Brok: Berlusconi hat Italien "relative Stabilität" gebracht

Elmar Brok im Gespräch mit Marietta Schwarz · 09.11.2011
Unter Silvio Berlusconi habe Italien eine "relativ gute Entwicklung" gemacht, betont der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. Allerdings habe Berlusconi versäumt, die notwendigen Reformen durchzuführen, um Italien wettbewerbsfähig zu halten.
Marietta Schwarz: 50 Vertrauensabstimmungen hat Silvio Berlusconi überlebt, 17 Jahre lang prägte er die Politik seines Landes – jetzt ist sein Ende offenbar gekommen, und viele Italiener jubeln. Berlusconi hat gestern Abend seinen Rücktritt angekündigt, nachdem er an einer Abstimmung über seinen Rechenschaftsbericht gescheitert war. Wochenlang stand er ja unter Druck, vor allem auch aus Brüssel, denn sein Land zählt zu den Wackelkandidaten in der Schuldenkrise, und am Ende ist dieser Druck offenbar selbst für einen wie Berlusconi zu groß geworden. Mit dem CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok möchte ich zurück und nach vorne blicken, er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Brok!

Elmar Brok: Guten Morgen!

Schwarz: Auch wenn Silvio Berlusconi noch im Amt ist oder noch zuckt, wie Sie ja gerade selbst im Vorgespräch gesagt haben – das Ende seiner Ära hat er gestern selbst eingeläutet. Wie blicken Sie denn, Herr Brok, aus europäischer Sicht auf diese Ära?

Brok: Ein bisschen zwiespältig, aber nicht so negativ, wie das oft gesagt wird, denn er hat auch eine relative Stabilität in die italienische Politik gebracht. Wenn man sieht, dass man in der Vergangenheit alle halbe Jahre eine neue Regierung hatte, dann ist das in den 17 Jahren in den Wechseln von Prodi und Berlusconi doch anders gewesen, und eigentlich hat Italien eine relativ gute Entwicklung gemacht. Aber es ist natürlich die Unbeständigkeit seiner eigenen Art und der Persönlichkeit, aber hier wird oft vergessen, dass er auf einen Mann angewiesen ist, der ja nun besonders extravagant ist und Regierungsfähigkeit nicht möglich machte, das ist der Chef der Lega Nord, Umberto Bossi. In Italien ist das immer ein Problem: Welchen Partner hat man denn?

Schwarz: Stabilität heben Sie als Qualität hervor. Was ist denn der Nachteil an diesen 17 Jahren Berlusconi gewesen?

Brok: Ja, dass doch da nicht die notwendigen Reformen mit Mut gemacht worden sind. Es ist so, dass Italien es versäumt hat, die staatlichen Strukturen so zu verändern, dass man wirklich wettbewerbsfähig ist, dass Strukturveränderungen stattgefunden haben, die das Land modernisiert, das … ein Land, das eigentlich eine große Wirtschaftskraft hat. Wenn man sich dort in Italien anschaut die Lombardei zum Beispiel oder Piemont, dann sind dann Wirtschaftsregionen, die man gern in Deutschland hätte. Aber das ist nicht wirklich auf ganz Italien überwölbt worden. Süditalien ist nach wie vor in Händen von Mafia, obwohl auch dort einiges geschehen ist, und dort ist wirklich die Modernisierung des Staates nicht erfolgt.

Schwarz: Am Ende brachte Berlusconi die Schuldenlage seines Landes zu Fall. Hat er Italien in den Ruin getrieben?

Brok: Ich glaube, dadurch, dass er diese Wettbewerbsfähigkeit nicht hergestellt hat oder die Wirtschaft dazu gezwungen hat, ist das ein negativer Punkt, aber wir müssen auch positiv sehen: Er und Prodi haben zwischen 1996 und 2006 die Schuldenlast Italiens um 20 Prozent abgebaut, die dann wieder anstieg mit der Wirtschaftskrise und der Finanzkrise und dem Heraufkommen (Anm. d. Red.: schwer verständlich) von Banken ab 2008. Und da hat er, glaube ich, nicht gesehen, in welcher Weise jetzt darauf geantwortet werden muss, damit man diese Krise bewältigen kann.

