Bücher, hausgemacht

Von Matthias Kußmann · 09.10.2013
Bücher haben viele Seiten - gute wie schlechte. Und dann gibt es da noch die seltenen Seiten: hausgemachte Bücher. Fernab von den Massezentralen, im kleinen schwäbischen Warmbronn, dort hockt ein Mann und fertigt von Hand Sammlerstücke an.
"Und jetzt nehm ich den Umschlag und leg das erst hier rein, und dann wird´s durchgelöchert. Das ist eine kleine Schneidmaschine, aber es ist die wichtigste, die ich hab. Wenn man´s dann mal 30 Jahr lang macht, diese Vorgänge … So, und jetzt hier, so beschneid ich dann den Um-schlag. Das hör ich oft, wenn ich hier mit dem Falzbein hin und her fahren muss, das ist ein häufiger Vorgang. Allein diese beiden Nägel und die Löcher sind für mich ganz wichtig. Das ist die Entfernung, die dann genau hier drauf passt, damit ich den Falz machen kann, von innen. Und dann leg ich den Buchblock hier rein … Mehr als 40 Seiten, das sind zehn Blätter, geht nicht, mehr kann ich nicht verarbeiten, die sind dann zu dick. Dann sperren die immer den Schnabel auf, dann geh ich da nicht drüber raus. Dann kommt´s hier durch und dann wird´s geheftet …"

Und dann ist es eins der schönen Hefte aus dem Ulrich Keicher Verlag. – Warmbronn bei Leonberg, eine halbe Stunde von Stuttgart. Ein unscheinbares, aber durchaus literarisches Dorf, gleich in doppelter Hinsicht. Hier in der hügligen schwäbischen Provinz lebte und schrieb um 1900 der Dichter Christian Wagner, von dem später noch die Rede sein wird. Und hier, in der Magstadter Straße 6, residiert der Verlag Ulrich Keicher. "Residiert" muss man schon sagen bei einem Haus, wo nam¬hafte Autoren Schlange stehen – obwohl bei Keicher fast alles anders ist als bei andern Verlagen.

"Heute Morgen hab ich Rechnungen geschrieben, das ist immer noch das Heikelste, ich mach´s einfach nicht gern – dann hab ich die Rechnungen liegen lassen und hab mit dem Buchmachen weitergemacht."

Ja, daran sollten sich die Manager von Medienriesen wie Bertelsmann oder Holtzbrinck mal ein Beispiel nehmen …

Verlage sind immer auch Orte des Repräsentierens. Hoffmann und Campe etwa hat zwei Villen an der Hamburger Binnenalster, S. Fischer sitzt in einem edlen Frankfurter Altbau – und Keicher in einem kleinen Bauernhaus mit winzigen Zimmern, Deckenhöhe 1,90, samt dahinter liegender, schlecht zu heizender Scheune ...

Werkstatt in der Scheune
"Das war ein Haus der Verwandtschaft, da bin ich als kleines Kind schon hergekommen. Die Großeltern, denen hat das gehört, es war ein kleines landwirtschaftliches Anwesen. Da stand immer ein Pferd da hinten und mindestens drei Kühe, wo ich jetzt meine Werkstatt hab."

Üblicherweise gibt es bei Verlagen Lektoren, Hersteller, Vertrieb, Presse- und Werbeabteilung. Wenn die ihre Arbeit getan haben, kommen Drucker, Binder, Auslieferung ins Spiel. Nicht bei Keicher, denn der macht alles selbst, seine Bücher sind im Wortsinn "haus- und handgemacht", teilweise mit historischen Geräten. Die Buchpresse etwa stammt aus dem 19. Jahrhundert.

""Ich würd das auch nie verändern – dass man sagt, da gibt es vielleicht ein Gerät, das ein bisschen praktischer ist... Ich komm mit den einfachsten Mitteln am besten aus."

