Briefband

Drogenprobleme und Geldsorgen

Von Maike Albath · 05.02.2014
Ja, er nahm ständig Drogen - Meskalin, Pilze oder LSD. Aber William S. Burroughs, Autor des Skandal-Kultbuches "Naked Lunch", schrieb auch viele Jahre lang Briefe. Sie liefern ein faszinierendes Porträt der amerikanisch-europäischen Bohème und der Schwulenszene jener Zeit.
Man konnte sich William S. Burroughs nie als einen gewöhnlichen Menschen vorstellen. Als jemanden, der sich um sein Einkommen sorgte, an seine Freunde dachte und eben auch Briefe schrieb. Man hielt ihn immer für einen poetischen Extremisten, einen Scharfschützen, munitioniert mit Wortgeschossen, besessen von radikalen ästhetischen Verfahren, wie den berühmten Cut-ups ("einfach nur die Seiten zerschneiden und per Zufall neu arrangieren"), Fold-ins (eine Falttechnik) und ineinander geblendeten Tonspuren.
Aber der Pionier der Beat-Generation und Verfasser des zeitweise von der Zensur blockierten Kultbuches Naked Lunch (1959) war nicht nur ein besessener Schriftsteller. Er hatte auch andere Seiten. Davon zeugt ein Briefband, der jetzt zum hundertsten Geburtstag des Schriftstellers erscheint.
Radiert die Worte aus lautet der Titel des von Bill Morgan sorgfältig edierten Bandes, in dem Burroughs‘ Korrespondenz aus der Zeit zwischen 1959 und 1974 in einer repräsentativen Auswahl versammelt ist. Morgan erläutert das gesamte Umfeld und liefert mit seiner Zusammenstellung ein faszinierendes Porträt der amerikanisch-europäischen Bohème und der Schwulenszene jener Zeit. Leider fehlen die Antworten der Adressaten, aber die Lektüre ist dennoch ebenso aufschlussreich wie unterhaltsam.
Reisen und Drogen
Burroughs war 25 Jahre lang in Europa beheimatet. Bis 1974 schlug er in wechselnden Ländern Quartier auf, pendelte zwischen Paris, Tanger und London hin und her, immer auf der Suche nach billigen Unterkünften und einem ruhigen Ort zum Schreiben. Die Protagonisten der Beat-Generation, von denen Ginsberg die wichtigste Rolle für ihn spielte, rückten im Laufe Zeit etwas an den Rand, stattdessen knüpfte der Schriftsteller enge Verbindungen mit Brion Gysin, Paul Bowles und Ian Summerville.
Neben zahlreichen Erläuterungen seiner verschiedenen künstlerischen Verfahren geht es in den Briefen natürlich immer wieder um Drogen: Mit aller Kraft bekämpfte er seine Sucht, was ihn zunächst nicht davon abhielt, Meskalin, Pilze oder LSD zu konsumieren. Aber 1969 schlug er einer Undergroundzeitschrift einen "gemeinsamen Werbefeldzug gegen destruktive Drogen" vor, die "zerstörerisch" wirkten und "apathisch und widerstandslos" machten. Eine Zeit lang begeisterte er sich für die Theorien von Scientology, lehnte aber gleichzeitig den Begründer Ron Hubbard als Scharlatan ab.
Als seine Mutter auf ein skandalisierendes Porträt ihres Sohnes in Life tief gekränkt reagierte, riet er ihr, erst einmal bis zehn zu zählen und schrieb dann:
"Um meinem Ruf gerecht zu werden, muss ich wohl anfangen, meinen Tee aus einem Schädel zu trinken, das ist das einzige Laster, das mir noch bleibt."
Er müsse sich den Mechanismen des Marktes anpassen, denn nur ein Autor, dessen Name in den Zeitungen vorkomme, könne Geld verdienen.
Ein weiteres großes Thema seiner Briefe ist in der Tat Geld: Über Jahrzehnte schlug er sich mit seinem gerissenen Verleger Maurice Girodias herum, ohne sich je von ihm zu trennen. Burroughs wird als ein extrem fleißiger, loyaler, ernsthafter, um seinen Sohn Billy besorgter Mann erkennbar. Wort-Junkie und Pragmatiker des Betriebs zugleich.

William S. Burroughs: Radiert die Worte aus, Briefe 1959-1974
Aus dem Amerikanischen von Michael Kellner
Nagel & Kimche, Zürich 2014
300 Seiten, 19,90 Euro

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