Broterwerb

Ich arbeite, also bin ich

Mitarbeiter von Porsche bei der Montage im Werk in Leipzig.
Mitarbeiter von Porsche bei der Montage im Werk in Leipzig. © picture-alliance / dpa / Jan Woitas
Von Günter Rohleder · 10.10.2014
Hat Ihre Arbeit Sinn? Oder würden Sie lieber etwas anderes tun? Gäbe es ein bedingungsloses Grundeinkommen, hätte man die Wahl. Der Journalist Günter Rohleder glaubt, dass das durchaus realisierbar ist - unter bestimmten Voraussetzungen.
Was macht die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen so kontrovers? Sie rüttelt am herrschenden Arbeitsbegriff: Da ist zum einen die Arbeit, die uns Einkommen beschert. Zum anderen werden wir durch Arbeit Teil der Gesellschaft. Entsprechend führt Arbeitslosigkeit die meisten Menschen nicht nur in die finanzielle Krise: Sie erfahren auch, was es heißt, nicht mehr dazuzugehören.
Hauptsache Arbeit, sagt die Politik und meint die Lohnarbeit. Angesichts von Millionen Menschen, die sich mit Niedriglohnjobs durchschlagen müssen oder mit Hartz-IV Maßnahmen gegängelt werden, eine zynische Maxime.
IdA ist angesagt: Integration durch Arbeit. So will es der kapitalistische Wertschöpfungsprozess. Aber wollen wir das auch?
Spielt etwa ein Vater mit seinem Kind, ist er ökonomisch unproduktiv und erzeugt kein Bruttosozialprodukt. Engagiert er einen Babysitter und bezahlt ihn dafür, verwandelt sich das Spiel in Erwerbsarbeit und treibt die Wertschöpfung voran. Und jetzt kann der Vater seine kindfreie Zeit nutzen, um selbst arbeiten zu gehen.
Lohnarbeit ist kein Selbstzweck. Aber jeder braucht ein Einkommen in einer Geldgesellschaft. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde dem Vater ermöglichen, das Spiel mit seinem Kind Spiel sein zu lassen. Arbeiten – oder reden wir lieber von tätig sein? – tut er sowieso, wenn er für sein Kind sorgt, mit allem was daran hängt. Nur wird er dafür nicht bezahlt.
Sinn, Lust und Talent als Motive für die Berufstätigkeit
Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde jedem ein Einkommen ohne Erwerbszwang garantieren. Jeder könnte auf bescheidenem Niveau wählen, ob und zu welchen Bedingungen er einer bezahlten Arbeit nachgehen will. Der Zwang auf Teufel-komm-raus Einkommen zu generieren, wäre nicht mehr das Motiv, eine Erwerbsarbeit anzunehmen. Sinn, Lust und Talent könnten Hauptmotive sein, um tätig zu werden oder berufstätig.
Es ist absurd, dass wir trotz ungeheurer Produktivitätserfolge durch Maschinen und angesichts enormer Wissensressourcen weiter die Lohnarbeit als zentrale Sinnstiftungsinstanz hochhalten. Glücklich schätzen kann sich, wer im Beruf Sinn und genügend Einkommen vorfindet. Aber wie viele Job-Inhaber trauen sich gar nicht erst, die Frage nach dem Sinn zu stellen?
Wer die Drecksarbeit macht unter Grundeinkommensbedingungen, fragen Sie?
Eine schöne Utopie
Tja, wo fängt Arbeit an, dreckig zu sein? Beim Windeln von Kindern oder beim Reinigen von Abwasserrohren? Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, was die sogenannte Drecksarbeit betrifft: Man legt selbst Hand an oder die Arbeit wird besser bezahlt oder sie fällt einfach weg, etwa durch Automatisierung. Würden Sie einen Drecksarbeitsplatz verteidigen?
Überhaupt reden wir alle immer gern über andere. "Der da" würde mit einem garantierten Grundeinkommen gar nichts mehr tun, denken Sie vielleicht. Woher wissen Sie das? Und vielleicht würde auch Ihnen weniger Arbeitsdruck und mehr Muße gut tun? Schon das Nachdenken darüber, was wir selbst gern tun können wollten, vorausgesetzt wir hätten die Wahl, kann ziemlich aufrütteln. Mehr Freiheit, zu wählen, kann auch Angst machen, denn mit ihr steigt die Verantwortung des Einzelnen, gegenüber sich selbst und gegenüber der Gesellschaft.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle wäre längst nicht das Schlaraffenland, aber es könnte ein Stück Befreiung bedeuten. Eine schöne Utopie? Warum nicht? Auch die Demokratie ist ja nicht einfach da, sie muss jeden Tag neu erstritten werden.
Günter Rohleder, 1960 in Essen geboren, studierte Politische Wissenschaft in Berlin und lebt und arbeitet dort als freier Journalist.
Günter Rohleder
Günter Rohleder© Rolf Schulten
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