Dazu passt, was Ulrich von Bülow vom Deutschen Literaturarchiv Marbach über den Verleger schreibt:

Als Ulrich Keicher mir vor kurzem in Warmbronn sein Archiv zeigte, sprachen wir später beim Wein über den eigenartigen Anschein von Logik in Lebenswegen, die nicht von Anfang an auf ein Ziel ausgerichtet wurden. Vielleicht liegt darin das Erfolgsgeheimnis des Verlegers. Unbeirrt von programmatischen Visionen folgt er beweglich und frei seinem Gespür für Texte und Menschen. Was seine Bücher zusammenhält, sind keine großen Worte, sondern – in selbstbewusster Zurückhaltung – die Person des Verlegers.

Betritt man Keichers Bauernhaus, geht es ein paar Stufen hinauf, schon steht man in der Druckerei. Kein Getöse wie sonst, wenn Bücher gedruckt werden, sondern leises Summen. In dem winzigen Raum stehen drei Laserdrucker, ganz normale Geräte, wie in einem Grafikbüro: ein robustes für Schwarz-Weiß-Druck und zwei empfindliche für Farbe.

Drei Quadratmeter Druckerei
"Das ist ein farbiger, die hasse ich, diese Kästen, weil sie immer irgendeinen Fehler haben. Aber der, das ist ein A3, da druck ich alles drauf. Das ist die ganze Druckerei, drei Quadratmeter."

Hier druckte Keicher kürzlich die Erzählung "Schwäbischer Lebenslauf" von Hermann Lenz – wohlgemerkt Hermann, nicht Siegfried Lenz. Dieser Hermann Lenz, 1913 in Stuttgart geboren, galt mit seinen stillen Romanen und Erzählungen lang als Geheimtipp. Erst im Alter hatte er Erfolg, ist aber heute, 15 Jahre nach seinem Tod, schon wieder fast vergessen. Ulrich Keicher hatte und hat immer wieder Texte von ihm im Programm – nun also den "Schwäbischen Lebenslauf", in dem Lenz von seinem Großvater Julius Krumm erzählt. Der machte um 1900 in Stuttgart eine Wirtschaft auf, "Zum goldenen Hasen".

Er war so frei und sagte es den Leuten, wenn er sie in seiner Wirtschaft nicht gern sah, denn: "Man muss sich seine Kundschaft heranziehen", war eines seiner Worte. Und er erreichte damit auch etwas, und die, die er nicht bei sich haben wollte, blieben draußen. Oft kam ein Männlein mit scharfen Gesichtszügen, das ein bisschen bucklig war und lange weiße Haare hatte, die ihm auf die Schultern herab fielen. Es war der Bauerndichter, der viele zarte Verse auf Blumen gemacht hatte, aber von den meisten im Dorf arg verspottet wurde, weil er es als Bauer nicht weit brachte.

Dieser etwas wunderliche Bauerndichter, der mit Hermann Lenz´ Großvater im "Goldenen Hasen" saß, war Christian Wagner aus, genau, aus Warmbronn ... Ein Autor übrigens, zu dessen Wiederentdeckung im 20. Jahrhundert Ulrich Keicher stark beigetragen hat ... Tja, es hängt halt alles mit allem zusammen … Hermann Lenz weiter über Christian Wagner:

Mit ihm saß der Großvater gern zusammen, dann holten sie Bücher herbei. Dazu stießen sie mit kleinen, dicken Gläsern an, das Männlein lächelte fein und strich sich eine Haarsträhne mit knöchernem Finger aus der Stirn, während das Töchterle vom Buffet her scheu herüberguckte, weil das doch ein Dichter war …

Eine Rettung durch Literatur
Was so idyllisch klingt, entstand unter entsetzlichen Umständen, im Zweiten Weltkrieg an der russischen Front. Hermann Lenz, kaum 30, war als einfacher Soldat in den Sümpfen am Wolchow-Fluss, einer Hölle aus Hitze, Leichen und Verwesung. Wenn er auf den sogenannten "Feind" schießen sollte, knallte er in die Luft. Um all das irgendwie zu überstehen, kritzelte er während der Nachtwachen idyllische Geschichten in sein Notizbuch … Eine Rettung durch Literatur.

Oder sie standen auf und gingen in das "Baumstückle" hinaus, einen Obstgarten, der zwischen Rebhügeln lag und Julius gehörte. Dort saß das Männlein dann auf einem Mäuerchen, sein Haar war grau und weiß wie das Moos auf den heißen Steinen, auf die es die runzligen Hände gelegt hatte; es sah aus wie ein Zwerg, gewichtlos und verwittert, und Julius brachte ihm eine große Flaschenbirne.