Schwarz: Und jetzt steht Italien als Wackelkandidat in dieser Schuldenkrise.

Brok: Ich glaube, dass, wenn jetzt klare italienische Führung in die italienische Politik kommt, dass dieses relativ schnell machbar (…) (Anm. d. Red.: Auslassung, da schwer verständlich), und ich sagte bereits, doch die relative Stärke der italienischen Wirtschaft, wir müssen auch sehen, dass die Italiener die Schulden, die sie haben, aus Italien selbst heraus finanziert haben, das sind nicht so sehr Auslandsschulden, alsodass da eine Voraussetzung da ist, wenn es eine Glaubwürdigkeit da ist einer politischen Führung, die die Strukturreformen in Gang setzen kann. Das ist nicht mit Griechenland vergleichbar, das Potenzial Italiens ist sehr viel besser, und jetzt stellt sich die Frage: Kann man dort eine Parteienstruktur schnell hinbekommen, die es möglich macht, eine solche stabile Reform für ihre Regierung (Anm. d. Red.: schwer verständlich) zusammenzubringen?

Schwarz: Herr Brok, wenn ich Sie richtig verstehe, sehen Sie die Gefahr, die jetzt aus Italien für den Euro und für diese europäische Schuldenkrise ausgeht, gar nicht so groß?

Brok: Nein, weil einfach das Potenzial, die wirtschaftlichen Voraussetzungen, die Rahmenbedingungen völlig anders sind als in Griechenland. In Griechenland hat man ungefähr alles über 30 Jahre falsch gemacht, das kann man bei Italien nicht sagen. Und aus dem Grunde wäre es eigentlich leichter, wenn man glaubwürdige politische Führung hat, da rauszukommen, und ich glaube, dass der Fall Berlusconi sehr stark damit zu tun hat, dass man das in Italien weiß, und dass man aus diesem Grunde heraus jetzt eine neue solche Handlungsfähigkeit herstellen will.

Schwarz: Bis eine neue Regierung in Italien steht, könnte es ja bis Ende Januar dauern, so die ersten Informationen aus Rom. Kann sich die EU mit der Schuldenkrise dieses Machtvakuum in Italien überhaupt leisten?

Brok: Wie gesagt, mit der Schuldenlage ja, wegen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Italiens, aber es muss klar sein, dass man eine deutliche Führung und eine Reformfähigkeit hat. Es kann nicht sein, dass das, was an Reformen angekündigt worden ist von Berlusconi, jetzt bis Ende Januar liegenbleibt. Das wäre glaube ich die falsche Botschaft. Es muss klar sein für die Öffentlichkeit, für die italienischen Bürger, aber auch für die Märkte, dass dieses Land schnell wieder handlungsfähig wird.

Schwarz: Herr Brok, Berlusconi hat seinen Rücktritt angekündigt, nachdem das Misstrauen aus den eigenen Reihen zu groß geworden war. Aber die Frage ist doch: Hätte man da nicht auch schon viel früher aus Europa mehr Druck aufbauen müssen?

Brok: Nun, wie gesagt, Italien hat ja die Versprechen gegeben, Berlusconi hat in der Vergangenheit manches zuwege gebracht, es ist nur in den letzten, ich glaube, so sagen wir mal sechs oder sieben Wochen deutlich geworden, dass er nicht mehr die Kraft hat, das, was er selbst für richtig hält, durchzusetzen. Denn er hat ja weitgehende Vorschläge gemacht, daran hat es nicht gelegen, sondern an der Kraft, parlamentarische Mehrheiten zu finden, dieses entsprechend durchzusetzen. Und da hat es ja nun in den letzten vier Wochen einen gewaltigen Druckaufbau gegeben, der sicherlich jetzt zu dem jetzigen Ergebnis beigetragen hat, weil die Italiener sagen: Wir können nicht so als der kranke Mann Europas dastehen.

Schwarz: Elmar Brok, EVP-Mitglied im Europaparlament, war das. Herzlichen Dank!

Brok: Ich danke auch!

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