"Buddenbrooks"

24.12.2008
Der Film protzt an der schönen Oberfläche mit Kostümen, Ausstattung und Dekor. Trotz namhafter Darsteller wie Armin Mueller-Stahl, Iris Berben und Jessica Schwarz wirken die Figuren aber statisch, ohne groß zu funkeln. Diese "Buddenbrooks" bleiben uns gleichgültig.
Deutschland 2008, Regie: Heinrich Breloer, Hauptdarsteller: Armin Mueller-Stahl, Jessica Schwarz, Iris Berben, ab sechs Jahren

Der Film von Heinrich Breloer (Co-B, gemeinsam mit Horst Königstein, D 2007) basiert natürlich auf dem gleichnamigen, 1901 veröffentlichten Thomas-Mann-Roman und ist der erste Kinofilm des TV-Autoren und TV-Regisseurs. Der 1942 in Gelsenkirchen geborene Breloer zählt zu den bedeutendsten TV-Filmemachern überhaupt und wurde speziell mit seinen Filmen über deutsche Zeit-Geschichte ("Die Staatskanzlei", 1989, die Barschel-Affäre; "Todesspiel", 1997, die Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer; "Speer und Er", 2004, über Albert Speer) bekannt. Die Filme in dem von ihm maßgeblich konzipierten neuen Genre DOKU-DRAMA – mit nachgestellten Spielszenen innerhalb eines dokumentarischen Rahmens - gelten als Meilensteine des kreativen, innovativen, spannenden "Fernsehens", wurden wie er vielfach preisgekrönt und hochgelobt.

Der mehrfache Preisträger des bedeutsamen "Adolf-Grimme-Preises", das ist der TV-"Oscar" bei uns, befasste sich bereits 2001, in dem Mehrteiler "Die Manns. Ein Jahrhundertroman", mit der Geschichte der Familie Mann. Die Tochter Thomas Manns, Elisabeth Mann Borgese, führte darin (mit Breloer als Interviewer) durch den Spielfilm, in dem Armin Mueller-Stahl als Thomas Mann und Monica Bleibtreu als Katia Mann auftraten.

Wenn ich sage, Heinrich Breloer hätte nun seinen ersten Kino-Spielfilm gedreht, ist das eigentlich nicht korrekt: Er hat vielmehr einen aufwändigen Vier-Stunden-TV-Spielfilm für ein Budget von rund 16 Millionen EURO realisiert, von dem jetzt ein 150-minütiger "Happen" auf die Leinwand kommt, bevor er dann später als Zweiteiler bei der ARD gesendet wird.

Die literarischen Fakten: Im Jahr 1901 veröffentlicht der 26-jährige Thomas Mann seinen ersten Roman: "Buddenbrooks. Verfall einer Familie". Ein Jahrhundertroman auf 600 Seiten. 1929 erhält Thomas Mann für "Buddenbrooks" den Nobelpreis für Literatur. Das Werk erreichte bis heute eine Auflage von etwa 6 Millionen Exemplaren und wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt.

Der Regisseur Gerhard Lamprecht brachte die "Buddenbrooks" 1923 als Stummfilm erstmals auf die Leinwand. 1959 folgte Alfred Weidenmanns Schwarz-Weiß-Adaption mit Werner Hinz, Lil Dagover, Liselotte Pulver, Hansjörg Felmy und Hanns Lothar, ehe Franz Peter Wirth 20 Jahre später aus dem berühmten Lübecker Stoff einen TV-Mehrteiler inszenierte.

Heute nun gibt es also wieder die "Buddenbrooks": Die Geschichte einer norddeutschen Kaufmannssippe aus dem 19. Jahrhundert, in der alle Entscheidungen und Beziehungen dem wirtschaftlichen Erfolg, dem Profit unterworfen sind. An der Familienspitze: Konsul Jean Buddenbrock (Armin Mueller-Stahl). Der "den Laden" in einer Mischung aus Granit und Würde führt. Dabei aber geht es hier nicht nur um Gier und Streben nach dem ewigen Geschäftserfolg, sondern auch um das schicksalhafte Innere des Familien-Zirkels; geht es vor allem um den vergeblichen Unabhängigkeitsdrang der Tochter Tony (Jessica Schwarz); geht es um den ständigen Bruderzwist zwischen dem Boheme Christian (August Diehl) und dem Vater-Sohn-Kaufmann Thomas (Mark Waschke). Mittendrin: Die eiserne Gefühlsdisziplin der Konsulin Bethsy (Iris Berben).

Die Probleme sind literarisch bekannt, also filmisch vorprogrammiert. Das hätte "dennoch" wieder spannend, aufregend, aktuell, brisant, dicht, packend sein können. In Geschichte(n) , Figuren, Atmosphäre. Als spannende aktuelle Interpretation angesichts der weltweiten Finanzkrise; angesichts der Kapitalismus-Diskussion mit der vielen "Heuschrecken-Mentalität". (Allerdings wurde der Film gedreht, als alles noch "normal" war). Oder als nahegehendes Figuren-Karussell: Die Typen, ihre Macken, die Seelen-Chose(n), ihre spannenden Bewegungen, Gedanken, Deformierungen, Defizite. Ihre genauen Ängste, Nöte, Unzulänglichkeiten.

Nichts von alledem. Die Akteure nehmen von Anfang an brav ihre überschaubaren Positionen ein und "bewegen" sich äußerlich wie innerlich nur in diesem braven, vorgegeben Rahmen. Man gibt sich statisch, ohne groß zu funkeln. Ihr Wirken ist "begrenzt", weil nie wirklich wehtuend. Dafür protzt der Film an der schönen Oberfläche. Kostüme, Ausstattung, Dekor, das ganze feine Schau-Programm. Bestechend-schön (vom Breloer-Kameramann Gernot Roll) eingefangen.

Es ist gerade Ballsaison, mit den herrlichen Kleidern und den fein-tänzerischen Bewegungen kommen Samt und Seide in Wallung. Aber die Buddenbrooks bleiben uns gleichgültig. Da können auch die namhaften Darsteller nichts ausrichten: Mueller-Stahl füttert routiniert den müden Patriarchen; Iris Berben wirkt deplaziert in ihrer aufgesetzt wirkenden Marionetten-Kühle; Jessica Schwarz nimmt man den Alterungs- und Reifeprozess "nur mühsam" ab; August Diehl hibbelt "irgendwie künstler-bekloppt" herum, und Mark Waschke als dann neuer Senior-Chef strengt sich gut an.

Keine Zwischentöne, keine packendes Identitätsfieber, keine "besonders aufregenden" Entwicklungen; alles vorhersehbar, "schicksalhaft"-eingeordnet, halt jederzeit überschaubar. Kollegen in den Feuilletons sprechen von "Amphibienfilm": Überspitzt gesagt, zuviel "Fernsehen", zu wenig "Kino"; Dramaturgie, Kamera, Schnitt, Figuren-Bewegungen entsprechen mehr den "plumpen", sprich konventionellen ("Bedienungs"-)Bedürfnissen des TV-Geldgebers. Also: Keine Niete, aber auch kein Groß-Ereignis per Leinwand, was demnächst zur Primetime in der ARD voll-gut durchläuft, wirkt auf der großen Leinwand angenehm-bemüht, aber nicht sonderlich erquickend.