muss. Andersherum wäre es besser, das ist klar, aber ich würde jetzt nicht so weit gehen, zu sagen, das macht jemand bewusst, um jetzt den Haushaltsausschuss da unter Druck zu setzen.

Kitzler: Man muss nur aufpassen, dass die Abstimmung nicht zur Farce wird im Parlament natürlich. Wie erklären Sie das eigentlich Ihren Wählern? Sind Sie da in Erklärungsnot, gibt es da viele Fragen in der Hinsicht?

Karl: Na ja, es ist eine nicht einfache Materie, wissen Sie, und man kann das nicht am Stammtisch mit einem Schlagwort erklären. Das muss man … Man braucht da, also mir geht es jedenfalls so, da schon ein paar Sätze, um das Wesentliche zu erfassen und die Materie da nahezubringen. Das ist nicht ganz einfach, weil ja häufig mit Schlagworten auch argumentiert wird, haut die Briten raus aus dem Euro – als ob damit schon die Dinge geklärt wären. Dann muss man die Dinge eben auch bis zum Ende denken. Und die Problematik liegt eben darin, dass unser Geld, das ist der Euro, dass unser Geld auch in anderen Ländern Europas eben attackiert werden kann. So ist das, und wir möchten ein stabiles Geld bei uns haben in Deutschland, und das ist nicht nur in Deutschland alleine zu bewerkstelligen, das ist eben europaweit natürlich attackiert und gefährdet.

Kitzler: Der CSU-Abgeordnete und Haushaltspolitiker Alois Karl. Haben Sie vielen Dank für Ihre Meinung, und einen schönen Tag wünsche ich Ihnen!

Karl: Ich danke, auf Wiederhören!

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