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Verzettelt mit Leidenschaft

Der Gründer des Eichborn Verlags, Vito von Eichborn, steht mit seinem Kater an einem See hinter seinem Haus in Schleswig-Holstein.
Der Gründer des Eichborn Verlags, Vito von Eichborn, steht mit seinem Kater an einem See hinter seinem Haus in Schleswig-Holstein. © picture alliance / dpa
Von Claas Christophersen und Norbert Zeeb · 28.05.2014
Mit Geschmacklosigkeiten – wie dem "kleinen Arschloch" des Comic-Autors Walter Moers – hat der Verleger Vito von Eichborn immer wieder große Erfolge gefeiert. Nun ist er 70, doch an Ruhestand will er noch lange nicht denken.
"Hey Willi, was schreist du denn hier rum, sach mal?"
Ein verregneter Vormittag in der Holsteinischen Schweiz. Verleger-Legende Vito von Eichborn, der die meiste Zeit seines Lebens in Frankfurt gelebt hat, ist mit seiner Frau Rosemarie und den Katzen Willi und Socke auf's Land gezogen, nach Timmdorf, direkt an den Dieksee.
"Sind die Haubentaucher nicht toll?"
Auf dem gepflegten Rasen hinter dem Haus würde Eichborn eigentlich gern einen Spaten ansetzen und Gemüse anbauen, doch die Vermieter sind von der Idee nicht so begeistert. Statt Karotten und Rettich kultiviert der 70-Jährige nun seine Spleens, bastelt Vogelhäuser und "Käsekisten".
"Ich habe jetzt ne Käsekiste gebaut, auf die ich sehr stolz bin, die steht im Keller. Irgendwie gab es die früher mal, so mit nem Gitter davor, damit die Mäuse nicht dran gehen. Nun gibt es hier zwar kaum Mäuse, aber ich habe so eine Käsekiste gebaut, damit der Käse nicht im Kühlschrank kaputt gemacht wird – geht die Käsekiste immer in den Keller."
"Schön hier, ne? Grandios. Ich freue mich jeden Tag dran."
An Ruhestand ist nicht zu denken
Eichborn fühlt sich in der norddeutschen Provinz angekommen, will hier Wurzeln schlagen. Doch Landleben heißt für den umtriebigen Verleger nicht Ruhestand, die meiste Zeit verbringt er in seinem Büro im Dachgeschoss des Hauses.
"Ja, was liegt denn da rum? Honorarabrechnung von einem Autor, dessen Agent ich bin, der Jens Johler von Ullstein. Dass muss ich mit ihm noch machen, ich muss ihm das Honorar überweisen. Naja, Autorennamen aufgeschrieben, wo ich mal nachgucken will, ein bisschen recherchieren."
Die Comic-Kultfigur "Kleines Arschloch" (l.) in der gleichnamigen Verfilmung der Cartoons von Walter Moers, das im Verlag von Vito von Eichborn erschien.
Die Comic-Kultfigur "Kleines Arschloch" (l.) in der gleichnamigen Verfilmung der Cartoons von Walter Moers, das im Verlag von Vito von Eichborn erschien.© picture-alliance / dpa
Auf seinem Schreibtisch häufen sich Papierkram, Manuskripte, Notizen. Eichborn steckt noch immer mitten drinnen im Geschäft mit den Büchern, betreut als Literaturagent Autoren, veranstaltet Seminare zum Buchmarkt, tritt zuweilen selbst als Autor in Erscheinung und schreibt gerade an einem Reiseführer über seine Wahlheimat, die holsteinische Provinz.
"Ich bin immer verzettelt. Ich mache immer fünf Sachen gleichzeitig und nichts richtig. Das ist der Fehler. Aber so bin ich nunmal gestrickt. Ich kann mich nicht auf eins beschränken, das geht nicht. Was zu trinken?"
Bücher unter dem Motto: Das tut man nicht
Eichborn ist niemand, der seine Ideen kaputt denkt, eher der entschlossene Typ, der anpackt. Ein Macher. Als er sich Anfang der Achtzigerjahre als Lektor beim traditionsreichen Fischer-Verlag zu langweilen beginnt, gründet der bekennende Achtundsechziger einfach sein eigenes Unternehmen, den Eichborn-Verlag.
