Bürger investieren in EEG-Projekte

Eine windige Anlage

Ein Windkraftwerk neben einem Strommast inmitten eines Rapsfeldes unter blauem Himmel
Immer mehr Menschen in Deutschland wollen in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren. © picture alliance
Von Anke Petermann · 11.08.2015
Wem die Solaranlage auf dem eigenen Dach nicht genügt, als Beitrag zum Ausbau von Erneuerbaren Energien, kann in konkrete Projekte investieren. Die Zahl der Deutschen, die Hunderte oder auch Tausende Euro an Umweltkredit-Programme abgeben, steigt.
"Also, die beiden Windräder gehören auch ins Bild!"
"Ja, ja, das kommt dann noch."
Lisa Reinhardt betreibt das Marketing fürs Internetportal "Leih deiner Umwelt Geld". Kay Voßhenrich ist Vorstand einer Kölner Energiegenossenschaft. An diesem grauen Morgen treffen sich die beiden an einem Windrad in Hinterweiler in der Eifel. Das und zwei andere will die Genossenschaft kaufen. Ein Imagefilm auf dem Portal „Leih deiner Umwelt Geld" soll dem Projekt und der Genossenschaft ein Gesicht geben. 750.000 Euro wollen Voßhenrich und seine Genossen von Bürgern bundesweit einsammeln. Der Mann, der vorm Windrad um das Vertrauen potentieller Geldgeber werben will, strafft sich. Kamera läuft.
"Hallo, mein Name ist Kay Voßhenrich, Vorstand und Geschäftsführer der Energiegewinner eG aus Köln. Die Energiegewinner sind eine Bürgerenergiegenossenschaft, die sich 2010 in Köln gegründet hat, aber bundesweit Projekte umsetzt. Derzeit haben wir 220 Mitglieder, wir realisieren Projekte hauptsächlich im Solarbereich, aber seit letztem Jahr auch Windkraftanlagen."
Umweltkredite als Entlohnung fürs Engagement
Als Voßhenrich am frühen Morgen eintraf, standen die drei Windräder auf den Feldern von Hinterweiler still, es ging kaum ein Lüftchen. Jetzt kommen sie unter einer anschwellenden Brise allmählich in Fahrt. Der Kameramann freut sich: endlich Bewegung im Bild. Und Kay Voßhenrich muss seinen Aufsager vor laufenden Rotoren wiederholen. Warum die mitgliederstarke Genossenschaft die Agentur "Leih deiner Umwelt Geld" einspannt und einen PR-Film auf deren Portal bezahlt, begründet der Geschäftsführer der Kölner "Energiegewinner" so.
"Was wir wollen als Genossenschaft ist, möglichst viele Bürger an der Energiewende beteiligen. Das Volumen der Windkraftanlagen, die wir jetzt erworben haben, das kriegen wir über unsere Mitglieder nicht so schnell eingesammelt. Da hilft uns einfach 'Leih deiner Umwelt Geld', mehr Bürgerinvestoren zu finden."
Menschen also, die sich mit der Solaranlage auf dem eigenen Hausdach nicht zufriedengeben. Immer mehr Deutsche sind bereit, Hunderte oder Tausende von Euro aufzubringen, um der Energiewende einen Schub zu geben. Mit Zinsen zwischen drei und sieben Prozent pro Jahr, je nach Projekt und Laufzeit, bieten die Umweltkredite eine willkommene Entlohnung fürs Klimaschutz-Engagement.
Als Energie-Genosse und Beobachter ist an diesem Morgen Christian Gromann mit in die Vulkaneifel gereist. Er schaut zu, wie der Genossenschaftsvorstand Varianten seines Aufsagers vor wechselnder Kulisse probt. Dass die Genossenschaft auf die Finanzierung eines „Schwarms" von Kleinanlegern zurückgreift, neudeutsch "Crowd-Funding", findet Gromann gut:
"Gerade wenn so eine Crowdfunding-Plattform sich da auf einen bestimmten Bereich spezialisiert wie 'Leih deiner Umwelt Geld', halte ich das für sinnvoll, weitere Interessenten darüber zu gewinnen."
Mitglied der Kölner "Energiegewinner" ist Gromann, weil er in nachhaltige Projekte investieren will. Und seinen Anteil an der professionell geführten Genossenschaft als sichere Geldanlage betrachtet. Wie aber sieht das mit den Bürgerdarlehen für 'Leih deiner Umwelt Geld' aus? Achtzig bis hundert Kleinanleger mobilisiert der Finanzdienstleister pro Vorhaben. Für den Windpark Hinterweiler wirbt das Portal mit dem Slogan. 'Starke Gemeinschaft, stärkere Rendite – 6,5 Prozent per anno fix!'. Auf das Risiko kommt die 22-jährige Lisa Reinhardt als Frau fürs Marketing aus freien Stücken zu sprechen:
"Wir sind natürlich verpflichtet, über eventuelle Risiken aufzuklären. Das machen wir auch. Denn man muss sich bei diesen Projekten auch bewusst sein: Das Gesamtausfallrisiko besteht immer."
Investition kann gut gehen, muss aber nicht
Wer mit einem Bürgerkredit den Klimaschutz voranbringen will, kann das bei "Leih deiner Umwelt Geld" und ähnlichen Portalen mit sogenannten Nachrang-Darlehen. Eine Art von Kredit, die Verbraucherschützer und Stiftung Warentest allerdings für riskant halten. Der komplette Verlust der Geldanlage droht, wenn der Betreiber eines Bürgerenergieprojekts Pleite geht. Dann nämlich werden andere Gläubiger zuerst bedient, die Privatanleger erst danach.
Das heißt, Bürger können ihren gesamten Einsatz verlieren. Bis zu 10.000 Euro, das ist die höchste Investition, die das Gesetz zum Schutz von Kleinanlegern erlaubt. Die Information über das Risiko eines Totalverlusts bekommen Anleger jedoch nicht, wenn sie die Imagefilme von "Leih deiner Umwelt Geld" anklicken. In den "Verbraucherschutzinformationen" auf dem Portal und im Vertragsentwurf können sie das aber nachlesen. Sind es hoch riskante Darlehen, für die das Portal wirbt? Lisa Reinhardt wiegelt ab.
"Normalerweise wird ja die Windkraftanlage für einen Millionenbetrag gekauft, und wir stellen einen Bürgerkredit von 300.000 Euro daran. Das heißt, dass es trotz allem eine sichere Anlage ist."
Hinter der jungen Marketing-Spezialistin drehen sich die Rotoren über der sanften Eifellandschaft. Windig oder nachhaltig? Wer als Kleinleger wild entschlossen ist und genug Geld übrig hat, Klimaschutz-Vorhaben mit Risiko-Kapital auszustatten, akzeptiert vielleicht, dass diese Geldanlage beides ist: windig und nachhaltig.
Denn: die Investition kann gut gehen, muss aber nicht. Beim Bürgerwindpark Hinterweiler wird immerhin jährlich etwas vom Umweltkredit zurückgezahlt. Doch noch hat "Leih deiner Umwelt Geld" kein zu Ende geführtes Referenzmodell vorzuweisen. Kay Voßhenrich streift sich das Mikrofon vom Jackenrevers. Der Imagefilm ist im Kasten.
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