Bühnentechnik

"Achtung, die Drehbühne fährt!"

Festspielhäuser an der Hofstallgasse in Salzburg
Festspielhäuser an der Hofstallgasse in Salzburg © dpa / picture alliance / Elmar Hartmann
Von Christoph Leibold · 26.07.2014
"Backstage" einmal wörtlich genommen heißt: Begegnung mit Inspizienten, Beleuchtern, technischen Leitern. Bei den Salzburger Festspielen gilt es, eine Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater einzurichten: "Die letzten Tage der Menschheit".
Anfang Juli im Salzburger Landestheater. Scheinwerfer drehen sich computergesteuert surrend und ratternd in Position. Lichttechniker auf Staffeleien hängen Leuchten auf. Hier wird sozusagen gerade das Wiener Burgtheater beleuchtungstechnisch nachgebaut.
"Was wir jetzt machen: wir richten ja den Grund-Verhang von der Burg ein. Das Burgtheater hat einen Verhang, der das ganze Jahr drin hängt. Und den adaptieren wir jetzt."
... erklärt Beleuchtungsmeister Roman Streuselberger. So läuft das meistens bei den Salzburger Festspielen, wo ja viele Aufführungen Koproduktionen mit anderen Theatern sind – in diesem Fall "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus in Zusammenarbeit mit der Wiener Burg. Die Salzburger Spielstätten müssen erst so hergerichtet werden, dass sie möglichst ähnliche Bedingungen bieten wie die Häuser, mit denen die Festspiele kooperieren.
Roman Streuselberger: "Das lässt sich hier recht gut umsetzen, weil die Positionen relativ ähnlich sind. Und weil es eine Koproduktion ist mit der Burg, sind viele Geräte jetzt bei uns, weil, die haben ja Spielpause, deshalb ist es möglich."
Schwieriger ist es da mit der Bühne selbst. Das Wiener Burgtheater ist um einiges größer als das Salzburger Landestheater, und damit auch die Drehbühne, die bei den "Letzten Tagen der Menschheit" reichlich zum Einsatz kommen wird, wie Siegfried Dellinger, technischer Leiter in der Sparte Schauspiel bei den Festspielen, erklärt:
"Drehbühne ist ganz entscheidend, das ist einfach Regiekonzept von Georg Schmiedleitner, dem Regisseur. Wir hatten hier eine Begehungsprobe und dann hat er sich das angeschaut und vorführen lassen. Die Drehbühne kann sehr viel, die hat auch Versenkungsklappen drin, und deswegen setzt er das ein. Also der probiert das jetzt auf der Probebühne ihn Wien, da haben die auch eine Drehbühne markiert, allerdings mit einem größeren Durchmesse. Damit hat er jetzt probiert eine Zeit lang. Und jetzt bin ich gespannt, wie das wird, wenn er jetzt dann kommt am Montag, wie wir das dann einrichten."
Noch gut drei Wochen sind es von besagtem Montag Anfang Juli bis zur Premiere. Drei Wochen, in denen Regisseur Schmiedleitner mit den Schauspielern, das, was auf der Wiener Probebühne bisher nur markiert worden ist, auf Realbedingungen übertragen muss.
Mit einer Geschwindigkeit von bis zu einem Meter pro Sekunde kann sich die Salzburger Drehscheibe drehen. Wer sie sich unter der Bühne ansieht und vor allem anhört, bekommt eine Vorstellung von der gewaltigen Kraft, die in so einer Konstruktion steckt.
Am Rande des Abgrunds
So eine Drehbühne kann nicht nur drehen, am Salzburger Landestheater zum Beispiel lässt sie sich auch bis zu 1,80 Meter tief absenken, sowie einen Meter über Bühnenniveau anheben. Das birgt eine Menge Möglichkeiten, aber auch Gefahren. Deshalb ist vor Probenbeginn für die Schauspieler immer eine sicherheitstechnische Einweisung nötig, sagt Inspizient Klaus von Schwerin:
"Versenkungsfahrten sind immer bisschen kritisch, weil da dann doch größere Löcher, wo dann doch jemand in einer gewissen Eile, einer Hast oder Nervosität sozusagen am Rande des Abgrund steht, also da muss man schon aufpassen."