Ulrich Keicher begeht dieses Jahr gleich drei Jubiläen. Er wurde 70, hat vor 40 Jahren in Warmbronn ein Versand-Antiquariat gegründet und vor 30 Jahren seinen Verlag. Das freilich war im schwäbischen Scheer bei Sigmarin-gen. Mitten im Ort gibt es einen Felsen, um den die Donau fließt, und auf dem Felsen steht ein Schloss. Darin war damals eine Wohnung frei. Keicher verließ Warmbronn und zog nach Scheer – eine "Frauengeschichte" spielte bei dem Entschluss auch noch mit, sagt er.

"Die ersten fünf Bücher, da stand dann drin vorne, schön, das hat mir gefallen: Verlag Ulrich Keicher, Schloss Scheer!, so hieß die offizielle Bezeichnung. Da fing ich an mit Heckmann, Dürrson, Hannelies Taschau, Johannes Poethen und Hans Jürgen Heise, die fünf ..."

Noch nicht lang in Scheer kam es zu einer andren "Frauengeschichte", Keicher lernte seine heutige Frau Corinna kennen. Sie heirateten und gingen zurück nach Warmbronn, ins leer stehende Haus in der Magstadter Straße. Ohne seine Frau ist Keichers Verlag bis heute nicht denkbar. Sie liest jedes Manuskript, das eingereicht wird und berät ihn zum Beispiel bei der Einband-Gestaltung. Früher neigte er zu gedeckten Farben, jetzt kombinieren die beiden Orange mit Froschgrün …

"Ich hab meiner Frau versprochen: 'Ich mach keinen Titel mehr, von dem Du nicht auch so überzeugt bist, dass du sagst, das müssen wir machen!' Sie macht dann auch mit, wenn's um Äußeres geht, da bin ich dann einfach viel sicherer. Sie ist oft auch viel wagemutiger als ich. Und das macht auch Spaß, so was zusammen zu besprechen ..."

Büchlein in der Größe von Schulheften
Bekannt wurde Ulrich Keichers Verlag Mitte der 80er Jahre mit der Reihe "Roter Faden": Büchlein in der Größe von Schulheften, maximal 40 Seiten, aber schön gestaltet. Schwarzer Umschlag, Bleisatz, Auflage 200, also Sammlerstücke. Das Konzept gefiel vielen Autoren und tut es bis heute. Sie haben ein Dutzend Gedichte, einen Essay oder eine kurze Erzählung, die sie gedruckt sehen wollen, doch ihr Verlag streikt, "20, 30 Seiten, das ergibt kein Buch!" Aber ein schönes Heft bei Ulrich Keicher.

"Am Schluss hatte ich 100 Abonnenten. Man wird nicht reich, aber es hat sich sehr schön getragen, da war ich ganz zufrieden."

Bei Keicher publizierten bald namhafte Autoren wie Christoph Meckel oder Sarah Kirsch – und der große Lyriker Walter Helmut Fritz:

In Grönland

Die Stille versteht sich / mit dem Geräusch des vorbei- / gleitenden Schlittens, den Hunden, / die sich Schnee aus dem Fell schütteln / großen, blendenden Flächen, / die den Raum aufbauen / Lebenden und Toten, die einander / begegnen, berühren / und den Worten des alten Bildhauers, / der mit diebischem Vergnügen / an einem Eisbären arbeitet: / Sein Geist spricht aus dem Stein.


Bald jedoch meldeten sich so viele Autoren mit Texten, dass Keicher immer mehr von ihnen abweisen musste. Mitte der 90er Jahre stellte er die erfolgreiche Reihe ein, freilich aus einem andern Grund:

"1996 hat der Bleisetzer, ein alter Herr, gesagt, ich kann nicht mehr, ich krieg auch keine Ersatzteile mehr für meine Linotype. Ich stand vor der Entscheidung und hab auch wirklich gedacht, ich hör auf und mach was anderes. In der Zeit hat mich dann ein alter Schulfreund, das war ein großer Könner, damals schon, im elektronischen Bereich und mit Computerwesen – der hat mich dann da eingeführt und gesagt, probier´s doch mal so. Das war dann die Entscheidung. Da hab ich gesagt, ich mach es auch ein bisschen anders. Nicht mehr diese schwarzen Hefte, jetzt machen wir´s farbig."

