Brexit-Boris ist jetzt Außenminister

Aus Brüsseler Sicht ein schlechter Witz

Boris Johnson spricht bei einer Pressekonferenz
Boris Johnson hatte erst den Brexit mit zu verantworten, jetzt als neuer britischer Außenminister die Außenpolitik. © AFP / Leon Neal
Von Annette Riedel · 14.07.2016
Die Ernennung von Boris Johnson zum britischen Außenminister ist von der neuen britischen Regierungschefin Theresa May ein strategisch kluger Schachzug, meint Annette Riedel. Brüssel wird "Buhmann Johnson" dennoch nicht mit offenen Armen empfangen.
Alexander Boris de Pfeffel Johnson – besser bekannt als Boris Johnson – hat mit Sicherheit eine Reihe beachtlicher Qualitäten. Diplomatisches Geschick gehört nicht dazu. Insofern kann man zumindest aus Brüsseler Sicht seine Ernennung ausgerechnet zum Chef-Diplomaten eigentlich nur als Witz betrachten. Als schlechten Witz.
Aber um die Brüsseler Sicht oder die des Auslands allgemein geht es der neuen britischen Regierungschefin, Theresa May, nicht, wenn sie die Gallionsfigur der Brexit-Befürworter an ihre Seite beruft. Wichtiger ist ihr, die Einbindung durch Verantwortung eines profilierten Rivalen um die politische Macht. So kann Johnson nicht von der Seitenlinie bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit querschießen, sondern ist durch die Kabinetts-Disziplin halbwegs an die Leine gelegt. Ein strategisch kluger Schachzug.
Gleichzeitig hat May Johnsons Portfolio als Außenminister zwei in der nächsten Zeit bedeutsame Zuständigkeiten nicht zugeschlagen: Die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU und über die künftigen internationalen Handelsbeziehungen. Beide, der für den Brexit zuständige David Davis und der für die Handelsbeziehungen Verantwortliche Liam Fox, sind allerdings ebenfalls durchaus erklärte Brexit-Protagonisten. Von diesen Personalien geht eine klare Botschaft nach innen und nach außen aus: "The lady means business". Theresa May meint es ernst, wenn sie - als jemand, der das Vereinigte Königreich lieber in der EU verbleiben sehen wollte – nun sagt: Brexit ist Brexit. Sollte noch irgendjemand gehofft oder gefürchtet haben, dass die Briten vielleicht letztlich doch in der EU bleiben, so hat Theresa May mit der Einsetzung dieses Minister-Triumvirats solchen Anwandlungen eine schnelle, kühle Abfuhr erteilt.

Verhandlungen werden nicht leicht

Aus Brüsseler Sicht verheißt das alles nichts Gutes. Die Verhandlungen der EU mit dem künftigen Ex-Mitglied werden zumindest atmosphärisch nicht leichter. Und das Erarbeiten einer Übereinkunft für ein gedeihliches Miteinanders im beiderseitigen Interesses somit auch nicht.
Was der EU allerdings fast noch weniger behagt als der eine oder andere in der neuen britischen Minister-Riege, ist die Ansage von deren neuer Chefin, dass man sich im London Zeit zu nehmen gedenkt, bevor man offiziell die Verhandlungen beginnt. Damit zieht sich die Phase der allgemeinen Unsicherheit über das angestrebte Verhältnis zwischen Insel und Kontinent weiter hin. Mit all den dicken Fragezeichen, die das für Politik, Wirtschaft und nicht zuletzt für die Menschen bedeutet.
Am kommenden Montag wird "Buhmann Johnson" zum ersten Mal in seiner neuen Rolle als britischer Außenminister nach Brüssel kommen. Vielleicht wird es nicht gerade das sprichwörtliche Canossa sein, wohin er zu gehen hat. Blumen werden seine EU-Amtskollegen aber garantiert nicht für ihn streuen. Ganz verderben dürfen sie es sich mit ihm jedoch nicht. Denn so lange Großbritannien noch Mitglied der EU ist, kann "uns Boris" all jene außenpolitischen Entscheidungen der übrigen 27 blockieren, bei denen Einstimmigkeit geboten ist. Und das wäre noch nicht einmal mehr ein schlechter Witz.
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