Der Arbeitsplatz von Klaus von Schwerin ist das Inspizientenpult, sozusagen die Kommandozentrale hinter der Bühne. Von hier aus gibt er Zeichen für Schauspielerauftritte, Kulissenumbauten, Lichtstimmungswechsel und dergleichen mehr. Auch Bühnenmeister Martin Walchhofer, zuständig für die Steuerung der Drehbühne, unternimmt nichts ohne die Ansage des Inspizienten. Auf den Proben ist das fast noch wichtiger als später bei den Vorstellungen, meint Walchhofer:
"Bei der Aufführung weiß dann jeder schon seine Schritte, wo er hingeht, was er macht; und auch wir, was es sehr erleichtert. Und bei den Probenzeiten ist es so, dass man wieder zurückgeht und auch Auftritte ändert. Und das ständige Ändern und Wieder-Zurückgehen erfordert natürlich sehr viel Aufmerksamkeit."
Was passieren kann, wenn die Aufmerksamkeit nachlässt, ist zwei Wochen später zu erahnen. Das Burgtheater-Ensemble ist mittlerweile angekommen in Salzburg. Schauspieler bevölkern die Bühne. Und auch eine Blaskapelle, die in einer Szene auf der Drehscheibe aus der Versenkung emporgefahren wird. Regisseur Georg Schmiedleitner lässt den Vorgang mehrfach üben. Das bedeutet: immer wieder muss die Drehbühne hoch und wieder heruntergefahren werden. Als dabei einmal die klare Ansage ausbleibt, erschrickt prompt ein Schauspieler, als sich der Bühnenboden unter ihm regt.
Genau das sollte nicht passieren, sagt der technische Leiter Siegfried Dellinger, der dem kleinen Zwischenfall aber auch Positives abgewinnen kann:
"Das war eine Szene, die definitiv nicht gefährlich ist. Die sind die Drehbühne abgefahren und der Kollege war nicht vorbereitet. Normalerweise muss man das ansagen. Wenn man es szenisch probiert, dann ist eh alles klar, dann wissen die Schauspieler Bescheid, aber wenn man es dann wieder zurückfährt auf die Anfangssituation, dann muss natürlich der Inspizient klares Zeichen geben: Achtung, die Drehbühne fährt. Das ist jetzt nicht passiert. Und dann ist der Mann erschrocken und hat das deutlich gezeigt. Aber das ist ganz gut, weil das alle nochmal wachrüttelt, dass das echt eine gefährliche Sache ist mit so einer Zylinder-Drehbühne."
Was sagen die Kapazunder?
Noch acht weitere Produktionen neben den "Letzen Tagen der Menschheit" hat Siegfried Dellinger als technischer Leiter im Bereich Schauspiel bei den Salzburger Festspielen unter seiner Aufsicht. Insgesamt neun Inszenierungen also mit je eigenen Anforderungen. Für den berühmten "Jedermann" zum Beispiel muss erst einmal innerhalb von zwei Wochen eine riesige Tribüne aufgebaut werden, um den Domplatz für den Festspielsommer in ein Freilichttheater zu verwandeln. Es gibt viel zu tun also für die technische Crew, die ihre Arbeit aufnimmt, lange bevor die Stars, eintreffen. Ob die Kapazunder, wie man in Österreich zu Bühnengrößen sagt, das auch immer zu schätzen wissen?
"Ja, das ist sehr persönlichkeitsabhängig. Mit den einen oder anderen hat man beim Kaffee oder der Zigarette ein Gespräch und plaudert nett. Und der ein oder andere ist mehr zurückgezogen."
... erzählt Beleuchter Roman Streuselberger.
"In den meisten Fällen sind auch die Kapazunder recht entspannt, sie plaudern auch gern, wenn gerade Probenpausen sind."
Wobei die Stars im Rampenlicht auch gut beraten sind, dem Team hinter der Bühne gegenüber nicht überheblich aufzutreten, muss das doch immer wieder Mal kleine Fehler der Schauspieler ausbügeln. Für Inspizient Klaus von Schwerin etwa wäre es nicht das erst Mal, dass er bei seinen Ansagen und Kommandos improvisieren muss:
"Das Stück verändert sich im Timing mit der Zeit. Es kann auch Mal eine Schauspieler eine Tagesfassung haben, wo er Mal einen Hänger hat oder die Stichworte verdreht. Und dann kommt das Kommando eben auch an der Stelle, wo es kommen muss. Da reagiert man dann drauf."
...und das alles an ungewohnter Spielstätte und bei wenig Vorbereitungszeit. Das macht die besondere Herausforderung der Salzburger Festspiele für die Mannschaft backstage aus. Aber auch den besonderen Reiz.
Klaus von Schwerin: "Eine Herausforderung sind Salzburger Festspiele sowieso, und noch außergewöhnliche Situationen – die nehmen wir gerne an."