Bruch rechnet mit knapper Einigung auf neues BKA-Gesetz

Karl Peter Bruch im Gespräch mit Hanns Ostermann · 04.12.2008
Der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Karl Peter Bruch (SPD) rechnet mit einer knappen Einigung auf das BKA-Gesetz im Bundesrat. Nach jetzigem Stand gebe es 35 Ja-Stimmen und 34 Nein-Stimmen, sagte Bruch. Ein kritischer Punkt sei die richterliche Entscheidung der Online-Durchsuchung privater Computer.
Hanns Ostermann: Sind wirklich alle umstrittenen Fragen geklärt? Nachdem der Bundesrat das neue BKA-Gesetz zu Fall gebracht hat, scheint jetzt doch noch der Durchbruch gelungen, der Kompromiss gefunden zu sein. Dem Vermittlungsausschuss liegt jedenfalls ein Entwurf vor, mit dem beide Seiten leben können, die CDU wie die SPD. Wichtig ist dabei vor allem, dass Online-Durchsuchungen erst dann vorgenommen werden dürfen, wenn ein Richter dem zugestimmt hat. Trotz aller Eile, das Bundeskriminalamt hat sich diesen Spielregeln zu unterwerfen. Über das künftige BKA-Gesetz möchte ich um 6:51 Uhr mit dem Innenminister von Rheinland-Pfalz sprechen, Karl Peter Bruch von der SPD. Guten Morgen, Herr Bruch!

Karl Peter Bruch: Guten Morgen!

Ostermann: Wie sicher sind Sie, dass dieser Entwurf im Vermittlungsausschuss und dann auch Bundesrat angenommen wird?

Bruch: Na ja, wir hätten mit dieser Einigung 35 Stimmen im Bundesrat, die nicht zustimmen werden, 34. Es wird knapp.

Ostermann: Es wird knapp, das bedeutet, dass insbesondere die FDP ihre Kritik wieder die Waagschale wirft?

Bruch: Ja, wobei ich sehe, dass die FDP eigentlich nach ihren rechtsstaatlichen Gesichtspunkten und nach ihrer rechtstaatlichen Überlegung hier zustimmen könnte. Wir haben das eingebracht, was nach meiner, also nach Rheinland-Pfalz-Meinung notwendig war, um rechtsstaatlich hier sauber zu arbeiten.

Ostermann: Trotzdem, strittig scheint der FDP nicht zuletzt die Frage, warum werden Abgeordnete oder Seelsorger zum Beispiel beim Zeugnisverweigerungsrecht anders beurteilt als Ärzte oder Journalisten? Wird da nicht mit ungleicher Elle gemessen?

Bruch: Ja, jetzt haben Sie natürlich voll den Punkt erwischt, wo wir uns nicht durchsetzen konnten von Seiten der Länder. Wir haben ja vier Anrufungsgründe gehabt. Ein Anrufungsgrund war das Zeugnisverweigerungsrecht, ein erweitertes Zeugnisverweigerungsrecht - es ist ja eins drin - für Ärzte und Notare und auch Journalisten. Das haben wir nicht durchsetzen können. Da war keine Möglich, da es vorher schon eine Einigung zwischen A und B gab, zwischen CDU und SPD gab, war auch hier die Seite der Bundestagsfraktion der Meinung, okay, da wollen wir uns nicht aus der Strafprozessordnung entfernen.

Ostermann: Also halten wir fest: Es wird mit ungleicher Elle gemessen?

Bruch: Nein, das kann ich nicht sagen. Die Strafprozessordnung hat ja eine relativ hohe Hürde in dem Bereich, mit dem Zeugnisverweigerungsrecht-Gesetz. Und man hat einfach argumentiert, diese gleiche Elle wollen wir auch dort anlegen. Ich hatte argumentiert in den Verhandlungen, auch schon im Bundesrat, dass wir hier eine Gefahrenabwehr haben. Das heißt, noch ist nichts passiert, Gott sein Dank, aber wir werden etwas unterbinden, damit etwas passiert. Da, meine ich, sei die Eingriffsmöglichkeit doch höher zu werten. Aber dem ist nicht gefolgt worden.

Ostermann: Gefahrenabwehr. Der künftige Generalschlüssel des BKA heißt internationaler Terrorismus. Wie ist der eigentlich definiert?

Bruch: Nun, internationaler Terrorismus will ich an einem Beispiel sagen: Wo wir Probleme haben, ist, dass heute über Dienste, ausländische Dienste an uns Hinweise herangetragen werden, unterschiedlicher Qualität an unterschiedlichen Orten. Da war es bisher nicht möglich zu sagen, wer ist denn jetzt zuständig, das eine Land nicht oder das andere Land nicht, weil in keinem der Bundesländer war eigentlich der Anknüpfungspunkt. Und das BKA musste dann ein Land suchen und musste fragen, könnt Ihr für uns einen Antrag stellen, hier tätig zu werden, und dann können wir mit euch reden, dass wir da mit reinkommen. Ein sehr seltsamer Umweg und ein sehr schwieriger Umweg, der auch bei den Diensten, die uns helfen, natürlich nicht zu vermitteln war. Deswegen ist klar, alles, was kommt von außen, ich sage es mal sehr salopp, ist Sache des BKA. Alles, was länderübergreifend ist, ist Sache des BKA. Und letztendlich muss das BKA dann auch auf Antrag eines Landes tätig werden. Das gab es alles bisher nicht, sondern es gab immer nur Krücken, um sich zu behelfen. Und von daher gesehen wollten wir auch eine klare Regelung haben.

