Bürgerkriegsflüchtlinge

Kommt die Kulturkrise der islamischen Welt zu uns?

Muslime beim Nachmittagsgebet in der Eyüp-Sultan-Moschee in Nürnberg
Muslime beim Nachmittagsgebet in der Eyüp-Sultan-Moschee in Nürnberg © picture alliance / dpa / Foto: Daniel Karmann
Von Zafer Senocak · 09.10.2015
Die Kulturkrise innerhalb der islamischen Welt dürfe keinen Zugang nach Europa finden, meint der Schriftsteller Zafer Senocak. Wenn Bürgerkriegsflüchtlinge hierzulande heimische Fehden weiterführen wollten, müssten sie schnell die Härte des Gesetzes zu spüren bekommen.
Da gab es zunächst die bewegenden Bilder, die vom Bahnhof in München. Erschöpfte Menschen, mit erleichterten Gesichtsausdrücken. Manch einer jubelte. Sie hatten die Sympathien auf ihrer Seite. Sie hatten viel durchgemacht und hatten es endlich geschafft. Sie waren in Deutschland. Ein schöner, ungewöhnlich sonniger Herbst erwartete sie und eine Welle der Hilfsbereitschaft. Viele Deutsche reagierten so, als wollten sie etwas gut machen. Etwas, das anderswo in Europa schief gelaufen war. Wer Not leidet, dem wird zunächst einmal geholfen. Zunächst ja, doch wie geht's dann weiter. Manche Menschen hierzulande bleiben skeptisch. Sie stellen sich viele Fragen? Nicht jede Frage deutet auf eine fremdenfeindliche Einstellung hin. Nicht jede Sorge um die Zukunft des eigenen Landes bedeutet Abschottung. Im Gegenteil, es gibt sehr wohl berechtigte, dringende Fragen.
Wird Deutschland jetzt zum Kriegsschauplatz? Reisen mit den Flüchtlingen aus dem Nahen Osten auch ihre blutigen Konflikte ein? Schon werden von Flüchtlingsheimen Ausschreitungen gemeldet. Die Bedingungen der Unterbringung können bei so vielen Menschen nicht optimal sein. Es herrscht Enge. Es gibt keine Intimsphäre. Das kann manchmal zu Aggressionen führen. Zumal sehr viele junge Männer unter den so notdürftig Untergebrachten sind.
Keine Trennung nach Herkunft und Glauben
Nun kommt aber der Vorschlag, man solle die Menschen nach Herkunft und Glauben trennen. Ein solcher Vorschlag ist ein Hohn. Denn eine Trennung der Menschen nach solchen Kriterien wäre nichts anderes als ein Hofieren der Kriegsgründe, die all diese Menschen zu Flüchtlingen gemacht haben. Es wäre ein schlimmes Signal für die Zukunft. Wie sollen Menschen sich in einer fremden Gesellschaft integrieren, wenn sie nur unter sich bleiben können?
Etwas ganz anderes muss geschehen. Wer als Bürgerkriegsflüchtling nach Deutschland gekommen ist und hier nicht Ruhe und Frieden ersehnt, sondern die Fehde fortspinnen möchte, die ihn heimatlos gemacht hat, sollte sehr schnell die Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Denn die Ängste, die der Flüchtling auslöst, haben oft wenig mit seiner Person oder gar seiner fremden Identität zu tun. Sie werden genährt von der Welt aus der er kommt, von der Kultur dieser Welt. Von der Gewalt in dieser Kultur. Die intolerante Auslegung des Islam hat ganze Weltgegenden in Brand gesetzt. Der Islam in Deutschland aber darf nicht zum Brandsatz werden. Das ist keine einfache Aufgabe, kein Selbstläufer. Es braucht eine Anstrengung, Menschen in eine freiheitliche Gesellschaft einleben zu lassen, in der auch das, was ihnen heilig ist, herabgesetzt werden kann.
Glaubensfreiheit in Deutschland
Die Glaubensfreiheit in Deutschland ist auch die Freiheit des Nichtglaubenden. Sie gestattet ihm mit dem Denken und Glauben anderer Menschen kritisch umzugehen. In der islamischen Welt steht in vielen Ländern noch die Todesstrafe auf das Abfallen vom Glauben. Es ist auch nicht möglich vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren. So lange dies alles so ist und auch wesentliche Neuauslegungen des Islam daran nichts ändern, bleiben die Menschen, die an den Islam glauben, eben nicht nur Flüchtlinge, sondern auch ein Risiko für jede freiheitliche Gesellschaft. Das hat nichts mit Islamfeindschaft oder übertriebener Angst vor dem Islam zu tun. Es ist die logische Folge einer Kulturkrise innerhalb der islamischen Welt, die berechtigterweise keinen Zugang nach Europa finden darf.
Europa war ein Kontinent der Glaubenskriege. Der große Aufklärer Lessing musste sich für sein kritisches Denken noch rechtfertigen. Das war im 18. Jahrhundert. Wenn Europäer heute besonders empfindlich gegenüber Gotteskriegern reagieren, ist das ausdrücklich zu begrüßen.
Zafer Senocak, 1961 in Ankara geboren, seit 1970 in Deutschland, wuchs in Istanbul und München auf, studierte Germanistik, Politik und Philosophie in München. Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Seit 1979 veröffentlicht er Gedichte, Essays und Prosa in deutscher Sprache und schreibt regelmäßig für Tageszeitungen. 1998 erhielt er den Adalbert-von-Chamisso-Förderpreis. Die mehrsprachige Zeitschrift Sirene wurde bis 2000 von ihm mit herausgegeben. Veröffentlichungen sind u.a.: "Gefährliche Verwandtschaft. Roman" (1998), "Der Erotomane. Ein Findelbuch" (1999), "Atlas des tropischen Deutschland. Essays" (1992/1993), "War Hitler Araber? Irreführungen an den Rand Europas. Essays" (1994), "Zungenentfernung. Bericht aus der Quarantänestation" (2001), "Das Land hinter den Buchstaben. Deutschland und der Islam im Umbruch" (2006), "Deutschsein - Eine Aufklärungsschrift" (Edition Körber-Stiftung, 2011). Im November 2015 erscheint: "In deinen Worten", Mutmaßungen über den Glauben meines Vaters.
Der Schriftsteller Zafer Senocak, Foto: Januar 2003.
Der Schriftsteller Zafer Senocak© picture-alliance / akg-images / Bruni Meya
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