Seitdem druckt Keicher mit dem Laserdrucker in erstaunlicher Qualität – es gibt praktisch keinen Unterschied zum üblichen Offsetdruck. Die Bändchen haben meist zwischen 24 und 40 Seiten und sind liebevoll gestaltet. Jedes hat eine eigene, dem Text angepasste Typografie, dazwischen sind Fotos oder Grafiken einmontiert. Oft gibt es ein farbiges Frontispiz, das Keicher in jedes Heft sorgfältig einklebt – ein mühseliges Geschäft.
Keicher ist frei, sein eigener Herr
"Einmal, klar, kann man sagen, ich beute mich aus, aber das Gefühl hab ich gar nicht. Ich mach es ja wirklich gern und bin auch mein freier Herr, und es macht auch Spaß!"

Die Auflage der Hefte beträgt 300 Stück, Nachauflagen der inzwischen 200 Titel sind problemlos möglich, Keicher hat die jeweiligen Dateien im Computer. Nach wie vor gibt es Sammler, die alle neuen Hefte kaufen, zu deren Autoren nun auch Brigitte Kronauer, Lutz Seiler oder Thomas Rosenlöcher gehören – zudem wirbt ein Vertreter im Buchhandel dafür.

"Das ist jetzt ein ganz schöner Grundstock. Das sind 20, 30 Buchhandlungen, die dann regelmäßig bestellen, das reicht für mich vollkommen."

Künftig will der 70-jährige Verleger kürzer treten, nur noch vier Hefte im Jahr machen. Dadurch wird die Auswahl aus den Texten, die ihm Autoren schicken, noch schwieriger.

"So ne ganz furztrockene Erzählung würd ich nimmer machen ..."

Umso lieber aber ungewöhnliche Projekte, an die sich kein andrer Verleger wagt. Keicher hat ein Heft mit Klappentexten gemacht, die der Schriftsteller Albrecht Fabri schrieb, der in den 50er- und 60er-Jahren Lektor im Karl Rauch-Verlag Düsseldorf war. Klappentexte! Das sind normalerweise Waschzettel für Bücher, ohne literarischen Wert …

"Das sind also diese Klappentexte – und das sind kleine Literaturgeschichten! Sie sehen, wenn ich auf so was stoße, da klingelt es bei mir. Während beim einfachen Lyrikband … Das ist ja schön und wichtig, aber da läuft´s dann eben anders …"

Die junge Lyrik missfällt ihm
Es läuft vor allem so, dass Keicher kaum mehr Gedichte verlegt, weil ihm die junge Lyrik derzeit missfällt – zu viel modisches Getue, zu wenig Klarheit. Seine Interessen haben sich geändert, zugunsten von Essays und autobiografischer Prosa, und auch da sind es gestandene Autoren, mit denen er arbeitet. Gerade erschien ein Band von Walter Kappacher. Der Autor erzählt vom 24. Mai 2009, einem Tag, an dem schon morgens alles schief geht, an dem ihn Ulrich Keicher später zu einer Lesung fährt, weil die Bahn mal wieder versagt, doch auch das geht schief, sie kommen zu spät – bis Kappacher abends völlig erschöpft einen Anruf erhält.

Dann, ich lag schon im Bett, summte das Telefon. Meine Frau sagte mir, ich sollte Klaus Reichert, den Präsidenten anrufen …

… den Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Aber bei deren Tagung war er doch gerade gewesen, und sie hatten ihm eine teure Hotelrechnung aufgebrummt, für die er gar nicht zuständig war! Was wollten die denn jetzt noch von ihm?