Ostermann: Aber damit weiß ich immer noch nicht, was ist eigentlich internationaler Terrorismus. Wie ist der definiert?

Bruch: Nun, internationaler Terrorismus - Sie meinen eine Rechtsdefinition?

Ostermann: Ja.

Bruch: Ja, all das, was im internationalen Terrorismus, wo Sie einen Hinweis bekommen, hier könnte ein Anschlag bevorstehen, hier könnten entsprechende Schmuggelsituationen entstehen, wo Zünder geschmuggelt werden - so etwas hatten wir ja, von der Türkei zum Beispiel nach Deutschland - all das, was international zu bewerten ist, das ergibt sich als selbstredend aus dem Begriff.

Ostermann: Herr Bruch, aber steht das auch im Gesetz, im künftigen?

Bruch: Ja, internationaler Terrorismus, steht im Gesetz, ja.

Ostermann: Ja, aber die eigentliche Definition, über die wir gerade geredet haben, die scheint nicht drinzustehen, wenn ich den Kommentatoren heute glauben darf?

Bruch: Ja gut, internationaler Terrorismus ist ja ein feststehender Begriff. Also es kann sein, dass wir später in einer Auskleidung, ein Gericht eine Definition macht, genauso wie ein Gericht ja festgelegt hat, was ist sozialer Rechtsstaat oder wo ist der Eingriff bei bestimmter Gefahrenabwehr, wie ist die Gefahr zu bewerten. Es gibt ja eine ganz klare Gefahrenkonkretisierung und eine Gefahrendefinition.

Ostermann: Heikel ist ja auch die Frage, was gehört zum Kernbereich privater Lebensgestaltung, also welche Daten in meinem Computer sind, intim oder vielleicht nicht intim. Jetzt die Einschaltung eines Richters, die ändert doch eigentlich nichts daran, dass hier massiv in unsere Grundrechte eingegriffen wird?

Bruch: Das war ein Grund, weshalb das Land Rheinland-Pfalz gesagt hat, wir müssen hier eine andere Regelung oder eine schärfere Regelung haben mit einem Richter, weil bisher war ja nur geplant, dass BKA-Beamte unter Einbeziehung des Datenschutzes dort eingreifen können. Aber auch hier tun wir im Grunde genommen nichts Neues. Das Bundesverfassungsgericht hat definiert, was in den Kernbereich gehört und dass der Kernbereich besonders geschützt ist im Bereich der Wohnraumüberwachung. Und wir haben eine Hürde geschaffen, die auch in der Wohnraumüberwachung schon besteht. Deswegen haben wir uns auch immer gefragt, warum macht man nicht das, was in der Wohnraumüberwachung mittlerweile Stand ist der Rechtsprechung und auch der Technik, nicht auch in dem Bereich des Rechners? Beim Rechner ist Folgendes natürlich, dass er viel mehr Daten beinhaltet, als möglicherweise in der Wohnraumüberwachung bei Gesprächen festzustellen ist. Und da muss halt eben jetzt - und da befinden wir uns in einem Neuland, das ist ein richtig technisches und rechtliches Neuland - wenn man in den Rechner hineingeht, da muss jetzt gearbeitet werden, und wir müssen die ersten Erfahrungen auswerten, und dann muss auch die Rechtsprechung entsprechend handeln.

Ostermann: Aber wenn man, Sie haben die Wohnraumüberwachung schon angesprochen, wenn man das alles hinzuzählt, wenn man auf Schritt und Tritt beobachtet oder abgehört werden kann, entsteht dann nicht ein Bild der Gesamtpersönlichkeit, das letztlich zu weit geht?

Bruch: Ja, das kann sein, muss nicht sein und darf nicht sein im Grunde genommen, weil wir ja eine gleiche Diskussion hatten bei der Wohnraumüberwachung. Wir werden immer wieder technische Entwicklungen haben, die uns dazu zwingen, unsere rechtliche Instrumente zu überprüfen, sind die in Ordnung, sind die rechtsstaatlich genau normiert und ist es verhältnismäßig, was ich tue. Von daher gesehen ist die Frage Rechnereindringen mit einer hohen Hürde besetzt, weil auch private Dinge im Rechner heute sind, die möglicherweise gar nicht im Gespräch erwähnt werden. Und von daher gesehen war klar, wir müssen hier eine Regelung schaffen, die halt eben dann technisch hält. Wir waren der Meinung, dass nur mit einem Richter das zu schaffen ist und dass halt eben das einmal der erste Schritt sein muss. Ich bin schon der Meinung, dass wir hier natürlich Entwicklungen haben werden. Aber wir werden immer wieder Fragen haben, in der Technik hängen wir hinten nach, wir hängen immer hinten nach - das ist auch normal -, aber wir müssen das rechtsstaatlich genau normieren.