"Damals habe ich dann entdeckt, es gibt Verlage für alles, aber es gibt noch keinen Verlag für Unverschämtheiten. Und die Aufmüpfigkeit – haben wir ja nun antiautoritär auch gelernt in den Sechzigern, Siebzigern, Aufmüpfigkeit als zivilisatorische Leistung zu begreifen – gehörte dann zum Rezept, ja? Also, ich suchte Bücher unter dem Motto: Das tut man nicht. Und auf diesem Weg bis zum 'Lexikon der subversiven Fantasie' – was dann von der Bundesprüfstelle verboten wurde – entstanden Sachen, die also richtig dann für viele Leute jenseits der Geschmacksgrenze waren."
Eichborn ist stolz auf sein Lebenswerk. Doch als einen großen Fehler bezeichnet er inzwischen den Ausstieg aus seinem eigenen Verlag. Nach Meinungsverschiedenheiten mit seinem Partner Matthias Kierzek verkaufte er Mitte der Neunzigerjahre seine Anteile am Eichborn-Verlag.
"Ich habe mein Kind verlassen. Und wie das so geht, wenn das Kind gute Arbeit machte, dann habe ich mich gefreut, habe ich ja was Gutes in die Welt gesetzt. Aber wenn es nichts taugte, dann war ich natürlich auch schadenfroh, dachte: Siehste, ohne Papa geht's nicht! (lacht)"
"Also, hier stehen die Vitolibro-Sachen. Das ist Konrad Hansen. Richtig heftig, lebendig."
Ein Verlag für verschollene literarische Schätze
Im Verdrängungswettbewerb der großen Verlage möchte sich Eichborn heute nicht mehr tummeln. Ein kleines Projekt hat der leidenschaftliche Verleger aber dennoch in Arbeit: "Vitolibro", ein Verlag für verschollene literarische Schätze.
"Als alter Sack ist es ja so eine Sache. Entdecken von Autoren ist schwierig, wenn man am See sitzt, aber Entdecken von zu unrecht vergriffenen Büchern, das ist das, was ich gerne mache. Und diese Unternehmensidee, da hänge ich dran, und die will ich jetzt ausweiten."
Einige Bücher hat Eichborn bereits in kleiner Auflage gedruckt.
"'Schönheit der Verwilderung' von Henning Boetius, ein Autor, den ich mal entdeckt habe und der viele Bücher geschrieben hat und auch sehr erfolgreich geworden ist. Und dies, finde ich, war sein bestes Buch."
Doch wiederentdeckte Bücher stoßen bei Medien und Buchhandel auf nur wenig Resonanz, und so sollen die Remakes nun den E-Book-Markt erobern. Eine passende Internet-Plattform lässt Eichborn bereits erarbeiten: "wiederlieferbar.de".
"Das ist eine Frage von Copyright-Aufbau, ja? Wenn die ersten Hundert oder Fünfhundert E-Books da sind, dann fängt ja irgendwann überhaupt erst nennenswerter Umsatz an. Der ganze E-Book-Markt besteht ja noch aus Genre, ja? Erotik und Liebe und Science-Fiction und nicht viel mehr. Und diese anspruchsvolleren Sachen, die ich da habe, die kauft erstmal keiner als E-Book. Aber langfristig, denke ich, schon."
Verlassen kann sich Eichborn dabei auf sein in den letzten Jahrzehnten immer wieder bewiesenes Gespür für aufsehenerregende Titel.
"Vielleicht gelingt es mir, das eine oder andere entweder doch selbst auch als Printausgabe zu drucken mit einer kleinen Auflage oder aber einen anderen Verlag dafür zu interessieren oder internationale Rechte zu handeln. Also, wer weiß, ob da nicht irgendein Bonbon dazwischen ist. Ich weiß es ja nicht, aber es sieht so aus, als ob das jetzt, die Planung für meinen Lebensabend sich wirklich hier auf meine Provinz bezieht."
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