Ich rief an, Bernd Busch, der Generalsekretär, hob ab. Ich hörte lautes Stimmengewirr, wie in einem Lokal. Ich sollte ihm bitte die Telefonnummer meines Hotels sagen, sie würden zurückrufen. Wie soll ich jetzt…?, dachte ich, schon am Ende meiner Kräfte, fand die Nummer am Telefon neben dem Bett und gab sie durch. Gleich darauf meldete sich Klaus Reichert. Ob ich fest sitze? – Ich: "Einigermaßen, momentan auf der Bettkante." – "Herr Kappacher, Sie bekommen den Georg-Büchner-Preis!"

… den wichtigsten Preis für deutschsprachige Literatur, dotiert mit damals 40.000 Euro, verliehen von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

"Da hat Kappacher mich gefragt, soll ich das aufschreiben? Da hab ich gesagt, ich hab nix dagegen. Das hat er in seiner zurückhaltenden, dann aber wieder ironischen Art geschrieben. Ich schäm mich fast, dass ich wortwörtlich drin vorkomme, aber es war halt so. Und die Geschichte war es wert …"

In Arbeit ist auch ein Bändchen des Essayisten und Schauspielers Hanns Zischler, der seit den 70er Jahren mit Filmrollen etwa bei Wim Wenders bekannt wurde. Zischler, der auch Hörbücher spricht und selbst einen kleinen Verlag hat, wünschte sich ein Heft bei Ulrich Keicher.

"Der Text heißt 'Grasmückensommer' und ist was köstliches Kleines. Auch so autobiografische Notizen, da geht es wieder in Richtung Kappacher. Er ist ja ein großer Naturfreund, beschreibt das genau, kennt sich auch sehr gut aus …"

Rasch aufsteigende Linien (die Lust singt so), ein pulsierender Fächer aus Mordenten und Trillern, manchmal reißen sie einfach ab und setzen unvermittelt, wie nach einer Schrecksekunde, neu an. Wie hingerissen von ihrem eigenen Gesang erstarrt die Grasmücke und verharrt in kurzem Schweigen – als lausche sie und als wolle sie die Ausschüttung, die perlenden Tropfen ihrer Tonfolgen auf uns erkunden. Versteckt sich gern im Laub. Wenn sie sich zeigt und auf dem höchsten Wipfel der Birke schwankend niederlässt – dann ist es ein Auftritt, Kulissenzauber ... Demonstration des großen Gesangs, der von der lärmend herbeischwähenden Elster abgewürgt wird. Jalousie musicale.

Die Verlagsbranche ist in der Krise. Kleine Häuser machen dicht oder werden von großen geschluckt, Traditionsverlage wie Suhrkamp zerstören sich durch innere Querelen selbst. Und der Verlag Ulrich Keicher?

"Ich werde immer wieder gefragt, wie geht’s denn weiter? Du brauchst doch auch jemand, der Dir jetzt hilft. Da sag ich: Nein, die Geschichte wird auslaufen. Ich kann es mir auch gar nicht vorstellen, dass das jemand übernehmen könnte oder wollte. Das ist dermaßen stark mit mir verflochten … Ich bin deswegen auch gar nicht traurig, sondern halte es für das Natürlichste von der Welt, dass man mit so was auch irgendwann abschließt und sagt: Gut, das war´s."

Vier Hefte im Jahr macht er
So weit ist es aber noch nicht. Vier Hefte pro Jahr will Keicher ja noch machen, bei interessanten Projekten könnte das eine oder andre dazukommen – die Lust am Büchermachen hört eben nie auf ... Kürzer tritt er aber auf jeden Fall. Früher hatte er 14-Stunden-Tage, blieb bis in die Nacht in seiner Werkstatt. Das muss nicht mehr sein.

"Um sechs Uhr hör ich immer pünktlich hier auf. Wenn ich die gefalzten und gestochenen Buchblöcke hab, dann pack ich´s ein und nehm´s mit naus. Entweder macht´s meine Frau morgen früh, oder wenn ich heut Abend noch Lust hab, mach ich nen Trollinger auf, und nebenher heft ich dann die Sachen."

Der Trollinger ist, nebenbei, ein typischer schwäbischer Rotwein. Und vor allem: Ulrich Keicher kann jetzt abends endlich wieder lesen, ohne ans Büchermachen zu denken – einfach nur aus Freude am Lesen.

"In der Regel lese ich. Und da kommen wirklich tolle Erlebnisse raus …"